Dr. Charlotte Beck: Arbeitnehmer sollen durch Betriebsrat an Entscheidungen beteiligt werden

Interview mit Dr. Charlotte Beck
Wir sprechen mit Rechtsanwältin Dr. Charlotte Beck, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partner bei ALTENBURG Fachanwälte für Arbeitsrecht mbB, über arbeitsrechtliche Fragen.

Arbeitsrecht ist ein breites Fachgebiet. Welches sind die typischen Betätigungsfelder für Anwälte?

Dr. Charlotte Beck: Wir beschäftigen uns mit dem ganzen „Zyklus“ eines Arbeitsverhältnisses von der Gestaltung von Arbeitsverträgen über Fragen im laufenden Arbeitsverhältnis bis hin zur Kündigung oder dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Oft geht es um die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, etwa: Hat der Arbeitgeber den beantragten Urlaub zu gewähren, darf er dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zuweisen (z.B. Homeoffice), kann der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen? Häufig unterstützen wir unsere Mandanten in Konfliktfällen dabei, sich außergerichtlich zu einigen. Scheitert ein solcher Versuch, vertreten wir die Mandanten vor dem Arbeitsgericht. Zudem beraten wir auch bei Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen wie Betriebsräten und Gewerkschaften über Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge sowie zu Rechten und Pflichten des Betriebsrats im Betrieb. Bei Restrukturierungen von Unternehmen, z.B. der Schließung von Betriebsteilen oder der Verlegung des Betriebs gibt es Verhandlungsbedarf mit dem Betriebsrat. Auch bei dem Kauf von Unternehmen, die Mitarbeiter beschäftigen, werden Arbeitsrechtler gebraucht.

Welche speziellen arbeitsrechtlichen Regelungen gelten für kleine und mittelständische Unternehmen?

Dr. Charlotte Beck: Für kleine und mittelständische Unternehmen sieht das Arbeitsrecht bestimmte Vereinfachungen und Ausnahmeregelungen vor. Warum ist das so? Diese Unternehmen sind meist finanziell weniger belastbar und haben nur eine kleine Personalverwaltung. Zudem sind komplizierte Strukturen in einem kleinen Betrieb oft gar nicht nötig. So haben Arbeitnehmer nur in Betrieben ab sechzehn Arbeitnehmern einen Anspruch auf Teilzeitarbeit oder Pflegezeit. Das Kündigungsschutzgesetz gilt nicht in Betrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern. Mitarbeiter können dann leichter entlassen werden. Ein Betriebsrat kann erst in Betrieben mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern errichtet werden. Eine weitere Schwelle gilt für Betriebe ab 21 Arbeitnehmern: Hier braucht der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats z.B. für die Einstellung neuer Arbeitnehmer und die Versetzung von Mitarbeitern. Zudem muss er z.B. bei einem größeren Personalabbau mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandeln und einen Sozialplan abschließen. Zudem hat der Arbeitgeber einen Sicherheitsbeauftragten zu bestellen. In Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern ist der Aufsichtsrat zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen.

Welchen arbeitsrechtlichen Einfluss haben Tarifbindung und Betriebsrat?

Dr. Charlotte Beck: Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden oder verweisen sie im Arbeitsvertrag auf Tarifverträge, finden die jeweiligen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Für den Arbeitnehmer gelten dann die Tarifregelungen z.B. zu Lohn, wöchentlicher Arbeitszeit und Urlaubsanspruch. Häufig regelt ein Manteltarifvertrag darüber hinaus allgemeine Themen wie z.B. Kündigungsfristen, besonderen Kündigungsschutz für langjährig beschäftigte Mitarbeiter oder Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen. Der Betriebsrat hat die Aufgabe, die Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb zu vertreten. Die Arbeitnehmer sollen durch den Betriebsrat an den Entscheidungen des Arbeitgebers in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten beteiligt werden. In bestimmten Fällen ist der Betriebsrat lediglich zu informieren und anzuhören – z.B. bei einer Kündigung, in anderen entscheidet er mit – z.B. bei Einstellungen und Versetzungen. In vielen sozialen Angelegenheiten hat der Betriebsrat das Recht mitzubestimmen. Meist geschieht dies, indem er mit dem Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen abschließt, etwa über Verteilung und Lage der Arbeitszeit, eine neue IT, die Einführung von Kurzarbeit und Regelungen zur Zeiterfassung. Der Betriebsrat hat hier auch ein Initiativrecht und kann so eigene Akzente setzen.

