Auf dem Kapitalmarkt hat man heutzutage viele Anlagemöglichkeiten. Immer öfter wird man von Finanzmaklern, Finanzberatern oder Kapitalanlagefirmen kontaktiert und aufgefordert, Kapital anzulegen. Doch man muss vorsichtig sein, denn diese Anfragen sind nicht immer seriös oder wirtschaftlich von Vorteil. Aus Ihren Erfahrungen heraus: Welche gängigen Beratungsfehler werden bei diesen Angeboten gemacht?
Domenic C. Böhm: Das Hauptproblem ist häufig bereits die unaufgeforderte Kontaktaufnahme von Anlagevermittlern, Anlageberatern oder Kapitalanlagefirmen an die potenziellen Kunden. Oftmals treten von Kapitalanlagefirmen engagierte Vermittler an eine Person heran und regen an Kapital zu investieren.
Hier stehen dann aber zumeist die Provisionsinteressen des Vermittlers und nicht die Bedürfnisse des Anlegers im Vordergrund. Die Produkte werden als gute Anlage verkauft, wobei sie ein auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennbares hohes Risiko beinhalten.
Viele Mandanten treten an uns heran und schildern, dass häufig ein Großteil bzw. ihr gesamtes eingezahltes Kapital nicht mehr vorhanden ist. Im schlimmsten Fall ist zusätzlich noch eine Nachschusspflicht der Anleger in den Unterlagen vereinbart worden. Und das, obwohl dies in den Gesprächen mit den Vermittlern als sichere Anlage angepriesen wurde. Hier gilt generell: Vorsicht ist besser als Nachsicht! Wenn das Interesse in Anlageinvestitionen steigt, sollte ein jeder selbst auf die Suche nach einem Berater gehen. Und selbst dann sollten die Prospekte zu der Anlage genau durchgesehen werden und den Vermittler auf Risiken angesprochen werden. Lassen Sie sich hier Hinweise bestenfalls schriftlich mitteilen, um später in keine Beweisprobleme zu kommen.
Es kann sich auch lohnen einen Fachanwalt zu Beginn einer Anlage bereits für eine erste Einschätzung zu kontaktieren. Insbesondere dann, wenn besondere Konstrukte der Gesellschaftsformen für die Anlage verwendet werden.
Die Justiz unterscheidet zwischen einer Beratung und Empfehlung. Ab wann liegt also eine Anlageberatung und wann eine Anlageempfehlung vor?
Domenic C. Böhm: Die Schritte der Empfehlung und der Anlageberatung gehen in vielen Fällen fließend ineinander über.
Häufig werden Empfehlungen für Anlagen von Banken, Finanzberatern oder -maklern an eine große Anzahl von Interessenten veröffentlich. Hier erfolgt die Empfehlung an einen generellen Interessentenkreis ohne vorheriges individuelles Gespräch.
Im Rahmen einer Anlageberatung wird hingegen auf Grundlage der persönlichen Kundeninformationen bezüglich der Anlagenziele, finanziellen Verhältnisse und Erfahrungen eine geeignete Anlage empfohlen.
Die maßgebliche Unterscheidung bei Kapitalanlagen besteht im rechtlichen Sinne im Anschluss zwischen einer Anlageberatung und einer Anlagevermittlung.
Die Rechtsprechung betont zudem einen Unterschied zwischen Anlagevermittlung und Anlageberatung. Was ist ein Anlagevermittler und was ein Anlageberater und warum muss die Rechtsprechung dabei unterscheiden?
Domenic C. Böhm: Ein Anlagevermittler agiert als Mittelsperson zwischen dem Initiator einer Kapitalanlage und dem potenziellen Anleger. Zumeist tritt er aktiv an einen Interessenten für eine Anlage heran und bietet ihm im Interesse des Anlageninitiators dessen Anlage an. Für die Vermittlung dieser bestimmten Anlagen erzielt der Vermittler pro Abschluss Provision.
Demgegenüber ist Anlageberater, wer für einen Anlageninteressierten den Markt nach einer für ihn passenden Anlage sondiert. Ein Anlageberater wirbt keine konkreten Anlagen an, sondern sucht auf der Basis einer Analyse der persönlichen Umstände des Anlegers nach bestimmten Produkten. Schließlich gibt der Berater eine persönliche Empfehlung für und gegen bestimmte Finanzinstrumente.
