„Erbschaftsteuerliche Freibeträge möglichst umfassend nutzen“ – Rechtsanwalt Dr. Markus Schuhmann

Interview mit Dr. Markus Schuhmann
Dr. Markus Schuhmann ist Partner der SCHUHMANN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Interview spricht der Fachanwalt für Erbrecht über rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten für Erbschaften, wichtige Fristen im Erbfall und Besonderheiten bei der Übertragung von Unternehmen.

Im Jahr 2018 wurden 84,7 Milliarden Euro in Deutschland vererbt. Welche Rechte und Pflichten gehen mit der Annahme eines Erbes einher?

Dr. Markus Schuhmann: Das deutsche Recht sieht bei einem Erbfall eine sogenannte Universalsukzession vor. Dies bedeutet, dass der Erbe oder die Erben gemeinsam in alle Rechte und Pflichten des Erblassers eintreten. War der Erblasser Eigentümer einer Immobilie, so geht dieses Eigentum mit dem Tod auf die Erben über. Gleiches gilt aber beispielsweise auch für Schulden des Erblassers. Hiervon gibt es verschiedene Ausnahmen, etwa für Anteile an Personengesellschaften und höchstpersönliche Rechte.

Welche Maßnahmen sind im Erbschaftsfall einzuleiten, welche Fristen zu beachten?

Dr. Markus Schuhmann: In der Regel werden in Deutschland die Nachlassgerichte durch die Krankenhäuser, Pflegeheime oder Standesämter über einen Todesfall unterrichtet. Das Nachlassgericht schreibt von Amts wegen die Verwandten und möglichen Erben an und führt ein Nachlassverfahren durch. Hierbei sind alle Testamente des Erblassers vorzulegen, auch wenn man der Ansicht sein sollte, dass diese nicht maßgeblich für die Erbfolge sind. Das Gericht eröffnet dann die vorgelegten Testamente und stellt fest, wer Erbe geworden ist.

Existiert kein Testament, so gilt die gesetzliche Erbfolge. Wichtigste Frist in dem Nachlassverfahren ist die Ausschlagungsfrist. Diese beträgt im Normalfall sechs Wochen nach Kenntnis von der Erbeinsetzung und ist nicht verlängerbar. Nach Ablauf der sechswöchigen Frist gilt die Erbschaft als angenommen, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wurde. Je nach Zusammensetzung des Nachlasses sollten die Erben im Rahmen des Nachlassverfahrens einen Erbschein beantragen. Auch müssen sich Erben um die Regelung des Nachlasses kümmern und sollten bei mehreren Erben die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft betreiben.

Die Erbschaftssteuer betrug im Jahr 2018 mit 5,7 Milliarden Euro, rund 13 Prozent. Welche sind die wichtigsten Regelungen bei der Bemessung der Erbschaftssteuer?

Dr. Markus Schuhmann: Bei der Erbschaftsteuer gibt es insbesondere zwei Faktoren, die über die Steuerlast entscheiden: der Verwandtschaftsgrad und die Höhe des Erwerbs. Der Verwandtschaftsgrad hat u.a. Auswirkungen auf die Steuerklasse, Steuerbefreiungen und erbschaftsteuerlichen Freibeträge. So fallen beispielsweise Ehegatten und Kinder in die Steuerklasse I. Im Gegensatz hierzu gehören die Geschwister der Steuerklasse II an. Je nach Steuerklasse gilt ein anderer Steuersatz.

Auch bei den erbschaftsteuerlichen Freibeträgen gibt es Abstufungen hinsichtlich des Verwandtschaftsgrades. So kommt dem Ehegatten ein Freibetrag von EUR 500.000 und eigenen Kindern ein Freibetrag von EUR 400.000 zu. Angehörige der Steuerklassen II und III steht hingegen „nur“ ein Freibetrag von EUR 20.000 zu.

Weiterer Faktor ist aber auch der Wert des geerbten und steuerbaren Vermögens. Dieses versteht sich daher nach Abzug von allen Freibeträgen, Steuerbefreiungen, etc. Ab bestimmten Erwerbsgrenzen sind höhere Prozentsätze vorgesehen. So liegt der Steuersatz in Steuerklasse I je nach Höhe des Erwerbes zwischen 7 % und 30 %.

Diese Aspekte sollten bei der Planung der Erbfolge beachtet werden. Insbesondere sollten die erbschaftsteuerlichen Freibeträge möglichst umfassend ausgenutzt werden. Daher sollte bei größeren Vermögen möglichst frühzeitig mit der Nachfolgeplanung und Vermögensübertragung begonnen werden.

Die Planung des Nachlasses kann bei größeren Vermögen komplex werden. Was gehört zwingend in jedes Testament?

