Andre Appel: Kein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung

Interview mit Andre Appel
Wir sprechen mit Rechtsanwalt Andre Appel, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Counsel der Ogletree Deakins International LLP über arbeitsrechtliche Fragen.

Arbeitsrecht ist ein breites Fachgebiet. Welches sind die typischen Betätigungsfelder für Anwälte?

Andre Appel: Das Arbeitsrecht hat wie kaum ein Rechtsgebiet einen ganz praktischen Einfluss auf das tägliche (Berufs-)Leben. Der Arbeitsrechtler beschäftigt sich typischerweise mit der gesamten Bandbreite der sehr vielfältigen Rechtsfragen, die im Rahmen der Anbahnung, Durchführung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen auftreten können. Darüber hinaus ergibt sich bei Unternehmen regelmäßig Beratungsbedarf im Hinblick auf die ordnungsgemäße Beteiligung der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer bzw. spezieller Arbeitnehmergruppen. Nicht zuletzt ist der Arbeitsrechtler erster Ansprechpartner im Krisenfall. Ogletree Deakins steht hier als Arbeitsrechtsboutique für die hoch spezialisierte Beratung von Arbeitgebern. Wir decken alle arbeitsrechtlichen Fragen ab und vertreten im Bedarfsfalle unsere Mandanten auch gerichtlich.

Welche speziellen arbeitsrechtlichen Regelungen gelten für kleine und mittelständische Unternehmen?

Andre Appel: Natürlich sind Unternehmen jeder Größe an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Vorschriften zum Schutz der Beschäftigten wie z. B. die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns gelten ohne Einschränkung. Ein wichtiger Punkt ist der besondere Kündigungsschutz, der erst in Betrieben eingreift, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer*innen beschäftigen. In solchen Betrieben hängt die Wirksamkeit einer Kündigung davon ab, ob dem Arbeitgeber ein Kündigungsgrund zur Seite steht. Wird die Schwelle von zehn Arbeitnehmer*innen nicht erreicht, kann grundsätzlich ohne besondere Begründung gekündigt werden.

Welchen arbeitsrechtlichen Einfluss haben Tarifbindung und Betriebsrat?

Andre Appel: Gibt es einen Betriebsrat, ist dieser bei einer Vielzahl unternehmerischer Entscheidungen zu beteiligen. Der Betriebsrat kann sich bei zahlreichen Themen zu Wort melden. Manche Maßnahmen, insbesondere soziale Angelegenheiten, kann der Arbeitgeber erst nach Zustimmung durch den Betriebsrat umsetzen. Der Betriebsrat ist auch bei personellen Maßnahmen wie beispielsweise Kündigungen zu beteiligen. Vor diesem Hintergrund ist der Einfluss des Betriebsrats auf ein Unternehmen nicht zu unterschätzen.

Tarifverträge haben ebenfalls einen großen Einfluss auf die betrieblichen Gegebenheiten. Wenn ein Tarifvertrag Anwendung findet, wirkt er zwischen den Parteien verbindlich. Üblicherweise sehen Tarifverträge Regelungen zur Lohn- und Arbeitszeitgestaltung vor bzw. regeln bestimmte Arbeitsbedingungen. Tarifverträge können für bestimmte Branchen und Regionen bzw. bundesweit allgemeinverbindlich sein und entfalten ihre Geltung dann automatisch. Klassisch kommen Tarifverträge zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer den Tarifparteien angehören (Mitgliedschaft in der Gewerkschaft bzw. dem Arbeitgeberverband). Allerdings kann die Geltung von Tarifverträgen auch arbeitsvertraglich vereinbart werden.

Abmahnung sind ein beliebtes Disziplinierungsmittel von Arbeitgebern. Welche Anforderungen müssen für eine wirksame Abmahnung erfüllt sein?

Andre Appel: Eine Abmahnung kommt bei erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen in Betracht. Eine wirksame Abmahnung soll eine Warnfunktion erfüllen und dem Beschäftigten vor Augen führen, dass ein bestimmtes Verhalten vom Arbeitgeber nicht toleriert wird. Der Arbeitgeber muss daher das Fehlverhalten des Arbeitnehmers möglichst genau beschreiben. Zur Erfüllung der Warnfunktion beinhaltet eine wirksame Abmahnung ferner den Hinweis, dass es bei einer Wiederholung des Fehlverhaltens zu (weiteren) arbeitsrechtlichen Konsequenzen kommen kann.

Lohnt es sich gegen ungerechtfertigte Abmahnungen vorzugehen?

Andre Appel: Das kann allgemein nicht beantwortet werden. Eine Abmahnung findet üblicherweise den Weg in die Personalakte eines Beschäftigten und bleibt dort für eine gewisse Zeit. Kommt es nicht erneut zu einem Fehlverhalten wie abgemahnt oder ähnlich, ist die Abmahnung unschädlich. Relevant wird diese ggf. erst bei erneutem Fehlverhalten und einer weiteren Sanktion, beispielsweise einer arbeitgeberseitigen Kündigung. Geht der Arbeitnehmer hiergegen vor und ruft das Arbeitsgericht an, würde das Gericht im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses auch die Wirksamkeit der Abmahnung prüfen. Vor diesem Hintergrund ist oft nicht zu empfehlen, die Abmahnung isoliert anzugreifen, denn häufig vergrößert dies die Spannungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien.

Kündigungen durch den Arbeitgeber landen häufig vor Gericht. Was sollten Arbeitnehmer beachten, die gegen ihre Kündigung vorgehen wollen?

Andre Appel: Sie sollten vor allem keine Zeit verlieren und bald nach Erhalt einer Kündigung ein Beratungsgespräch bei einem im Arbeitsrecht tätigen Berufskollegen vereinbaren. Möchte der Beschäftigte die Kündigung tatsächlich angreifen, muss er innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Ist diese Frist verstrichen, ist die Kündigung in aller Regel fiktiv wirksam.

Arbeitsrechtsprozesse enden häufig mit einer Abfindung. Auf welche Höhe dürfen Arbeitnehmer hoffen?

Andre Appel: In Deutschland gibt es, im Gegensatz zu anderen Ländern – z. B. Frankreich,  keinen Anspruch auf eine Abfindung, wenn ein Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Wird eine Abfindung gezahlt, erfolgt dies stets freiwillig, indem beim Arbeitsgericht ein Vergleich abgeschlossen wird. Beide Parteien müssen diesem jedoch (aktiv) zustimmen; der Arbeitgeber muss bereit sein, eine bestimmte Summe anzubieten und der Arbeitnehmer muss die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Ansehung des Abfindungsbetrages akzeptieren. Vor diesem Hintergrund ist sowohl die Frage, ob der Arbeitgeber überhaupt eine Abfindung anbietet und wenn ja, in welcher Höhe, vom jeweiligen Einzelfall abhängig.

Herr Rechtsanwalt Appel, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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