Andreas Dehne: „Von eigenständigen Verhandlungen kann nur abgeraten werden“

Interview mit Andreas Dehne
Wir sprechen mit Rechtsanwalt und Notar Andreas Dehne, Fachanwalt für Agrarrecht und für Miet- und Wohnungseigentumsrecht der Dehne Ringe Grages Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, über Fragen zum Agrarecht.

In einem eng besiedelten Land wie Deutschland kommt es häufig zu Auseinandersetzungen um die Nutzung von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Welche Fälle betreut Ihre Kanzlei am häufigsten?

Andreas Dehne: Es ist zutreffend, dass aufgrund der regen Bautätigkeit und dem damit verbundenen Verbrauch von landwirtschaftlichen Nutzflächen einerseits wie auch andererseits dem Wachstumsinteresse der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe sich häufig Konfliktsituationen ergeben. Diese haben wir zu unterteilen in zivilrechtliche Streitigkeiten, also Streitigkeiten um das Nutzungsrecht an den Flächen (Pachtrecht oder Kauf). Diese werden von unserer Kanzlei intensiv betreut, hierbei zum einen als anwaltliche Interessenvertreter eines der Beteiligten, zum anderen aber im nicht streitigen Bereich auch durch unsere diversen Notare im Rahmen von Kaufverträgen, Begründung von Nutzungsrechten u.Ä.. Des Weiteren betreuen wir auch den großen Bereich des öffentlichen Rechts, in welchem Flächen bspw. durch Bebauung mit Straßen, Stromleitungen, Wohngebieten usw. in Anspruch genommen werden sollen und der bisherige Eigentümer die Fläche zu diesem Zweck herausgeben soll, sei es durch Umverlagerung im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren oder durch öffentlich-rechtlichen Zwang bzw. auch hier natürlich im unstreitigen Bereich durch Verhandlungsergebnisse, die allen anderen Streitigkeiten zu präferieren sind.

Der Ausbau der Hochspannungstrassen „Südlink“ bzw. „SüdOstLink“ führt zu großen Teilen durch landwirtschaftliche Nutzflächen. Welche Rechte haben die Eigentümer?

Andreas Dehne: In der Tat erfordert die Energiewende nachhaltigen Ausbau von Hochspannungstrassen, nicht nur von SüdLink oder SüdOstLink, sondern auch durch den WestLink oder WahleMecklar und viele andere. Dies führt zu gravierenden Eingriffen in die landwirtschaftlichen Nutzflächen.

Die jeweiligen Eigentümer, die durch Mastenbau, Überspannung oder – wesentlich gravierender – durch Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen in Anspruch genommen werden, sind letzten Endes aus dem Eigentum, also Art. 14 des Grundgesetzes geschützt.

Dabei ist es zwingend erforderlich die Verfahrensschritte zu beachten und dann weiträumig im Vorfeld schon, namentlich im Rahmen der Festlegung des groben Trassenverlaufes, Einwendungen zu erheben, da ansonsten Präklusionen, also der Ausschluss mit der Geltendmachung weiterer Positionen allein durch Fristversäumnisse droht. Da das Eigentum im Grundgesetz ein stark geschütztes Recht ist, hat der jeweilige Eigentümer insoweit auch zunächst einmal eine starke Rechtsposition und kann auf allen Ebenen, also auch was die Erforderlichkeit von derartigen Leitungen angeht usw., sich zunächst zur Wehr setzen. Naturgemäß ist es allerdings auch so, dass staatlicherseits unabdingbar notwendig erachtete Baumaßnahmen, wie z.B. Straßenbaumaßnahmen oder eben auch notwendige Elektroleitungen, durchgeführt und gebaut werden müssen, um das Staatsziel zu erreichen.

Wird in das Eigentum des einzelnen eingegriffen, ist der Eigentümer auf eine wirtschaftliche Entschädigung für den auf seiner Fläche vorgenommenen Eingriff verwiesen.

Wie hoch fallen die Entschädigungen üblicherweise aus?

Andreas Dehne: Die Höhe der Entschädigung ist einzelfallabhängig. Es gibt gravierende Unterschiede in der Beeinträchtigung der Flächen, je nach Ausbauform. Eine Masten basierte Ausbauform, die auch die im Bau deutlich günstigere Variante des Leitungsbaus ist, verursacht Andreas Dehne: im Wesentlichen Probleme bei der Umfahrung der Masten mit ackerbaulichen Geräten und evtl. auch noch durch Störung der Elektronik der Geräte durch den durchgeleiteten Strom. Erdleitungen beeinträchtigen wesentlich gravierender, wiewohl man auf den ersten Blick glauben mag, dass das nicht so ist, denn diese sind nicht einmal zu umfahren, sondern schlicht vergraben. Allerdings haben diese Leitungen die Eigenschaft Wärme abzugeben, was zum Austrocknen der umliegenden Ländereien führt und gravierendste wirtschaftliche Schäden verursachen kann. Darin liegt, dass die Frage, wie hoch die Entschädigungen üblicherweise sind, schlechterdings so nicht beantwortet werden kann. Das ist letzten Endes eine Einzelfallfrage.

