Dr. Nathalie M. Brede: Wohngeld dient dazu, angemessenes und familiengerechtes Wohnen zu sichern

Interview mit Dr. Nathalie M. Brede
Dr. Nathalie M. Brede ist selbständige Rechtsanwältin und Mitglied der Vertreterversammlung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen. Mit ihr sprechen wir über Wohngeld für Personen mit geringem Einkommen, Anspruch sowie benötigte Unterlagen zur Beantragung.

Wohngeld ist in Deutschland eine Sozialleistung für Personen, die ein geringes Einkommen haben. Können Sie konkret sagen, welche Personen Anspruch auf Wohngeld haben?

Dr. Nathalie M. Brede: Den Kreis der Wohngeldberechtigten regelt § 3 des Wohngeldgesetzes (WoGG). Kurz zusammengefasst sind alle diejenigen Personen wohngeldberechtigt, die berechtigt sind, eine Wohnung im Sinne des § 2 WoGG zu nutzen, entweder als Mieter oder in einem mietähnlichen Verhältnis (Mietzuschussberechtigte) oder als Eigentümer oder in einem eigentumsähnlichen Verhältnis (Lastenzuschuss) und dafür Aufwendungen tragen müssen, die wohngeldrechtlich betrachtet nicht im Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit stehen. Für das mietähnliche Verhältnis ist erforderlich, dass das Entgelt für die Nutzung des Wohnraums abhängig von Anzahl, Größe, Ausstattung und Qualität der Räume steht. Das Nutzungsentgelt darf nicht nach Tagen und Personen (Erwachsene/Kinder) bemessen sein (wie z.B. bei Hotels); eine Ausnahme wird bei Frauenhäusern anerkannt.

Das Wohngeld dient dazu, angemessenes und familiengerechtes Wohnen zu sichern. Es ist eine der steuerfinanzierten Sozialleistungen.

§ 7 WoGG regelt den Ausschluss vom Wohngeld, § 8 WoGG Dauer des Ausschlusses und Leistungsverzicht. Praktisch bedeutet das, erläutert am Beispiel des Falles des § 7 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 WoGG, dass Personen, die „Hartz IV“-Leistungen / Leistungen nach dem SGB II beziehen, kein Wohngeld erhalten. Sinn dessen ist: Leistungsberechtigte nach dem SGB II haben zunächste Anspruch auf Regelbedarfsleistungen und Kosten der Unterkunft. Die Kosten der Unterkunft enthalten die Kaltmiete, die kalten Nebenkosten und die Heizkosten. Ein Anspruch auf Wohngeld besteht nicht mehr, da die Sicherung des angemessenen Wohnraums bereits durch SGB-II-Leistungen abgedeckt ist.

Wenn es darum geht, ob eine Person Anspruch auf Wohngeld hat, ist zunächst zu prüfen, ob die Person mit ihrem Einkommen und anderen in Betracht kommenden Leistungen wie Wohngeld schließlich einen höheren Monatsbetrag zur Verfügung hat oder ob sie im SGB-II-Bezug mehr zur Verfügung hat. Die günstigere Lösung schließt die „schlechtere“ aus.

Berechtigte können nur natürliche Personen sein.

Wohngeldberechtigt können auch ausländische Personen sein, wenn sie sich im Bundesgebiet tatsächlich (Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen) und berechtigt oder geduldet aufhalten. Hierzu gehören auch Personen mit Fiktionsbescheinigung.

Wohngeld wird entweder als Mietzuschuss für Mietwohnungen oder als Lastenzuschuss für eigengenutzte Eigentumswohnungen bzw. Eigenheime bewilligt. Welche Personen können einen Mietzuschuss, und welche einen Lastenzuschuss beantragen?

Dr. Nathalie M. Brede: Mietzuschuss können Personen erhalten, die selbst Mieter sind, auch Untermieter, oder eine mietähnliche Nutzungsberechtigung haben. Letzteres ist z.B. der Fall bei genossenschaftlichen Nutzungsberechtigungen, Werkswohnungen, im Falle behördlich eingewiesener Obdachloser, Frauen in Frauenhäusern, selbst vertraglich Anspruchsberechtigten, die als SGB-VIII (Kinder- und Jugendhilfe) -Untergebrachte in Einrichtungen, Heimen, Kinderdörfern wohnen, auch ältere Menschen in Heimen oder volljährige behinderte Menschen oder Menschen mit Pflegebedarf.

Lastenzuschussberechtigte sind Menschen, die Eigentümer, auch Miteigentümer, des Wohnraums sind. Ihnen gleichgestellt sind Erbbauberechtigte, Personen mit eigentumsähnlichem Dauerwohnrecht, Nießbrauch oder Wohnungsrecht oder entsprechend wie vorgenannt Bestellungs- oder Übertragungsberechtigte. Auch z.B. Landwirte können wohngeldberechtigt sein.

