Dr. Marc Dickersbach: Gewerbemietverträge

Interview mit Dr. Marc Dickersbach
Dr. Marc Dickersbach ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lützenkirchen Rechtsanwälte GbR in Köln. Mit ihm sprechen wir über Gewerbemietverträge, Kündigungsmöglichkeiten sowie Beachtung der Schriftform.

Ein Gewerbemietvertrag beinhaltet die Vermietung von Räumen zur rein geschäftlichen Nutzung. Wann liegt ein Gewerbe vor und wozu ist der Vermieter berechtigt, wenn die Räume zweckwidrig als Wohnung verwendet werden?

Dr. Marc Dickersbach: Ein Gewerbe zeichnet sich grundsätzlich durch eine Gewinnerzielungsabsicht des Mieters aus. Für die Frage der Abgrenzung der Wohnraummiete zur Gewerberaummiete ist dies allerdings nicht ausschlaggebend. So wird eine gemeinnützige GmbH oder auch ein Verein nicht mit Absicht einer Gewinnerzielung tätig. Dennoch werden solche Mietverhältnisse dem Bereich der Gewerberaummiete zugeordnet. Letztlich unterfallen alle Mietverhältnisse, die nicht den Wohnzwecken des Mieters oder enger Angehöriger dienen, den Vorschriften über die Gewerberaummiete. Nutzt der Mieter die Räume entgegen dem vereinbarten Vertragszweck, z.B. zu Wohnzwecken, obwohl laut Mietvertrag nur eine Büronutzung zulässig ist, stellt dies ein pflichtwidriges Fehlverhalten des Mieters dar. Dem Mieter steht ein Anspruch auf Unterlassung der vertragswidrigen Nutzung zu, der auch im Wege einer Unterlassungsklage geltend gemacht werden kann. Daneben kann der Vermieter nach vorheriger Abmahnung auch zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung berechtigt sein. Denkbar wäre zudem ein Schadensersatzanspruch des Vermieters gegenüber dem Mieter, der aber voraussetzen würde, dass dem Vermieter gerade durch die vertragswidrige Nutzung ein finanzieller Schaden entsteht. Bei einer vertragswidrigen Nutzung zu Wohnzwecken dürfte dies nur ausnahmsweise einmal der Fall sein, z.B. wenn bereits das Bauordnungsamt einschreitet und ein Bußgeld gegenüber dem Vermieter wegen der baurechtswidrigen Nutzung verhängt.

In Gewerbemietverträgen können die Parteien die Kündigungsmöglichkeiten des Mietvertrages erheblich einschränken. Worauf sollte man bei der Laufzeit achten?

Dr. Marc Dickersbach: Ein Gewerbemietvertrag kann auf unbestimmte Zeit oder mit einer Festmietzeit abgeschlossen werden. Während bei der ersten Alternative grundsätzlich jede Vertragspartei das Mietverhältnis ordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen kündigen kann, ist eine solche ordentliche Kündigung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Vertragsparteien eine feste Mietzeit vereinbaren. Ohne ausdrückliche Vereinbarung eines Kündigungsrechts, kann das Mietverhältnis in diesen Fällen nur durch Zeitablauf beendet werden. Eine Ausnahme gilt für die einvernehmliche Aufhebung des Mietverhältnisses, welche grundsätzlich jederzeit möglich ist. Liegen die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung vor, ist auch diese möglich. Erforderlich hierfür ist aber stets ein wichtiger Grund. Für die Vertragsparteien ist es daher von besonderer Bedeutung vor Abschluss des Mietvertrages die für sie geeignete Vertragslaufzeit zu ermitteln. Die Laufzeit eines Gewerbemietvertrags kann durch eine Vielzahl verschiedener Faktoren beeinflusst werden. Regelmäßig liegt es im beiderseitigen Interesse, dass für einen bestimmten Zeitraum Rechtssicherheit hinsichtlich des Bestandes des Mietverhältnisses geschaffen wird. Vor diesem Hintergrund werden Mietverhältnisse häufig für Zeiträume von 5-10 Jahren fest abgeschlossen, ggf. ergänzt durch eine Verlängerungsoption zugunsten des Mieters. In Einzelfällen werden auch länger Zeiträume festgeschrieben, z.B. wenn ein Gebäude erst noch speziell für den Mieter errichtet werden soll und sich die Baukosten über die Vertragslaufzeit amortisieren sollen. Andererseits kann ein Existenzgründer durchaus ein Interesse daran haben, keine allzu langfristige Bindung einzugehen, da für ihn der Erfolg seines Unternehmens am Markt noch nicht absehbar ist. Vor Abschluss des Mietvertrages muss daher jede Vertragspartei die eigenen Interessen ermitteln und auf deren Grundlage geprüft werden, ob eine für beide Seiten akzeptable Vertragslaufzeit ausgehandelt werden kann.

Warum sollte man vor allem bei Mustervorlagen aus dem Internet vorsichtig sein?

