Das Verkehrsrecht als Teil des Verkehrswesens umfasst die Bereiche „öffentliches Recht“ und „Privatrecht“. Als Anwalt für Verkehrsrecht beschäftigt man sich aber vor allem mit „Verkehrssündern“ oder ist das ein Vorurteil?
Akin Hizarci: Im Bereich des Verkehrsrechts werden häufig Mandate im Bereich Zivilrecht (z. B. Verkehrsunfälle, Autokauf, Gewährleistung), Strafrecht (z. B. Trunkenheitsfahrt, Unfallflucht, Autorennen), Ordnungswidrigkeiten (z. B. Geschwindigkeitsverstoß, Rotlichtverstoß, Handy am Steuer) und Verwaltungsrecht (z. B. Entziehung der Fahrerlaubnis, Verlängerung der Probezeit) bearbeitet.
Unsere Kanzlei bearbeitet beispielsweise ausschließlich Mandate im Strafrecht und im Ordnungswidrigkeitrecht (Bußgelder).
Der Bußgeldkatalog wurde im April dieses Jahres erst verschärft, dann aber wieder entschärft. Gab es plötzlich zu viele Vergehen und zu viel bürokratischen Aufwand, oder was war der Grund?
Akin Hizarci: Der Grund für die „Entschärfung“ ist der Verstoß gegen das in Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verankerte Zitiergebot. Hiernach ist zwingend die gesetzliche Rechtsgrundlage bekannt zu geben, auf der die Rechtsverordnung beruht. Ein Verstoß hiergegen hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Folge, dass die Rechtsverordnung nichtig ist (BVerfG, Urteil v. 6.7.1999, 2 BvF 3/90).
Die jüngste Novelle der StVO enthält in der Präambel lediglich § 26a Absatz 1 Nr. 1 und 2 StVG und eben nicht auch § 26a Absatz 1 Nr. 3 StVG, was jedoch für die Anordnung der geänderten bzw. neuen Regelfahrverboten unabdingbar ist.
Ist es erlaubt, dass ich als Unfallverursacher dem Unfallgegner einen Zettel an die Scheibe hänge, wenn dieser nicht auffindbar ist?
Akin Hizarci: Das bloße Hinterlassen eines Zettels an der Scheibe ist ganz klar nicht ausreichend. Wer die gesetzlich notwendigen Feststellungen nicht ermöglicht, begeht eine sog. Unfallflucht und damit eine Straftat! Die Feststellungen sind regelmäßig entweder gegenüber den anderen Unfallbeteiligten oder – wenn keiner anwesend ist – gegenüber der Polizei zu ermöglichen.
Der Unfallverursacher ist von daher gut beraten, wenn er die Polizei anruft, den Verkehrsunfall anzeigt und protokollieren lässt.
Kann ich die Aufnahmen meiner „Dashcam“ (Cockpit-Kamera) als Beweis anführen, wenn es z. B. um die Schuldfrage bei einem Unfall geht?
Akin Hizarci: Hier stellt sich die Frage der Verwertbarkeit der Aufnahme. Insoweit ist eine Abwägung der Interessen erforderlich. Überwiegt das Interesse an der Verwertbarkeit oder doch der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht?
Der Bundesgerichtshof (BGH, 15.05.2018, VI ZR 233/17) hat in einem Einzelfall entschieden, dass selbst eine permanente, anlasslose Aufzeichnung mit einer sog. Dashcam im Zivilverfahren verwertbar sein kann.
Wenn ich keine Rechtsschutz-Versicherung habe, muss ich dann einen Anwalt bezahlen, auch wenn ich Geschädigter bin, oder zahlt das die gegnerische Versicherung?
Akin Hizarci: Grundsätzlich ist der Mandant der Vertragspartner des beauftragten Rechtsanwalts, sodass die Kosten vom Mandanten zu tragen sind. Regelmäßig übernimmt aber der Rechtsschutzversicherer die Kosten, wenn es um die Durchsetzung berechtigter Ansprüche geht. Für die Abwehr von Ansprüchen ist die eigene Haftpflichtversicherung zuständig.
Wenn der Unfallgegner voll für den Unfall haftet, dann muss die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners die Kosten des beauftragten Rechtsanwalts ausgleichen. Eine Prognose ist bei streitigen Unfällen jedoch immer schwer zu treffen.
Lohnt es sich, ein „Blitzerfoto“ anzuzweifeln und gegen den Bescheid von der Bußgeldstelle vorzugehen?
Akin Hizarci: Erfahrungsgemäß ist der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid häufig erfolgversprechend. Der Erfolg hängt nämlich nicht nur von der Qualität des „Blitzerfotos“ ab. Im Rahmen der Akteneinsicht werden weitere Aspekte, wie z. B. die Schulung des Messpersonals oder die Eichung des Gerätes überprüft.
Gleichwohl laufen Rechtsanwaltsgebühren auf, die regelmäßig den Betrag aus dem Bußgeldbescheid übersteigen. Daher ist ein Vorgehen uneingeschränkt nur dann zu empfehlen, soweit eine entsprechende Rechtsschutzversicherung besteht.
Wenn ich acht Punkte in Flensburg angesammelt habe, verliere ich dann sofort meine Fahrerlaubnis? Für wie lange, und wie kann ich diese zurückbekommen?
Akin Hizarci: Sobald die acht Punkte in Flensburg erreicht sind, wird die Fahrerlaubnis entzogen. Die Entziehung hat zur Folge, dass man dauerhaft nicht mehr fahren darf. Der Führerschein ist abzugeben.
Nach der Entziehung besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Wiedererteilung zu stellen. Die Führerscheinbehörde überprüft hierbei die Eignung des Antragsstellers. In der Regel wird dabei eine MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung) angeordnet.