Die Rechtsprechung muss zwischen diesen beiden Personen aufgrund ihres unterschiedlichen Pflichtenkataloges unterscheiden. Während bei der Anlagevermittlung der werbende Produktverkauf im Vordergrund steht, fokussiert sich die Anlageberatung auf die Erteilung auf konkrete Empfehlungen zugeschnitten auf die Bedürfnisse des Anlegers. Je nachdem ob eine Anlagevermittlung oder eine Anlageberatung stattfindet, unterscheiden sich die damit einhergehenden gesetzlichen Pflichten erheblich.
Ein Anlagevermittler schuldet lediglich die richtig und vollständige Auskunftserteilung über die wesentlichen Umstände der von ihm angebotene Anlage, die für den Interessenten und dessen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind. Ein Anlageberater schuldet darüber hinaus eine umfassende Prüfung der persönlichen Umstände des Anlageinteressierten und eine Bewertung und Empfehlung der infrage kommenden Anlagen. Seine Anlageberatung hat dabei anleger- und anlagegerecht zu erfolgen. Maßgeblich dafür sind das Anlageziel des Interessenten, seine finanziellen Verhältnisse und Kenntnisse sowie die allgemeinen Anlagerisiken und die speziellen Risiken der in Betracht kommenden Anlage. Die Anlageberatung ist demnach nicht nur anspruchsvoller, sondern bietet Anlegern einen wesentlich höheren Schutz.
Selbst, wenn Anleger glauben, alles richtig gemacht zu haben, sind sie vor bösen Überraschungen nicht sicher. Wann haftet ein Vermittler, wann ein Anlageberater und wann haftet man als Anleger selbst?
Domenic C. Böhm: Es gibt im deutschen Recht keinen Vertrag zulasten Dritter. Deshalb gilt, sobald der Anleger vertragliche Beziehungen mit dem Anlageinitiator eingegangen ist, haftet er grundsätzlich erst einmal. Wenn ihm allerdings ein Schaden entstanden ist, kann sich die Frage anknüpfen, ob Dritte (z.B. der Anlagevermittler oder Anlageberater) für den entstandenen Schaden in Regress genommen werden können.
Sowohl der Anlagevermittler als auch der Anlageberater kann gegenüber dem Anleger schadensersatzpflichtig sein, wenn diese im Rahmen ihrer Tätigkeiten eine Pflichtverletzung schuldhaft begangen haben und damit für den entstandenen Schaden ursächlich waren. Häufig gibt es in diesen Prozessen Beweisprobleme. Daher raten wir allen Anlegern möglichst viel schriftlich bereits bei Vertragsschluss festzuhalten.
Die jeweiligen Pflichten des Anlagevermittlers bzw. Anlageberaters müssen bei einem Schaden zulasten des Anlegers immer im Einzelfall aufgeklärt werden. Jedenfalls bei der Darstellung der Risiken müssen sowohl der Anlagevermittler als auch der Anlageberater das Anlagekonzept auf seine wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen. Im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung muss zudem überprüft werden, ob ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt vorliegt und ob die darin enthaltenen Angaben vollständig und sachlich richtig sind. Auf etwaige Widersprüche haben sowohl der Anlagevermittler als auch der Anlageberater hinzuweisen.
Sollte dem Anleger ein Prospekt zu der Kapitalanlage ausgehändigt werden, muss dieser vollständige, richtige und aktuelle Informationen enthalten. Die darin aufgeführten Risiken sollten vom Anlagevermittler bzw. Anlageberater nicht abgeschwächt, sondern vollumfänglich dargestellt werden. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss ein Anlageberater darüber hinaus Anleger- und Anlagegerecht empfehlen. Er muss die von ihm empfohlene Kapitalanlage mit fachkritischem Sachverstand prüfen. Insbesondere wenn die Empfehlung mit den persönlichen Erwartungen des Anlegers nicht im Einklang ist, kann eine Haftung begründet werden.
Es empfiehlt sich in jedem Fall vor Abschluss von Anlageentscheidungen zu prüfen, ob ggf. eine Rechtsschutzversicherung Schäden von Kapitalanlagen mit umfasst. Gerade im Kapitalanlagerecht summieren sich die Kosten bei Rechtsstreitigkeiten schnell in große Höhen.
Kommt es dann zu einem Kapitalverlust, ist vielen Anlegern die Rechtslage bezüglich einer Schadensregulierung und Haftung immer noch unklar. Ist es immer möglich als Anleger einen Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, auch wenn Berater oder Vermittler häufig unbekannt bleiben? Wie wahrscheinlich es ist, vor Gericht mit einer Klage durchzukommen? Außerdem: Wer trägt die Beweislast?