Dr. Marc Dickersbach: Generell ist bei Mustervorlagen zu beachten, dass es sich eben nur um Vorlagen handelt, die nicht auf den Einzelfall angepasst sind. Gerade im Bereich der Gewerberaummiete besteht jedoch – anders als bei Wohnraummietverträgen – weitestgehend Vertragsfreiheit. Dies bedeutet, dass die Mietvertragsparteien, die im Rahmen des Mietverhältnisses geltenden Regelungen grundsätzlich frei aushandeln können. Diese können ausgehend von den wechselseitigen Interessen auch von den üblichen Gepflogenheiten abweichen. Geprägt werden die wechselseitigen Interessen und damit die interessengerechte Ausgestaltung des Mietvertrages insbesondere vom Vertragszweck, also der Tätigkeit, die der Mieter in den Mieträumlichkeiten ausüben möchte. Diese kann Einfluss auf die baulichen Gegebenheiten, die Einholung entsprechender Konzessionen, die Abnutzung haben oder auch Auswirkungen auf andere bestehende oder künftig noch zu begründende Mietverhältnisse im gleichen oder angrenzenden Objekt haben. Insoweit bedarf es häufig einer passgenauen Ausgestaltung des Mietvertrages. Dies können Mustervorlagen nicht gewährleisten.

Die Schriftform ist Pflicht, wenn die Gewerbemietverträge für länger als ein Jahr geschlossen werden. Was muss man bei der Schriftform konkret beachten und welche Folgen drohen bei unsauberen Formulierungen im Vertrag?

Dr. Marc Dickersbach: § 550 BGB bestimmt, dass ein Mietvertrag, der für länger als ein Jahr andauern soll, schriftlich abgeschlossen werden soll. Dies bedeutet, dass sich aus dem schriftlichen Mietvertrag alle wesentlichen Absprachen der Vertragsparteien ergeben müssen. Hintergrund dieser Regelung ist u.a. der Schutz eines potentiellen Erwerbers des Mietobjekts. Dieser tritt kraft Gesetzes gemäß § 566 BGB automatisch mit Eigentumserlangung auf Vermieterseite in das Mietverhältnis ein, und zwar in alle diesbezüglichen Rechte und Pflichten. Der Erwerber ist mithin an alle vertraglichen Absprachen zwischen Vermieter und Mieter gebunden. Diese sollen daher aus dem schriftlichen Mietvertrag für Ihn erkennbar sein. Der Schriftformvorbehalt gilt nicht nur für den ursprünglichen Vertrag, sondern auch für nachträgliche Vereinbarungen während des laufenden Mietverhältnisses. Als wesentlich werden insbesondere die Vereinbarungen über die Vertragsparteien, das Mietobjekt, die Mietdauer und die Miete angesehen. Daneben kann es aber weitere wesentliche Absprachen geben. Insoweit ist auf den Einzelfall abzustellen. Als wesentliche Absprachen wurden in der Rechtsprechung z.B. angesehen:

  • Die Einigung über die generelle Erlaubnis zur Untervermietung (OLG Düsseldorf v. 29. 6.1999 – 24 U 5/98).
  • Abreden der Parteien über die Verpflichtung des Mieters Ausbauarbeiten im Mietobjekt durchzuführen (BGH v. 19.4.2000 – XII ZR 334/97).
  • Vereinbarungen über den Vertragszweck.

Ist die gesetzliche Schriftform verletzt, wurde also eine dem Schriftformerfordernis unterliegende Vereinbarung nicht schriftlich getroffen, hat dies auf den Bestand des Mietvertrages als solchen keinen Einfluss. Allerdings entfällt die Befristung des Mietverhältnisses. Grundsätzlich kann dann jede Vertragspartei unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist das Mietverhältnis kündigen.

Welche Angaben sollte der Mieter vor dem Unterzeichnen genau prüfen, wo liegen die Fallstricke?

Dr. Marc Dickersbach: In Hinblick auf die dargestellten Risiken im Zusammenhang mit der Verletzung des Schriftformerfordernisses bei langfristigen Gewerbemietverträgen muss besonders darauf geachtet werden, dass alle wichtigen Absprachen in dem schriftlichen Mietvertrag dokumentiert werden. Dies ist für den Mieter insbesondere dann von Bedeutung, wenn er nicht nur unerhebliche Investitionen in das Mietobjekt tätig. Diese wären u.U. verloren, würde der Vermieter bereits kurze Zeit nach Mietvertragsbeginn das Mietverhältnis unter Berufung auf einen Schriftformmangel ordentlich kündigen. Weiter ist zu beachten, dass im Bereich der Gewerbemiete im Rahmen der Umlage von Nebenkosten deutlich weitergehende Kosten umgelegt werden können, als im Bereich der Wohnraummiete. Während hier der Vermieter an die Vorgaben der Betriebskostenverordnung gebunden ist, können im Rahmen eines Gewerbemietvertrages zusätzliche Kosten als umlagefähig vereinbart werden, z.B. Kosten der technischen und kaufmännischen Verwaltung, der Instandsetzung, des Centermanagements. Dies kann zu erheblichen Steigerungen der Kostenlast für den Mieter führen. Um hier eine gewisse Kalkulationssicherheit für den Mieter zu schaffen, bietet sich eine Decklungen bestimmter Kosten an. Häufig finden sich in Gewerbemietverträgen auch Regelungen dazu, wer für die Schaffung der bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen der vertraglich vereinbarten Nutzung verantwortlich ist. Insoweit ist auf Seiten des Mieters genau zu prüfen, ob durch einen vom Vermieter vorgelegten Mietvertrag wohlmöglich die Verantwortung zur Herbeiführung eines genehmigungsfähigen Zustandes oder gar die Einholung einer entsprechenden Nutzungsgenehmigung auf den Mieter abgewälzt werden soll.

Herr Dr. Dickersbach, vielen Dank für das Gespräch!

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