Claudia Knuth: Es muss nicht mehr jeder Vertrag einzeln ausgehandelt werden

Interview mit Claudia Knuth
Claudia Knuth ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin am Berliner Standort von LUTZ | ABEL. Mit ihr sprechen wir über Kostenersparnis durch AGBs, Sinn und Zweck sowie AGB-Pflicht.

Kaum eine Rechtsmaterie ist so bedeutend wie das AGB-Recht. Die AGB sind wohl der am häufigsten verwendete Bestandteil der Vertragsgestaltung. Was ist der Sinn und Zweck von den AGB?

Claudia Knuth: AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt (vgl. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB). Durch AGB können gerade bei Massengeschäften Vertragsschlüsse stark vereinfacht werden. Es muss nicht mehr jeder Vertrag einzeln ausgehandelt werden. Das spart Kosten und Zeit. Sinn und Zweck der AGB ist also einerseits die Rationalisierung von Vertragsabschlüssen. Außerdem werden mit AGB Verträge standardisiert, sodass für jeden Vertrag grundsätzlich die gleichen Bedingungen gelten, was bei der Vielzahl von Verträgen vieles vereinfacht.

Eine gesetzliche AGB-Pflicht gibt es in Deutschland nicht, doch sind sie für Unternehmen nahezu unverzichtbar. Wie genau profitieren Unternehmen von den AGB?

Claudia Knuth: Durch die Verwendung von AGB werden viele Geschäftsprozesse durch die Standardisierung der Verträge vereinfacht. Sie sparen Kosten, Zeit und Arbeitskraft. Außerdem können Unternehmen durch AGB vom Gesetz abweichende Regelungen treffen. Sie können das Vertragsverhältnis also – im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben – zu ihren Gunsten ausgestalten. So können sich beispielsweise Arbeitgeber durch wirksam formulierte Versetzungsklauseln in Arbeitsverträgen die Versetzung ihrer Mitarbeiter vorbehalten und so die Tätigkeit und den Arbeitsort flexibler gestalten. Durch wirksam vereinbarte Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen können die Fristen zur Geltendmachung – abweichend von den gesetzlichen Verjährungsregeln – verkürzt werden, was für den Arbeitgeber dann eine gewisse Rechtssicherheit mit sich bringt. Er weiß dann, dass Arbeitnehmer nicht Jahre später noch Ansprüche aus einem schon längst nicht mehr bestehenden Arbeitsverhältnis geltend machen können.

Pflegen Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen, und eines davon hat keine eigenen AGB, so gelten automatisch die Geschäftsbedingungen des Geschäftspartners. Warum ist das meist schlecht, und wie können sich Unternehmen vor Nachteilen durch die AGB des anderen schützen?

Claudia Knuth: Dadurch, dass Unternehmen AGB verwenden, um Vertragsregelungen zu ihren Gunsten auszugestalten, geht das meist zulasten des Vertragspartners, der keine AGBs gestellt hat. Wenn das Unternehmen, dass keine AGB hat, nicht reagiert, finden die (ungünstigen) AGB des Unternehmens grundsätzlich Anwendung, sofern sie wirksam sind und in den Vertrag einbezogen wurden. Es ist in der Regel ausreichend, wenn das die AGB stellende Unternehmen auf seine AGB hinweist (z. B. in einer E-Mail) und der andere Vertragsteil dem nicht widerspricht. Bei langjährigen Geschäftsbeziehungen können die AGB u.U. auch stillschweigend einbezogen werden, wenn die AGB bisher immer Vertragsbestandteil wurden, ohne dass der Vertragspartner widersprochen hat. Auch unterliegen die AGB bei B2B-Verträgen einer weniger umfassenden Inhaltskontrolle. Es ist daher sinnvoll, gewisse Schutzmaßnahmen gegen die AGB eines Vertragsunternehmens zu treffen. Eine Möglichkeit ist es, den AGB des Unternehmens ausdrücklich zu widersprechen. Dann werden sie nicht zum Vertragsbestandteil. Es gilt dann das Gesetz. Auch könnten die einzelnen Regelungen individuell ausgehandelt werden, dann würden sie vorrangig gelten. Dies könnte allerdings umständlich und zeitintensiv werden. Stellen beide Unternehmen die AGB, gelten diese nur, soweit sie übereinstimmen. Bei sich widersprechenden AGB-Klauseln gelten dann die gesetzlichen Regelungen.