Sog. „dinglich Berechtigte“, die einen Lastenzuschuss bekommen könnten, für die aber keine Lastenberechnung aufgestellt werden kann, können einen Mietzuschuss erhalten.

Das Wohngeld wird für jeden Fall individuell berechnet. Wie lässt sich die Höhe gemäß §19 WoGG berechnen und wonach richtet sich die Höhe des Wohngeldes?

Dr. Nathalie M. Brede: Die Berechnungsformel des Wohngeldes ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 1 WoGG.

In die Formel einzusetzen sind, zusätzlich zum gesetzlich vorgegebenen Faktor, der monatliche Miet- oder Belastungsbetrag („M“), das monatliche Gesamteinkommen in Euro („Y“) und die Werte, die sich je nach Anzahl der Haushaltsmitglieder aus der Tabelle der Anlage 2 zum Wohngeldgesetz ablesen lassen. Die relevanten Werte für „M“ und „Y“ aus der Anlage 3 zum Wohngeldgesetz verraten, welche Maßstäbe für „M“ und „Y“ gelten. Berechnet wird mit zehn Nachkommastellen, dann gerundet, schließlich muss sich ein Euro-Betrag für die Höhe des Wohngelds ergeben.

Wer Wohngeld beziehen möchte, muss nach §22 WoGG einen Antrag stellen. Welche Unterlagen sind für die Beantragung nötig und wie läuft normalerweise das Antragsverfahren ab?

Dr. Nathalie M. Brede: Die Antragstellung selbst ist ein sozialrechtlicher „Klassiker“. Der Antrag kann formlos gestellt werden, d.h. es reicht zunächst, dass das Wohngeld begehrt wird und dieses Verlangen bei der Behörde eingeht. Das Ausfüllen des Formulars / amtlichen Vordrucks kann die Behörde verlangen, auch weitere Unterlagen, die den Anspruch belegen. Das Datum der Antragstellung ist aber nicht erst der Tag der Abgabe des Formulars und weiterer Unterlagen wie Einkommensnachweis und Mietvertrag, sondern bereits derjenige Tag, an dem der/die Antragsteller/in Wohngeld von der Behörde verlangt hat. Wichtig ist das bei einer formlosen Antragstellung am Ende eines Monats, wenn Vordruck u.s.w. erst zu Beginn des Folgemonats eingereicht werden (können). 

Der Antrag wird von der Behörde geprüft. Wenn Nachfragen kommen, müssen diese beantwortet werden. § 23 WoGG erweitert den Kreis derjenigen, die ggf. auskunftspflichtig sind, über den/die Antragsteller/in hinaus. Schließlich ergeht ein Bescheid. Möchte man diesen nicht akzeptieren, legt man schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch bei der Behörde ein. Gegen einen Widerspruchsbescheid kann man mit einer Klage vorgehen. Die zu beachtenden Fristen sind jeweils Monatsfristen, soweit der Grundsatz.

Worauf muss man noch achten, wenn man Wohngeld beantragen möchte?

Dr. Nathalie M. Brede: Pro Haushalt ist nur eine Person wohngeldberechtigt.

Ausgeschlossen aus dem Kreis der Wohngeldberechtigten sind Personen, auf die die deutschen Vorschriften der sozialen Sicherheit nicht anzuwenden sind (gemäß Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut bzw. Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen).

Der Antrag auf Zahlung von Wohngeld der im laufenden Monat gestellt wird, wirkt grundsätzlich auf den ersten Tag des Monats zurück. Die möglicherweise wohngeldberechtigte Person sollte also ihren Antrag so schnell wie möglich, zumindest formlos, stellen.

Und wie lange dauert es für gewöhnlich bis ein Antrag bewilligt wird?

Dr. Nathalie M. Brede: Quer durch Deutschland betrachtet, muss man mit einer Bearbeitungszeit von drei Wochen bis zu zwei Monaten rechnen, vielerorts sind es sechs Wochen Bearbeitungszeit, nachdem alle von der Behörde angeforderten Unterlagen vollständig vorliegen.

Ausgezahlt wird das Wohngeld erst nach der Bewilligung.

Frau Dr. Brede, vielen Dank für das Gespräch!

Interview teilen: 

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp
No related posts found for the provided ACF field.

Zum Expertenprofil von Dr. Nathalie M. Brede

Dr. Nathalie M. Brede

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter diesem Link:

Weitere Interviews

die neusten BTK Videos