Barbara Brauck: Sinnvoll ist häufig das Wohnungsvermächtnis

Interview mit Barbara Brauck
Barbara Brauck ist Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei Brauck-Hunger in Geisenheim. Mit ihr sprechen wir über Erbeinsetzung, Vermächtnis sowie Einsatz eines Testamentsvollstreckers.

Erblasser unterscheiden in der Praxis oft nicht zwischen der Erbeinsetzung und dem Vermächtnis. Wo liegt hier der Unterschied?

Barbara Brauck: Der Erbe wird bei Versterben Eigentümer des gesamten Vermögens, also aller Aktiva und natürlich auch Passiva des Erblassers. Miterben werden gemeinschaftlich Eigentümer aller Aktiva und Passiva.

Der Erbe tritt sozusagen in die „Fußstapfen“ des Erblassers.

Anders beim Vermächtnisnehmer (nachfolgend VN): Er bekommt meistens einen bestimmten Vermögensgegenstand zugesprochen. Damit er diesen tatsächlich erhält, muss er seinen Anspruch auf diesen Vermögensgegenstand gegenüber dem Erben geltend machen, ggf. darauf verklagen.

Bsp.: Die verwitwete Mutter setzt ihre Tochter als alleinige Erbin ein, ihren Sohn setzt sie als Vermächtnis eine Immobilie aus.

Folge: Die Tochter wird Eigentümerin aller Aktiva und Passiva, also auch der Immobilie, die dem Sohn als Vermächtnis zukommen soll. Der Sohn muss von der Tochter die Übertragung der Immobilie verlangen. Hierbei sind Fristen einzuhalten: Der Anspruch auf ein Vermächtnis verjährt in 3 Jahren, bei einem Immobilienvermächtnis in 10 Jahren.

Nur der Erbe wird im Erbschein genannt. Der VN nicht. Nur der Erbe hat, da er in die Fußstapfen des Erblassers tritt, Ansprüche auf Auskunft z.B. bei Bank und Grundbuchamt.

Die Einsetzung der Erben erfolgt in Quoten, also ½, 1/3 etc. Nicht möglich ist die Einsetzung eines Erben für einen bestimmten Vermögensgegenstand. Möchte der Erblasser festlegen, welcher Erbe welche Vermögensgegenstände erhält, kann er dies durch die sog. Teilungsanordnung bestimmen.

Mit verschiedenen Arten von Vermächtnissen können Erblasser flexibel anordnen, wer was bekommen soll. Können Sie uns die verschiedenen Arten von Vermächtnissen einmal erklären?

Barbara Brauck: Dem VN können einzelne Gegenstände z.B. eine Immobilie, den Familienbetrieb, das Klavier, die Gemäldesammlung etc. erhalten, aber auch einen Bruchteil am Nachlassvermögen, das sog. Quotenvermächtnis.

Sinnvoll ist häufig das Wohnungsvermächtnis. So z.B. in der Patchworkfamilie: Die verwitwete Mutter heiratet wieder. Ihre Immobilie sollen ihre Kinder erhalten, auf keinen Fall jedoch der 2. Ehemann und dessen Kinder. Der 2. Ehemann soll aber abgesichert sein, d.h. im Haus wohnen bleiben dürfen.

Welche Regelung ist hier sinnvoll? Die Mutter setzt ihre beiden Kinder als Erben ein, d.h. sie erhalten die Immobilie. Ihrem Ehemann setzt sie ein Vermächtnis aus, nachdem der 2. Ehemann im Haus wohnen bleiben kann. Soll er das Haus zusätzlich vermieten dürfen, kann sie ihm auch ein Nießbrauchsvermächtnis aussetzen. Beide Vermächtnisse können auf Lebenszeit des 2. Ehemannes ausgesetzt sein oder auf eine bestimmte Zeitspanne z.B. 1 Jahr, damit der 2. Ehemann sich eine neue Wohnung suchen kann. Oder das Vermächtnis erlischt bei Wiederverheiratung des 2. Ehemannes.

Ist der VN gleichzeitig Miterbe, kann er ein sog. Vorausvermächtnis erhalten, d.h. er erhält einen bestimmten Vermögengegenstand wie z.B. die Immobilie, ohne dass er sich diese auf seinen Erbteil anrechnen lassen muss.

Bsp.: wie oben die verwitwete Mutter hat eine Tochter und einen Sohn. Der Wert des gesamten Nachlasses beträgt 2 Mio. €. Im Nachlass enthalten ist eine Immobilie im Wert von 250.000 €.

Die Mutter setzt ihre beiden Kinder als Erben zu je 1/2 ein. Der Sohn erhält als Vorausvermächtnis die Immobilie.

Der Nachlass der Mutter wird dann so aufgeteilt:

Der Sohn erhält zuerst die Immobilie. Der verbleibende Nachlass im Wert von 1.750.000 wird auf beide Kinder aufgeteilt. Die Tochter erhält davon 875.000 €, ebenso der Sohn.

Steuerliche Aspekte: Derselbe Fall: Jedes Kind erbt Vermögen im Wert von 1 Mio. €. Jedes Kind hat einen Freibetrag von 400.000 €. Für den darüber fallenden Betrag von 600.000 € zahlt jedes Kind Erbschaftssteuer von 15 %, also 90.000 €.

