Dr. Jeremy Bister: Änderungskündigung ist eine „richtige“ Kündigung

Interview mit Dr. Jeremy Bister
Dr. Jeremy Bister ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Trebeck & von Broich Rechtsanwälte PartG mbB in Köln. Mit ihm sprechen wir über Formen einer Kündigung, Vorgehen bei einer Änderungskündigung sowie Optionen für Arbeitnehmer. 

Nicht jeder ist mit allen Formen einer Kündigung vertraut. Was versteht man unter einer Änderungskündigung?

Dr. Jeremy Bister: Eine Änderungskündigung besteht aus zwei Elementen: der Kündigung des Arbeitgebers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem Angebot des Arbeitgebers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen.

Können Sie uns Gründe oder Situationen nennen, in denen eine Änderungskündigung häufig zum Einsatz kommt?

Dr. Jeremy Bister: Will der Arbeitgeber eine Änderung von Arbeitsbedingungen herbeiführen und weigert sich der Mitarbeiter sie anzunehmen, kann der Arbeitgeber sie durch Änderungskündigung versuchen durchzusetzen. Dabei ist die Änderungskündigung abzugrenzen von der Ausübung des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts. Insofern ist vorab immer zu prüfen, ob die beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen vom Inhalt des Arbeitsvertrags gedeckt ist und vom Arbeitgeber einseitig per Weisung (im Wege des Direktionsrechts) durchgesetzt werden kann. Nur wenn dies nicht der Fall ist, bedarf es einer Änderungskündigung. In der Praxis wird eine Änderungskündigung in der Regel aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen. Arbeitgeber haben vor Ausspruch einer (betriebsbedingten) Beendigungskündigung zu prüfen, ob sie nicht nur eine Änderungskündigung als milderes Mittel aussprechen können. In Betracht kommt die Änderungskündigung insbesondere bei Personalabbaumaßnahmen und im Zusammenhang mit örtlichen Versetzungen. Beispiel: Wird ein Betrieb oder Betriebsteil des Arbeitgebers stillgelegt und existieren freie Arbeitsplätze in einem anderen Betrieb des Unternehmens, auf denen der/die zu kündigende(n) Mitarbeiter eingesetzt werden könnten, so muss ihm/ihnen grundsätzlich der freie Arbeitsplatz angeboten werden. Sofern eine örtliche Versetzung in den anderen Betrieb aufgrund der arbeitsvertraglichen Bestimmungen nicht per Direktionsrecht möglich ist, müsste eine Änderungskündigung ausgesprochen werden. Da in dieser Fallkonstellation Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Betrieb bestehen, wäre eine reine Beendigungskündigung grundsätzlich unwirksam.

Dazu wurden in der Vergangenheit im Rahmen der Corona-Pandemie auch in Unternehmen vereinzelt betriebsbedingte Änderungskündigungen zur Einführung von Kurzarbeit ausgesprochen. Eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit ist dann erforderlich, wenn es keinen anwendbaren Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit gibt und auch der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters keine Möglichkeit zur Einführung von Kurzarbeit vorsieht bzw. der Mitarbeiter der Einführung von Kurzarbeit nicht zustimmt.

Eine Änderungskündigung gemäß §2KSchG ist also eine “richtige” Kündigung. Wann ist eine Änderungskündigung rechtmäßig und wann unwirksam?

Dr. Jeremy Bister: Die Änderungskündigung ist eine „richtige“ Kündigung und besteht aus einer Beendigungskündigung verbunden mit einem Angebot das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen. Es sind sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Beendigungskündigung zu beachten. D.h. die Kündigung muss zu ihrer sozialen Rechtfertigung die Anforderungen einer Beendigungskündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) einhalten und ein wirksamer Kündigungsgrund vorliegen. Dazu sind die Kündigungsfristen sowie etwaige gesetzliche Kündigungsverbote zu beachten. Auch muss – sofern vorhanden – der Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung ordnungsgemäß beteiligt werden. Dazu ist eine Änderungskündigung unverhältnismäßig, wenn die erstrebte Änderung der Arbeitsbedingungen durch Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts (Direktionsrecht) möglich wäre. Sodann ist die „überflüssige“ Änderungskündigung unwirksam.

Ferner muss das mit der Änderungskündigung verbundene Änderungsangebot wirksam sein. Hierfür ist erforderlich, dass das Änderungsangebot bestimmt bzw. zumindest bestimmbar ist, so dass dem gekündigten Mitarbeiter ersichtlich ist, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen und welchen Inhalt das Arbeitsverhältnis zukünftig haben soll. Unklarheiten führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung. Die Änderung der Arbeitsbedingungen dürfen dazu erst für die Zeit nach Ablauf der individuellen Kündigungsfrist angeboten werden.

Kommt es zu einer Änderungskündigung, hat der Arbeitnehmer wie bei einer konventionellen Kündigung verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Welche Optionen hat der Arbeitnehmer und was haben die einzelnen Reaktionen für Konsequenzen?

Dr. Jeremy Bister: Der Mitarbeiter hat drei Reaktionsmöglichkeiten:

(1) Der Mitarbeiter kann das in der Änderungskündigung enthaltene Angebot vorbehaltlos annehmen. Sodann besteht das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den geänderten Arbeitsbedingungen fort.

(2) Der Mitarbeiter kann das mit der Änderungskündigung erklärte Änderungsangebot ausdrücklich ablehnen oder nicht innerhalb der vom Arbeitgeber gesetzten Frist (die mindestens drei Wochen betragen muss) annehmen. In diesem Fall endet das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters mit Ablauf der Kündigungsfrist, es sei denn, der Mitarbeiter erhebt innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Änderungskündigung (§ 4 Satz 1 KSchG) Kündigungsschutzklage und das Arbeitsgericht urteilt, dass die Kündigung unwirksam ist.

(3) Der Mitarbeiter kann das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 2 KSchG). Diesen Vorbehalt muss der Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Änderungskündigung erklären (§ 2 Satz 2 KSchG). Gleichzeitig muss der Mitarbeiter innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Änderungskündigung  Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist (§ 4 Satz 2 KSchG).

Wie verhält es sich mit dem Kündigungsschutzgesetz bei Änderungskündigungen?

Dr. Jeremy Bister: Sofern der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet ist (mehr als 10 Mitarbeiter im Betrieb und das Arbeitsverhältnis besteht länger als sechs Monate), muss die Änderungskündigung – wie auch die Beendigungskündigung – sozial gerechtfertigt sein. Danach muss für die Änderungskündigung ein wirksamer Kündigungsgrund (personen-, verhaltens- bzw. betriebsbedingt) nach dem Kündigungsschutzgesetz vorliegen. 

Arbeitnehmer können verschieden mit der Änderungskündigung umgehen. Wann raten Sie Betroffenen dazu, eine Änderungskündigung abzulehnen und wie müssen diese dann dahingehend vorgehen?

Dr. Jeremy Bister: Jedenfalls wenn eine Änderungskündigung offensichtlich unwirksam ist, dürfte es – insbesondere wenn auch das Änderungsangebot für den Mitarbeiter nicht akzeptabel erscheint – ratsam sein, das mit der Änderungskündigung erklärte Änderungsangebot abzulehnen und innerhalb der Klagefrist (3 Wochen ab Zugang der Kündigung) Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht zu erheben.

Herr Bister, vielen Dank für das Gespräch!

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