Dr. Thomas Barth: Ordnungsgemäße Abmahnung

Interview mit Dr. Thomas Barth
Dr. Thomas Barth ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte Steuerberater Solicitors Partnerschaft mbB in München. Mit ihm sprechen wir über Gründe für eine Abmahnung, Rechtswirksamkeit sowie zeitliche Fristen.

Verletzt ein Arbeitnehmer seine Pflichten, muss er mit einer Abmahnung rechnen. Was sind die häufigsten Gründe für eine Abmahnung?

Dr. Thomas Barth: In meiner Praxis sind Verstöße gegen fachliche Weisungen des Arbeitgebers häufig Gegenstand von Abmahnungen. Abmahnung werden aber auch oft wegen Verstößen gegen die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit oder schlicht wegen unentschuldigtem Fehlen ausgesprochen.

Eine Abmahnung soll im Prinzip drei Funktionen erfüllen: Welche sind das?

Dr. Thomas Barth: Eine ordnungsgemäße Abmahnung hat eine Hinweis- und Dokumentationsfunktion, d.h. der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter muss das vorgeworfene Verhalten vorgehalten und mit dem Hinweis kommentiert werden, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter damit gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat. Außerdem besteht eine Ermahnungsfunktion, sich künftig vertragsgemäß zu verhalten und die Warnfunktion, arbeitsrechtliche Konsequenzen aus erneuten Pflichtverstößen zu ziehen.

Für eine Abmahnung muss der Arbeitnehmer gute Gründe vorweisen können. Was muss eine rechtswirksame Abmahnung beinhalten?

Dr. Thomas Barth: Wichtig ist, dass die von der Abmahnung betroffene Mitarbeiterin oder der betroffene Mitarbeiter erkennen können muss, was ihm oder ihr konkret vorgeworfen wird. Das abzumahnende Verhalten muss deshalb nach Zeit, Ort sowie Art und Weise möglichst genau beschrieben werden. Allgemeine Ausführungen, wie etwa „Zuspätkommen“ oder „Weisungen ignoriert“ führen unweigerlich zur Unwirksamkeit der Abmahnung.

Bei einer Abmahnung müssen auch bestimmte zeitliche Fristen eingehalten werden. Welche Fristen muss der Arbeitgeber hier einhalten bzw. wann ist eine Abmahnung zu früh und wann zu spät?

Dr. Thomas Barth: Anders als bei außerordentlichen Kündigungen, gelten keine festen zeitlichen Grenzen für die Erteilung einer Abmahnung. Es gilt jedoch der allgemeine Grundsatz der sog. Verwirkung, der einzelfallabhängig bewertet werden muss. Arbeitgeber sind in jedem Fall gut beraten, Abmahnungen möglichst zeitnah nach der vollständigen Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts auszusprechen. Wenn Arbeitgeber in Kenntnis des abmahnungswürdigen Sachverhalts Beförderungen oder Gehaltserhöhungen vornehmen, kann das zur Verwirkung des Rechts zur Abmahnung führen.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitnehmer, um gegen eine unrechtmäßige Abmahnung vorzugehen?

Dr. Thomas Barth: Prozessual besteht die Möglichkeit, isoliert gegen eine Abmahnung vor dem zuständigen Arbeitsgericht vorzugehen. Wesentlich häufiger wird die Rechtmäßigkeit einer Abmahnung allerdings im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen angegriffen. Das ist immer dann der Fall, wenn der Arbeitgeber nach einem wiederholten Pflichtverstoß, eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht. Da eine verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig eine einschlägige Abmahnung erfordert, ist die Wirksamkeit der vorangegangenen Abmahnung dann Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses. Erweist sich die Abmahnung in solchen Fällen als rechtswidrig, geht der Kündigungsschutzprozess aus Sicht des Arbeitgebers häufig verloren.

Eine Abmahnung kann ein Dorn im Auge des Arbeitnehmers sein. Wann besteht Anspruch auf Entfernung der Abmahnung?

Dr. Thomas Barth: Auch hier bestehen keine festen Regelfristen. Es ist allerdings so, dass die kündigungsrechtliche Wirkung einer Abmahnung bei vertragsgemäßem Verhalten der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters nach der Abmahnung durch Zeitablauf abnimmt. Das kann im Einzelfall nach einer Wohlverhaltensperiode von zwei Jahren der Fall sein. Hat eine Abmahnung durch Zeitablauf ihre Wirkung verloren, muss sie aus der Personalakte entfernt werden.

Herr Barth, vielen Dank für das Gespräch!

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