Wie kann die Erbschaftssteuerbelastung verringert werden? Die Mutter kann ebenfalls ihre Enkelkinder mitbedenken, ohne sie als Erben einzusetzen. So kann sie jedem Enkelkind ein Geldvermächtnis in Höhe von 200.000 € aussetzen. Die Enkelkinder bleiben innerhalb des Freibetrags und müssen keine Erbschaftssteuer zahlen. Haben Sohn und Tochter je 2 Kinder, so zahlen sie Erbschaftssteuer auf den verbleibenden Betrag von 200.000 €. Der Steuersatz fällt von 15 % auf 11 %. Die Steuerlast der Kinder verringert sich von 90.000 € auf 22.000 €. Durch Übertragung zu Lebzeiten lässt sich die Steuer weiter verringern.

Im Einzelfall kann es doch unklar sein, ob der Erblasser in seinem Testament jemanden als Erben oder Vermächtnisnehmer einsetzen wollte. Was geschieht, wenn die Formulierung im Testament unklar ist?

Barbara Brauck: Zwei Juristen, drei Meinungen. Ist die Formulierung unklar, wird das Testament ausgelegt: Der wirkliche Wille des Erblassers soll wirksam werden. Soll eine Person einen bestimmten Gegenstand erhalten, ist davon auszugehen, dass sie nur VN sein soll. Verteilt der Erblasser alle Vermögensgegenstände auf eine oder mehrere Personen, wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass er diese Personen nicht als VN eingesetzt hat, sondern eine Erbeinsetzung gewollt hat. Erbquote jedes Bedachten ist der ihm zugedachte Vermögensgenstand im Verhältnis zum Gesamtvermögen.

Die Entscheidung, ob der oder die Bedachten Erbe oder VN sind, trifft das Amtsgericht, bei dem die Beteiligten einen Erbschein beantragen. Alternativ können die Bedachten bei Gericht Erbenfeststellungsklage erheben.

Wie verhält sich ein Vermächtnis zum Pflichtteil?

Barbara Brauck: Erhält ein Pflichtteilsberechtigter ein Vermächtnis wie z.B. eine Immobilie, muss er sich diese auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen.

Bsp.: wie oben, die verwitwete Mutter hat eine Tochter und einen Sohn. Der Wert des gesamten Nachlasses beträgt 2 Mio. €. Dabei berücksichtigt ist der Wert der Immobilie in Höhe von 250.000 €, die der Sohn als Vermächtnis erhält.

Die gesetzliche Erbquote, also die Erbquote, wenn kein Testament vorliegt, beträgt für jedes Kind ½. Die Pflichtteilsquote ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also ¼. Der Sohn hat also einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 500.000 €. Nimmt er die Immobilie als Vermächtnis an, muss er sich dies anrechnen lassen, so dass er noch einen Restpflichtteil in Höhe von 250.000 € erhält. Problem hierbei ist, mit welchem Wert die Immobilie zu bewerten ist. Sachverständige kommen regelmäßig zu verschiedenen Werten.

Es ist sinnvoll, schon frühzeitig für den Fall des Ablebens eine Regelung des Nachlasses zu erstellen – so kann unter Umständen ein Streit in der Familie verhindert werden. Welche Möglichkeiten gibt es noch, um für eine gerechte und sinnvolle Verteilung im Sinne des Erblassers zu sorgen?

Barbara Brauck: Wenn es möglich ist, sollten die Eltern ihren Kindern offen kommunizieren, welche Regelung sie für ihren Nachlass getroffen haben. Schon dies kann Streit vermeiden, da so ein Austausch zu Lebzeiten erfolgt.

Erfahren die Kinder erst nach dem Tod der Eltern von den testamentarischen Regelungen und fühlen sie sich benachteiligt, können sie sich nicht an ihre Eltern wenden. Stellvertretend wird dann mit den Geschwistern „gekämpft“.

Erbengemeinschaften sind stets streitanfällig. Alle Erben müssen sich einigen, wie das Erbe aufgeteilt wird. Ob ein Haus verkauft oder vermietet wird. Ob die Immobilie renoviert werden soll. Wer welche Immobilie zu welchem Wert erhält, wer den Schmuck der Muttererhält usw. Mitreden werden nicht nur die Geschwister, sondern ebenfalls deren Ehegatten. Hier kann es sinnvoll sein, nur einen Erben einzusetzen und den anderen Kindern Vermächtnisse zu vermachen. Oder einen Testamentsvollstrecker einzusetzen, der die Aufgabe erhält, das Erbe unter den Geschwistern aufzuteilen.

Übertragungen zu Lebzeiten können sinnvoll sein. Das Vermögen ist verteilt, das Streitpotential bei Versterben der Eltern so verringert. Die übergebenden Eltern werden abgesichert: Durch ein Nießbrauchsrecht bei Mietimmobilien erhalten sie weiterhin die Miete. Durch ein Wohnungsrecht bei Übergabe des selbst bewohnten Hauses können sie dies lebenslang weiter bewohnen. Die Geschwister, die keine Immobilie erhalten, werden im Testament entsprechend bedacht und/ oder erhalten vom beschenkten Geschwister Ausgleichzahlungen.

Zusätzlicher Vorteil: Eine geschickt gestaltete Übertragung zu Lebzeiten führt meistens zu einer geringeren Steuerbelastung der Erben.

Frau Brauck, vielen Dank für das Gespräch!

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