Das Verkehrsrecht als Teil des Verkehrswesens umfasst die Bereiche „öffentliches Recht„ und „Privatrecht„. Als Anwalt für Verkehrsrecht beschäftigt man sich aber vor allem mit „Verkehrssündern“ – oder ist das ein Vorurteil?
Carsten Hendrych: Als Verkehrsrecht werden im Allgemeinen alle Rechtsgebiete zusammengefasst, die im weitesten Sinne mit dem Auto zu tun haben. Das ist natürlich vorrangig Zivilrecht, also Privatrecht, wie z. B. Unfallschadenersatz und Schmerzensgeld. Aber dazu gehört auch der ganze Komplex Autokauf einschließlich Gewährleistungsfragen und Fahrzeugleasing. Ebenfalls zum Privatrecht zählt aber auch das Versicherungsrecht in Bezug auf das Auto, vor allem Fragen rund um die Kaskoversicherung.
Der zweite große Komplex, den man als Verkehrsanwalt bearbeitet, sind die Bußgeld- und Verkehrsstrafsachen, also die Probleme der von Ihnen angesprochenen „Verkehrssünder“. Das fängt an bei Geschwindigkeits- und Rotlichtverstößen und geht über Unfallflucht und Alkohol- und Drogenstraftaten im Verkehr, bis zu schwerwiegenden Straftaten wie illegalen Autorennen und Tötungsdelikten.
Und es gibt im Verkehrsrecht auch das klassische „öffentliche Recht“. Das sind vor allem Probleme mit der Fahrerlaubnis (bzw. meist eben gerade ohne dieselbe). Hier sind vor allem die Stichworte MPU und Flensburg zu nennen.
Wie Sie sehen, ist das Verkehrsrecht also recht vielfältig, und gerade das macht seinen Reiz für einen Juristen aus. Und selbstverständlich vertrete ich als Fachanwalt für Verkehrsrecht nicht nur Autofahrer, sondern auch Fußgänger und Radfahrer.
Der Bußgeldkatalog wurde im April dieses Jahres erst verschärft, dann aber wieder entschärft. Gab es plötzlich zu viele Vergehen und zu viel bürokratischen Aufwand, oder was war der Grund?
Carsten Hendrych: Hier kann ich es ganz kurz machen: Das Bundesverkehrsministerium hat so schlampig gearbeitet (und das auch nicht das erste Mal), dass die Verschärfung des Bußgeldkatalogs recht schnell wieder aus dem Verkehr gezogen werden musste.
Ist es erlaubt, dass ich als Unfallverursacher dem Unfallgegner einen Zettel an die Scheibe hänge, wenn dieser nicht auffindbar ist?
Carsten Hendrych: Es ist jedenfalls nicht erlaubt, danach einfach seiner Wege zu fahren, denn das wäre dann „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“, und das kann durchaus die Fahrerlaubnis kosten. Ein Zettel an der Scheibe reicht also nicht und es ist in Zeiten, wo eigentlich jeder ein Handy hat, tatsächlich auch ziemlich untauglich. Am besten ist es, die Polizei anrufen und den Unfall melden.
Kann ich die Aufnahmen meiner „Dash-Cam„ (Cockpit-Kamera) als Beweis anführen, wenn es z. B. um die Schuldfrage bei einem Unfall geht?
Carsten Hendrych: Wenn es auf Fragen wie diese eindeutige Antworten gäbe, bräuchte man wahrscheinlich keine Juristen mehr. Aber ganz konkret: Der aktuelle Trend in der Rechtsprechung geht dahin, Dash-Cams als Beweismittel zuzulassen. Jedenfalls dann, wenn sie nur jeweils die letzten Sekunden vor dem Unfall aufzeichnen und die alten Aufnahmen regelmäßig wieder überschreiben. Aber so eine Dash-Cam-Aufnahme offenbart natürlich auch mögliche eigene Fahrfehler. Und übrigens: Moderne Autos sind quasi Computer auf Rädern, und Spezialisten können da viel mehr Informationen herauslesen als eine Dash-Cam aufnehmen kann.
Wenn ich keine Rechtsschutz-Versicherung habe, muss ich dann einen Anwalt bezahlen, auch wenn ich Geschädigter bin oder zahlt das die gegnerische Versicherung?
Carsten Hendrych: In der Tat muss die gegnerische Versicherung auch die Anwaltskosten des Geschädigten zahlen, wenn diesen keine Schuld oder Mitschuld am Unfall trifft. Das gilt ganz unabhängig davon, ob man eine Rechtsschutzversicherung hat oder nicht. Aber dennoch ist eine Rechtsschutzversicherung dringend zu empfehlen, wenn man viel im Straßenverkehr unterwegs ist. Denn spätestens wenn man sein Recht vor Gericht einklagen muss, wird es ohne Rechtsschutz finanziell riskant.
Lohnt es sich, ein „Blitzerfoto„ anzuzweifeln und gegen den Bescheid von der Bußgeldstelle vorzugehen?
Carsten Hendrych: Das kann man wirklich nicht pauschal beantworten. Hier gilt: Es kommt drauf an. Wenn ein Fahrverbot droht oder der achte Punkt in Flensburg, dann sollte man nichts unversucht lassen. Aber auch sonst kann es sich lohnen. Erstaunlich oft werden die Verfahren eingestellt, wenn man sich gegen den Bußgeldbescheid zur Wehr setzt. Aber gerade hier sollte man besser eine Rechtsschutzversicherung haben.
Wenn ich acht Punkte in Flensburg angesammelt habe, verliere ich dann sofort meine Fahrerlaubnis? Für wie lange, und wie kann ich diese zurückbekommen?
Carsten Hendrych: Wenn Sie acht Punkte in Flensburg angesammelt haben, wird die Fahrerlaubnis entzogen. Das heißt nicht, dass bereits dann nicht mehr fahren dürfen, wenn der Bußgeldbescheid mit dem achten Punkt im Briefkasten liegt. Denn wer weiß schon genau, wie viele Punkte er aktuell hat. Aber die Fahrerlaubnisbehörde zählt mit und schickt dann einen Entziehungsbescheid. Und das ist denn der Zeitpunkt, wo man nicht mehr fahren darf.
„Zurück“ bekommen Sie die Fahrerlaubnis im eigentlichen Sinne nicht. Sie müssen sie neu beantragen. Zwar müssen Sie nicht noch mal zur Fahrschule, aber möglicherweise zur MPU. Und was die Dauer anbelangt: Eindeutige Fristen gibt es da nicht. Man kann theoretisch sofort nach der Entziehung einen Antrag stellen, aber das wäre völlig sinnlos. Die Faustregel ist, dass man vor Ablauf von zwölf Monaten seit der Entziehung keine neue Fahrerlaubnis bekommt. Den Antrag kann man aber schon mal nach neun Monaten stellen.