Landwirte profitieren vom Ausbau der Erneuerbaren Energien. Welche rechtlichen Vorschriften sind zu beachten, wenn auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ein Wind- oder Solarpark installiert werden soll?

Andreas Dehne: Für den Fall der Erstellung eines Wind- oder Solarparks sind zunächst einmal die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen abzuklären. In vielen Regionen sind sog. Windvorranggebiete ausgewiesen worden, in welchen also die Erstellung von Windkraftanlagen unter Einhaltung der üblichen Abstandsfragen aus dem Baurecht zulässig sind, dies um letzten Endes Wildwuchs von Windkraftanlagen, die im Übrigen als privilegierte Anlagen im Außenbereich ansonsten zu genehmigen wären, zu verhindern. Die jeweiligen Eigentümer in derartigen Vorranggebieten tun gut daran, gemeinschaftlich zu verhandeln und nicht Einzelverhandlungen mit Interessenten zu führen, da dieses zu einer Zersplitterung eines Vorranggebietes und dann auch nur begrenzter Umsetzbarkeit von Vorhaben führen kann. Sodann ist es zwingend notwendig, mit der Gebietskörperschaft vor Ort (Gemeinde, Stadt usw.) eng zusammen zu arbeiten, um hier eine vernünftige Regelung zu erreichen. Die zu beachtenden Vorschriften nach dem Bundesimissionsschutzrecht, dem Baurecht und Naturschutzrecht werden dann im Rahmen des Genehmigungsverfahrens umfassend abgeprüft und sind sehr vielfältig. Solarparks sind nicht privilegierte Anlagen und grundsätzlich anders zu behandeln. Mit Freiflächen-Solarparks bestehen derzeit auch noch nicht viele Erfahrungen, es gibt diese schlechterdings nicht in größerer Anzahl. Allerdings soll es wohl Tendenzen in der Bundesregierung geben, einen nachhaltigen Ausbau derartiger Freiflächenanlagen zu fördern. Es ist davon auszugehen, dass dann die Rahmenrichtlinien für Derartiges auch vereinfacht werden müssen. Bisher bedarf es dazu eines Bebauungsplanes durch die Kommune.

Was ist zu tun, wenn Ackerland in Bauland umgewandelt wird?

Andreas Dehne: Eine „Umwandlung“ von Ackerland zu Bauland erfolgt im Wesentlichen dadurch, dass die zuständige Gebietskörperschaft, also die jeweilige Gemeinde, eine bestimmte Fläche als Bauland ausweist. Dadurch ändert sich allerdings nur der öffentlich-rechtliche Status der Fläche. Die Fläche kann natürlich weiter als Ackerland genutzt werden und die Bebauungsmöglichkeit der Fläche, mehr wird ja letzten Endes hierdurch auch nicht eröffnet, ändert daran zunächst einmal nichts. Des Weiteren ist es auch so, dass Bauland wirtschaftlich wesentlich höher gehandelt wird als Ackerland, weshalb die jeweiligen Eigentümer einer derartigen rechtlichen Höherqualifizierung regelmäßig auch positiv gegenüberstehen. Will man dieses allerdings verhindern, dann muss man auf die Entscheidungsprozesse der Gebietskörperschaft im Gemeinderat usw. Einfluss nehmen. Soll die Umwandlung durch Veräußerung und anschließender Bebauung erfolgen, ist unbedingt im Rahmen der Verhandlungen darauf zu achten, dass man preislich fair behandelt wird. Auch ist es notwendig, einen Steuerberater hinzuzuziehen, da hier evtl. steuerlich erhebliche Gewinne aufgedeckt werden können. Schließlich können zumindest in den Regionen, in denen die Höfeordnung Anwendung findet (Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg) evtl. Nachabfindungsansprüche für die weichenden Erben des landwirtschaftlichen Betriebes „produziert“ werden. Dieses ist auf jeden Fall im Vorfeld vor Veräußerung zu klären.

Landwirte erhalten häufig Angebote von Großunternehmen. Wie wichtig ist es anwaltlichen Rat während der Verhandlungen einzuholen?  

Andreas Dehne: Sofern Landwirte Angebote erhalten, sich von Ihren Flächen zu trennen, sind schon aus vorstehenden Gründen (Höfeordnung, Steuerrecht) die Einbeziehung von Steuerberatern und Anwälten meiner Meinung nach zwingend notwendig. Bei der Begründung von Erbbaurechten o.ä. für Windkraftanlagen oder Photovoltaikanlagen ist dieses noch umso mehr notwendig, da diese Regelungen häufig sehr komplex und vielschichtig sind. Von eigenständigen Verhandlungen kann hier nur abgeraten werden.

Herr Rechtsanwalt Dehne, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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