Dr. Mareike Zuber: Enterbung muss die Anforderungen an ein wirksames Testament erfüllen

Interview mit Dr. Mareike Zuber
Dr. Mareike Zuber ist Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei Dr. Zuber in Utting am Ammersee. Mit ihr sprechen wir über Enterbungen, Gründe für den Erblasser sowie testamentarischer Erbfolge.

Enterbungen kommen immer wieder in den besten Familien vor. Was sind Gründe, aus denen Erblasser die Nachfahren enterben möchten?

Dr. Mareike Zuber: Nach meiner Erfahrung bestehen insbesondere die folgenden drei Gründe für eine Enterbung: Eine Enterbung passiert teilweise unbewusst, wenn etwa Eheleute sich wechselseitig als Alleinerben einsetzen. Dies erfolgt regelmäßig, um den überlebenden Ehegatten abzusichern, hat aber zur Konsequenz, dass zugleich die Abkömmlinge, also Kinder bzw. Enkel, enterbt werden. Dies passiert regelmäßig unbewusst beim klassischen Berliner Testament „Wir setzen und wechselseitig als Alleinerben ein, nach dem Letztversterbenden sollen die Kinder zu gleichen Teilen erben.“ Daneben erfolgt eine Enterbung aber bisweilen auch ganz bewusst: Es besteht zu den Nachfahren ein schlechtes bis gar kein persönliches Verhältnis. Der Nachfahre soll dann ganz bewusst von einer Teilhabe am Nachlass weitestgehend ausgeschlossen werden. Oftmals führen aber auch Gestaltungen zum Erhalt des Familienvermögens – es gibt beispielsweise nur eine große Immobilie, die in der nächsten Generation erhalten bleiben soll- oder betrieblichen Vermögens soll bewusst nur in die Hände eines Nachfolgers gelegt werden, um den Betrieb zu erhalten.

Eine rechtmäßige Enterbung muss mehrere Ansprüche erfüllen. Welche Anforderung stellt der Gesetzgeber hieran?

Dr. Mareike Zuber: Eine Enterbung muss die Anforderungen an ein wirksames Testament erfüllen, d.h. das Testament muss bei bestehender Testierfähigkeit grundsätzlich vollständig eigenhändig und handschriftlich verfasst und unterschrieben sein oder das Testament muss notariell beurkundet sein. Daneben muss der Enterbte im Testament entweder ausdrücklich enterbt werden oder/und der Nachlass vollständig auf andere Erben verteilt werden. Eine klare und eindeutige Wortwahl vermeidet spätere Auslegungsschwierigkeiten.

Dass Angehörige leer ausgehen, ist in den meisten Fällen höchst unwahrscheinlich. Was regelt das Pflichtteilsrecht genau und wer ist pflichtteilsberechtigt?

Dr. Mareike Zuber: Pflichtteilsberechtigt sind der überlebende Ehegatte. Daneben sind stets auch die Abkömmlinge, zunächst die Kinder, und sofern es keine Abkömmlinge gibt auch die Eltern, pflichtteilsberechtigt. Dieses Pflichtteilsrecht der Eltern – neben dem des Ehegatten – wird oftmals von Laien übersehen und führt zu Überraschungen. Das Pflichtteilsrecht beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts. Es besteht am Nachlass, also dem am Todestag vorhandenen Vermögen des Erblassers, sowie an bisweilen auch an lebzeitig bereits verschenkten oder sonst zugewandten Vermögen. Der Pflichtteil ist kein Anspruch auf Teilhabe am Nachlass, also z.B. Eigentum an einer Immobilie oder einem Wohnrecht, sondern ist ausschließlich auf Erhalt einer Zahlung gerichtet. Um die Höhe der Zahlung zu errechnen, muss man die Aktiva und Passiva am Todestag ermitteln und saldieren sowie eventuelle ergänzungspflichte Schenkungen und Zuwendungen berücksichtigen. Der Pflichtteil ist- selbst wenn man die Höhe nicht kennt – am Todestag des Erblassers fällig und auch vererblich.

Nach deutschem Erbrecht gibt es Erben mehrerer Ordnungen. Können Sie uns die verschiedenen Ordnungen erklären?

Dr. Mareike Zuber: Es gibt in Deutschland fünf Erbordnungen. Sofern es Erben einer vorhergehenden Ordnung gibt, sperren diese die Erben der nachfolgenden Ordnungen. Daneben besteht regelmäßig das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten, der stets neben Verwandten der ersten und zweiten Ordnung und neben Großeltern (nicht deren Abkömmlingen) erbt. Entferntere Verwandte erben neben dem Ehegatten nichts, sondern der Ehegatte wird sodann gesetzlicher Alleinerbe. Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge, also zunächst die Kinder, dann die Enkel, wenn die Kinder eventuell vorverstorben sind oder sonst nicht Erbe wurde , weil sie beispielsweise die Erbschaft ausschlagen. In der zweiten Ordnung finden sich die Eltern und deren Abkömmlinge, also die der Bruder oder die Schwester, sodann die Neffen und Nichten. In dieser Ordnung haben nur die am Todestag lebenden Eltern einen Anspruch auf Pflichtteil, nicht aber Geschwister oder deren Kinder. In der dritten Ordnung sind sodann die Großeltern und deren Abkömmlinge, in der vierten Ordnung die Urgroßeltern und deren Abkömmlinge. Erst wenn es keinen Erben aus diesen vier Erbordnungen oder einen überlebenden Ehegatten mehr gibt, keine Verfügung von Todes wegen gemacht wurde, dann erbt der Staat.

Was ist denn der Unterschied zwischen gesetzlicher und testamentarischer Erbfolge?

Dr. Mareike Zuber: Die gesetzliche Erbfolge tritt automatisch bei Tod eines Menschen ein, wenn er also kein Testament gemacht hat.

Mit einem Testament kann der Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge mittels Schriftstück abweichen und seine Vermögen an Menschen, die ihm wichtig sind, weitergeben. Hier spricht man dann von testamentarischer oder gewillkürter Erbfolge.

Wann ist das Testament formwirksam?

Dr. Mareike Zuber: Ein in Deutschland errichtetes Testament muss grundsätzlich eigenhändig, also handschriftlich oder durch eine notarielle Beurkundung errichtet werden. Daneben bestehen für Notsituationen noch weitere Testamentsformen zur Verfügung: das Bürgermeistertestament, das drei Zeugen Testament oder das Seetestament.

Frau Dr. Zuber, vielen Dank für das Gespräch!

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