Abmahnungen sind ein beliebtes Disziplinierungsmittel von Arbeitgebern. Welche Anforderungen müssen für eine wirksame Abmahnung erfüllt sein?

Dr. Charlotte Beck: Der Arbeitgeber muss das Fehlverhalten des Arbeitnehmers in der Abmahnung genau bezeichnen und aufzeigen, wie er sich in Zukunft korrekt verhalten soll. Zudem muss er ihn warnen, dass sein pflichtwidriges Verhalten in Zukunft nicht mehr geduldet wird und ein wiederholtes Fehlverhalten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben kann.  Eine Abmahnung ist zwar auch wirksam, wenn sie mündlich erteilt wird. Allerdings empfiehlt sich für den späteren Nachweis eine schriftliche Abmahnung. Eine bestimmte Frist muss der Arbeitgeber nicht einhalten.

Lohnt es sich gegen ungerechtfertigte Abmahnungen vorzugehen?

Dr. Charlotte Beck: Das sollte von den konkreten Umständen des Falles abhängig gemacht werden.  Im Regelfall reicht es, eine Gegendarstellung abzugeben, die der Arbeitgeber mit der Abmahnung zur Personalakte nehmen muss. Der Arbeitnehmer kann zwar darauf klagen, die Abmahnung aus der Personalakte entfernen zu lassen, wenn er meint, dass der Arbeitgeber sein Verhalten falsch dargestellt hat. Meist ist das aber nicht ratsam. Denn der Arbeitgeber kann anschließend umgehend eine neue, dann richtige Abmahnung aussprechen. In der Praxis kommt es in einem Rechtsstreit über eine Abmahnung oft zu einer einvernehmlichen Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Wenn dies im Interesse des Arbeitnehmers liegt, kann er den Rechtsstreit also dafür nutzen.

Kündigungen durch den Arbeitgeber landen häufig vor Gericht. Was sollten Arbeitnehmer beachten, die gegen ihre Kündigung vorgehen wollen?

Dr. Charlotte Beck: Wenn Arbeitnehmer gegen ihre Kündigung vorgehen wollen, sollten sie vor allem schnell handeln und sich umgehend anwaltlichen Rat suchen. Der Arbeitnehmer muss nämlich innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung beim Arbeitsgericht Klage erheben. Andernfalls ist die Kündigung wirksam, auch wenn sie an sich ungerechtfertigt war.

Arbeitsrechtsprozesse enden häufig mit einer Abfindung. Auf welche Höhe dürfen Arbeitnehmer hoffen?

Dr. Charlotte Beck: Einen Anspruch auf Abfindung bei Kündigung haben Arbeitnehmer nicht. Häufig kommt es in einem Kündigungsschutzprozess aber zu einer einvernehmlichen Einigung. Die Abfindung nach der gängigen Faustformel beträgt dann ein halbes Monatsgehalt für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Wenn eine Arbeitnehmerin also vier Jahre bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt war, wären das zwei Bruttomonatsgehälter. Je nach den konkreten Umständen des Falls und Verhandlungsgeschick kann sie hier allerdings auch höhere Summen erzielen. Ihre Verhandlungsposition ist dabei umso besser, je höher die Chancen sind, dass sie den Prozess gewinnt. In diesem Fall müsste der Arbeitgeber sie nämlich weiterbeschäftigen und grundsätzlich auch das Gehalt seit Ende der Kündigungsfrist nachzahlen.

Frau Rechtsanwältin Dr. Beck, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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