Was muss man beachten, wenn man AGB verwenden möchte und woher bekommt man rechtssichere AGB?

Claudia Knuth: Die AGB müssen zunächst wirksam in den Vertrag einbezogen werden, d.h. Vertragsbestandteil werden, damit sie überhaupt Anwendung finden können. Bei Verträgen mit Verbrauchern werden sie nur dann Vertragsbestandteil, wenn der Verwender der AGB bei Vertragsschluss ausdrücklich oder durch deutlich sichtbaren Aushang auf die AGB hinweist und er der Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen. Diese strengen Anforderungen finden keine Anwendung bei Verträgen zwischen Unternehmern und bei Arbeitsverträgen. Hier sind die allgemeinen Grundsätze für den Vertragsschluss (Angebot und Annahme) maßgeblich. Weiterhin darf es keine vorrangige Individualabrede geben. Auch darf die Klausel nicht überraschend sein. Klauseln sind dann überraschend, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. In Arbeitsverträgen kann dies zum Beispiel der Fall sein, wenn sich in der Klausel mit der Überschrift „Vergütung“ eine Regelung findet, die sich den Widerruf bestimmter Leistungen vorbehält. Würde in der Überschrift beispielsweise „Vergütung, Sonstige Leistungen, Widerrufsvorbehalt“ stehen, wäre der Vorbehalt nicht mehr überraschend. Außerdem ist zu beachten, dass Zweifel bei der Auslegung der AGB zu Lasten des Verwenders, mithin des Arbeitgebers, gehen. AGB müssen zudem der sog. Inhaltskontrolle standhalten. Die gesetzlichen Vorgaben sehen hierbei einen Katalog vor, für Fälle, in denen AGB-Klauseln gegenüber Verbrauchern unwirksam sind. Ansonsten dürfen sie den Vertragspartner im Allgemeinen nicht unangemessen benachteiligen. Eine AGB-Klausel muss klar und verständlich formuliert sein, um das sog. Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) zu wahren. Arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln können z.B. den Arbeitnehmer dann unangemessen benachteiligen, wenn sie eine kürzere Frist als drei Monate oder eine strengere Form als die Textform (z. B. Schriftform) für die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorsehen oder allein für den Arbeitnehmer gelten. Regelungen, die vorsehen, dass sämtliche Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind, sind ebenfalls unwirksam. Es gibt also einiges zu beachten, um AGB rechtssicher zu gestalten. Aufgrund der stetigen Rechtsprechung zu dieser Thematik unterliegen AGB und ihre Wirksamkeit einem stetigen Wandel. Folglich ist es sinnvoll, Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte mit der rechtssicheren Ausgestaltung von AGB sowie deren Anpassung an die aktuelle Rechtslage zu betrauen.

Welche Konsequenzen drohen bei fehlerhaften AGB und unwirksamen Klauseln?

Claudia Knuth: Sind einzelne AGB-Klauseln unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen grundsätzlich wirksam. Allein die unwirksamen AGB-Klauseln sind dann nicht mehr anwendbar. Stattdessen gelten die gesetzlichen Regelungen. Bei einer teilweisen Unvereinbarkeit einer Klausel mit den Regelungen des AGB-Rechts, ist grundsätzlich die ganze Klausel unwirksam. Enthält also eine dreimonatige Ausschlussklausel in einem Arbeitsvertrag ein Schriftformerfordernis, dann ist die gesamte Regelung durch die gesetzliche Verjährungsregeln von i.d.R drei Jahren zu ersetzen. Ausnahmsweise kann der „noch wirksame Teil“ aber bestehen bleiben, wenn er sprachlich und inhaltlich abtrennbar ist. Hierfür muss er einen selbstständigen Regelungsgehalt haben, also allein (ohne den unwirksamen Teil) auch noch Sinn ergeben.

Frau Knuth, vielen Dank für das Gespräch!

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