Domenic C. Böhm: Gerade in Fällen mit Kapitalanlagen sind die Details des Einzelfalles entscheidend. Daher ist es sehr schwierig in diesem Zusammenhang pauschale Aussagen zu treffen. Generell lässt sich sagen, dass je mehr Anleger betroffen sind desto höher die Wahrscheinlichkeit für eine Vergleichsbereitschaft der Gegenseite bzw. die Chancen innerhalb einer Klage.
Es lässt sich beobachten, dass viele Schadensersatzklagen wegen dürftiger Beweislage des Anlegers scheitern. Vor Gericht trägt grundsätzlich zunächst der Anleger die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vermittelte Anlage aufklärungsbedürftige Plausibilitätsdefizite aufgewiesen hat oder ein Prospekt Fehler beinhaltete. Der Anlagevermittler bzw. Anlageberater muss bei Vorlage von entsprechenden Beweisen im Anschluss darlegen, dass er die bezeichneten Mängel bei seiner Plausibilitätsprüfung nicht kannte und nicht hätte erkennen müssen.
Letztlich lässt sich auch ein gewisses Prozessrisiko nicht verschweigen. Je besser die Anleger über eine Rechtsschutzversicherung oder einen Prozessfinanzierer finanziell abgesichert sind, desto besser die Erfolgschancen. In zahlreichen Verfahren bauen die Schädiger darauf, dass die Anleger keinen langen Atem für einen zeitintensiven und belastenden Gerichtsprozess über mehrere Instanzen haben.
Häufig ist auch zu beachten, dass die Initiatoren von Kapitalanlagen in die Insolvenz „flüchten“, wodurch die Befriedigung von Ansprüchen deutlich erschwert wird. Um einen Schaden abzuwenden ist vorbeugendes und kritisches Verhalten bereits bei Abschluss für Anleger elementar.
Sind Anlageberater oder Anlagevermittler unbekannt erschwert dies natürlich die Chancen seine Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Daher raten wir Anlegern dazu bereits bei Abschluss die Vertragsunterlagen genau zu prüfen. Hier ist in der Regel hinterlegt, ob an dem Abschluss ein Dritter mitgewirkt hat.
Haben Sie schon Erfahrungen mit unseriösen Beratern gemacht und können Sie uns berichten, welche vorbeugenden Maßnahmen man treffen sollte, um einen Schaden zu verhindern?
Domenic C. Böhm: Insbesondere, wenn es um Geldanlagen geht, trifft man häufig auf unseriöse oder auch unerfahrene Berater. Gerade wenn es um das eigene Geld geht, sollten Anlageinteressierte grundsätzlich misstrauisch gegenüber Banken, Vermittlern und Beratern sein.
Unaufgeforderte Produktanpreisungen sollten sehr kritisch begutachtet werden. Insbesondere je höher die Versprechungen an Renditeerwartungen sind. Anleger sollten sich nicht nur über die Erfahrung und Qualifikation der jeweiligen Person informieren, sondern auch jedes Angebot kritisch hinterfragen. Einem Anleger muss bewusst sein, dass ein ausgehändigtes Prospekt häufig in erster Linie der Haftungsbefreiung des Anlagevermittlers bzw. Anlageberaters dient. Dies sollte kritisch durchgelesen werden, wobei ein Hauptaugenmerk auf dem Kleingedruckten liegen sollte.
Der vermittelnden bzw. beratenden Person sollte nicht blind vertraut werden. Der Anleger sollte sich über den Anbieter des Kapitalanlageproduktes informieren. Gespräche über wichtige Erklärungen wie Sicherheit der Kapitalanlage, Rendite, Nachhaftung, etc. sollten mit einem Zeugen durchgeführt werden und mit einer dritten Person nachbesprochen werden. Hier ist nicht verkehrt sich an einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht zu wenden, der die Finanzmärkte und die Praktiken ihrer Akteure kennt und über nachgewiesene Sachkompetenz verfügt.
Letztlich gilt bei Kapitalanlagen immer der Grundsatz: Nehmen Sie Abstand von Anlagen, deren Funktion sie selbst nicht verstehen. Vertrauen in die jeweiligen Personen ist gut – Kontrolle ist hier aber umso wichtiger.