Abmahnung vom Arbeitgeber – Wie gehen Arbeitnehmer am besten vor?

Interview mit Tim Florian Fink
Wir sprechen mit Tim Florian Fink, Gesellschafter und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kündigungsschutzkanzlei Fink & Partner, über Abmahnungen im Arbeitsrecht. Als erfahrener Rechtsanwalt, ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht und Mitglied des Ausschusses Arbeitsrecht und Mitbestimmung der Arbeitnehmerkammer berichtet er uns detailliert, wie Arbeitnehmer am besten mit einer Abmahnung umgehen können/sollten und welche Möglichkeiten sich ihnen bei einem Gerichtsverfahren bieten.

Arbeitsrecht hat viele Facetten. Womit beschäftigen sich spezialisierte Anwälte?

Ungefähr jedes zweite Mandat im Arbeitsrecht betrifft das Thema Kündigungsschutz. Hier geht es um Aufhebungsverträge und Kündigungen. Allgemein kann man sagen, dass aufgrund der Tatsache, dass ein Arbeitsverhältnis immer auch ein Vertrauensverhältnis ist, die meisten größeren juristischen Streitigkeiten auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinauslaufen.

Andere Themengebiete sind vor Allem die Beratung und Vertretung von bzw. mit Betriebsräten und sogenannte Leistungsklagen auf Zahlung von Gehalt, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Boni, Provisionen oder Ähnlichem. Wie erwähnt stehen solche Verfahren aber häufig in Verbindung mit gegenseitigen Trennungsgesprächen.

Rund um das Thema Kündigungen und Abmahnungen kursiert viel Halbwissen. Welche Mythen begegnen Ihnen im Berufsalltag regelmäßig?

Die häufigsten Irrtümer sind die Folgenden:

  • „Bei einer Kündigung muss der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen.“

Dies stimmt in der Regel nicht. Es gibt keinen generellen Abfindungsanspruch. Normalerweise müssen die Arbeitnehmer immer auf Weiterbeschäftigung klagen und nur im Rahmen eines Vergleiches wird über eine Abfindung verhandelt. Etwas anderes ergibt sich nur bei durch Betriebsräte ausgehandelten Sozialplänen.

  • „Bei einer Krankschreibung darf der Arbeitgeber nicht kündigen.“

Ein Arbeitgeber darf auch einem erkrankten Mitarbeiter kündigen. Die Krankheit schützt vor Kündigung nicht. Allerdings ist eine Kündigung „wegen“ Krankheit nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Insbesondere darf es immer einer negativen Zukunftsprognose, welche der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss.

  • „Wenn die Annahme der Kündigung verweigert wird, ist sie ja nicht zugegangen.“

Sobald eine Kündigung in den Machtbereich, also zum Beispiel in den Briefkasten des Arbeitnehmers gelangt, ist sie grundsätzlich auch zugegangen. Ab diesem Zeitpunkt hat der Arbeitnehmer drei Wochen Zeit, eine so genannte Kündigungsschutzklage einzureichen. Verpasst er diese Frist, wird die Kündigung automatisch wirksam.

Abmahnungen sind ein beliebtes Disziplinierungsmittel von Arbeitgebern. Welche Voraussetzungen müssen für eine wirksame Abmahnung erfüllt sein?

Für den Ausspruch einer wirksamen Abmahnung spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Die Abmahnung muss sowohl inhaltliche als auch formelle Anforderungen erfüllen, um wirksam ihrer Rüge- und Warnfunktion gerecht zu werden. Im Einzelnen dazu wie folgt:

a.       Inhaltliche Anforderungen

Die Abmahnung muss das genaue Fehlverhalten des Arbeitnehmers verdeutlichen. Dafür ist erforderlich, dass die konkrete Pflichtverletzung benannt wird und gerade keine allgemeinen, pauschalen Formulierungen verwendet werden.

Des Weiteren muss in der Abmahnung eine Drohung des Arbeitgebers enthalten sein, für den Fall, dass der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten nicht ändert. In diesem Fall muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gedroht werden. Wenn keine solche Drohung enthalten ist, spricht man lediglich von einer Ermahnung, welche später nicht zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden kann.

Grundsätzlich können auch verschiedene Pflichtverstöße eines Arbeitnehmers in einer Abmahnung zusammengefasst werden. Der Arbeitgeber sollte sich dabei jedoch darüber im Klaren sein, dass bei der Unwirksamkeit auch nur eines Vorwurfs letztlich die ganze Abmahnung unwirksam ist. Unter Umständen besteht dann aber noch die Möglichkeit, die an sich berechtigten Abmahnung nochmals einzeln vorzunehmen.

b.       Formvorschriften

Aufgrund mangelnder Regelung im Gesetz bedarf die Abmahnung, wie im Übrigen auch der Arbeitsvertrag selbst, keiner speziellen Form, insbesondere nicht der Schriftform. Eine Abmahnung kann daher auch dann wirksam sein, wenn sie nur mündlich ausgesprochen wird. Um jedoch auch später noch entsprechende Nachweise für den Ausspruch der Abmahnung zu haben, empfiehlt sich für Arbeitgeber die Schriftform.

c.       Zugang beim Arbeitnehmer

Die Abmahnung muss dem Arbeitgeber auch zugehen, um wirksam werden zu können. Eine mündliche Abmahnung wird daher bei direktem Ausspruch gegenüber dem Arbeitnehmer sofort wirksam. Eine schriftliche Abmahnung dagegen wird wirksam im Moment der persönlichen Übergabe oder in der Regel an dem Werktag, an welchem sie bei dem Arbeitnehmer in den Briefkasten eingeworfen wird. Es ist dabei nicht relevant, ob der Arbeitnehmer das Schreiben tatsächlich liest, solange der Arbeitgeber nachweisen kann, dass es dem Arbeitnehmer wirksam zugestellt wurde, zum Beispiel bei Versendung per Einwurf-Einschreiben oder Boten.

d.       Anhörung des Arbeitnehmers

Ob vor Ausspruch der Abmahnung eine Anhörung des Arbeitnehmers erforderlich ist, entscheidet sich danach, ob der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst tätig ist oder nicht. Im öffentlichen Dienst ist grundsätzlich eine vorherige Anhörung vorgesehen; in der freien Marktwirtschaft jedoch nicht. Wenn der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst vorab jedoch nicht zu den Vorwürfen gegen seine Person befragt wird, so kann die Abmahnung dennoch bei einer späteren Kündigung verwendet werden, sofern vorher keine Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte erfolgt ist.

e.       Berechtigung zur Abmahnung

Zur Abmahnung berechtigt ist grundsätzlich jeder, der dem betroffenen Mitarbeiter gegenüber weisungsbefugt ist.

Lohnt es sich als Arbeitnehmer, gegen unberechtigte Abmahnungen vorzugehen?

Hier kommt die Lieblingsantwort der Juristen: Es kommt darauf an! Entscheidend ist hier der jeweilige Einzelfall. Dabei kann es ggf. sogar sinnvoller sein, zunächst nicht gegen eine Abmahnung vorzugehen und den Arbeitgeber damit in Sicherheit zu wiegen, dass der sich im Falle einer Kündigung auf diese Abmahnung berufen kann. Wenn dann im gerichtlichen Kündigungsschutzverfahren die Abmahnung vom Gericht für unwirksam erklärt wird, kann dies dazu führen, dass dann auch die gesamte Kündigung unwirksam wird und der Arbeitnehmer dieses gewinnt bzw. besser Chancen auf den Abschluss eines von ihm gewollten Vergleiches hat. Eine solche Taktik ist möglich, da für ein Vorgehen gegen eine Abmahnung keine Frist besteht: Solange das Arbeitsverhältnis andauert, ist der Arbeitnehmer jeden Tag wieder aufs Neue belastet, so lange sich die Abmahnung in seiner Personalakte befindet.

Die Kündigung des Arbeitsvertrags landet häufig vor Gericht. Wann ist es möglich auf Wiedereinstellung zu klagen?

Grundsätzlich immer, auch wenn diese vielleicht gar nicht gewollt ist! Der Klageantrag beim Vorgehen gegen eine Kündigung ist zunächst immer darauf gerichtet, dass die zugrunde liegende Kündigung für unwirksam erklärt und das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden soll. Wenn dann jedoch auch seitens des Arbeitnehmers gar keine Fortsetzung mehr gewünscht ist, so sollte in dem zeitnah stattfindenden Gütetermin vor dem Arbeitsgericht versucht werden, mit dem Arbeitgeber eine gemeinsame, gütliche Einigung mit einer Beendigungslösung zu finden.

Üblicherweise endet eine Klage auf Wiedereinstellung mit einer Abfindung. Gibt es eine Faustformel für die Höhe?

Ja, es gibt eine allgemeine Faustformel, welche wie folgt lautet: Ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Dabei sollte jedoch unbedingt beachtet werden, dass es sich dabei nur um eine Faustformel handelt und es gerade keine gesetzliche Berechnungsgrundlage gibt. Dies vor dem Hintergrund, dass gar kein gesetzlicher Anspruch auf die Auszahlung einer Abfindung existiert. Aufgrund mangelnder gesetzlicher Regelung kann die Höhe der Abfindung daher im Einzelfall variieren und von der Faustformel nach oben oder unten abweichen.

Herr Fink, vielen Dank für das Interview.

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Tim Florian Fink

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