Dr. Markus Schuhmann: Hierbei handelt es um eine Frage, die nicht pauschal beantwortet werden kann. Bei der Errichtung eines Testaments sollte man sich Gedanken machen, wer erben soll bzw. wer nicht erben soll. Auch sind häufige Fragen in der Praxis, ob einzelne Vermögenswerte nur an eine bestimmte Person gehen können. Diese Wünsche könnten durch entsprechende Erb- und Vermächtnisanordnungen umgesetzt werden. Werden keine Regelungen getroffen, so gilt die gesetzliche Erbfolge. Bei zerstrittenen oder zahlreichen Erben sollte auch über eine Testamentsvollstreckung nachgedacht werden. In diesem Fall übernimmt der Testamentsvollstrecker die Abwicklung und Auseinandersetzung des Nachlasses für die Erben. Zwingend ist bei einem eigenhändigen Testament nur, dass es handgeschrieben und unterschrieben sein muss. Ist das Testament maschinengeschrieben oder nicht unterschrieben, ist es unwirksam. Auch sollten Ort und Datum der Testamentserrichtung angegeben werden.

Was ist beim Vererben von Unternehmen zu beachten?

Dr. Markus Schuhmann: Bei Gesellschaftsanteilen von Personengesellschaften ist zu beachten, dass diese nicht im Wege der oben erläuterten Universalsukzession übergehen, sondern im Wege der Sonderrechtsnachfolge. Die Erben treten daher nicht automatisch in die Gesellschafterstellung des Verstorbenen ein. Stattdessen richten sich die Folgen des Erbfalls grundsätzlich nach dem Gesetz und/oder dem Gesellschaftsvertrag. Je nach Gesellschaftsform sieht das Gesetz eine Auflösung der Gesellschaft, Ausscheiden des Gesellschafters oder Fortsetzung mit den Erben vor. Von diesen gesetzlichen Regelungen kann in dem Gesellschaftsvertrag abgewichen werden, was üblich ist. Ist derjenige, der seine Erbfolge regeln möchte, Gesellschafter einer GbR, OHG, KG oder ähnlichen Gesellschaftsform, sollten auf jeden Fall die Regelungen des Gesellschaftsvertrages mit den Regelungen in dem Testament abgeglichen werden und ggf. in einen Gleichlauf gebracht werden. Bei einem Einzelkaufmann sowie bei GmbH-Anteilen erfolgt die Übertragung hingegen im Wege der Universalsukzession.

Was ist beim Vererben von Immobilien zu beachten?

Dr. Markus Schuhmann: Bei der Vererbung von Immobilien sollte nach Möglichkeit auch die Steuerbefreiung für ein Familienwohnheim genutzt werden. Erbt ein Ehegatte das sogenannte Familienwohnheim, so ist dieser Erwerb steuerfrei. Hierzu muss der Erblasser die Immobilie vor seinem Tod selbst bewohnt haben und der Ehegatte nach dem Tod die Immobilie für zehn Jahre weiter bewohnen. Dies gilt auch, wenn der Erblasser oder der Ehegatte die Immobilie aus zwingenden Gründen nicht selbst bewohnt hat oder bewohnen kann. So bleibt der Erwerb des Familienheims beispielsweise auch steuerfrei, wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen in ein Pflegeheim einziehen muss. Auch für Kinder gibt es eine Steuerbefreiung unter den gleichen Voraussetzungen. Hierbei ist der steuerfreie Erwerb durch den Erbfall allerdings auf eine Wohnfläche von 200 m² begrenzt.

Was ist bei Schenkungen zu beachten?

Dr. Markus Schuhmann: Bei Schenkungen sollte sich der Schenker immer fragen, in welchen Fällen er das Geschenk zurückerhalten möchte. Was ist beispielsweise, wenn der Beschenkte vor dem Schenker stirbt oder das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet werden sollte? Zudem tritt bei lebzeitigen Vermögensübertragungen häufig der Fall ein, dass der Schenker auch weiter den wirtschaftlichen Nutzen des Geschenks erhalten möchte, insbesondere bei Immobilien. Wird etwa der Lebensunterhalt des Schenkers aus Mieteinnahmen beglichen oder bewohnt er selbst die Immobilie, ist eine Schenkung nur sinnvoll, wenn er diese auch weiterhin erhält. In diesem Fall ist häufig die Bestellung eines sogenannte Nießbrauchsrechts an dem Geschenk empfehlenswert.

Steuerlich gelten bei lebzeitigen Schenkungen die gleichen Freibeträge wie bei einem Erbfall. Zu beachten ist hierbei noch, dass der Freibetrag nur alle zehn Jahre neu entsteht und lebzeitige Geschenke mit dem Erwerb durch den Erbfall zusammengerechnet werden, wenn nicht mehr als zehn Jahre verstrichen sind. Daher sollte insbesondere bei großen Vermögen möglichst frühzeitig über eine Vermögensübertragung nachgedacht werden. Hier gibt es vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, zu denen Rechtsanwälte und Steuerberater fachkundig informieren können.

Stiftungen sind bei großen Vermögen ein beliebtes Konstrukt. Was sind die Vorteile von Stiftungen zum Vermögenserhalt und welche steuerlichen Regelungen sind relevant?

Dr. Markus Schuhmann: Stiftungen haben den Vorteil, dass diese eine Zersplitterung des Vermögens durch Erbfälle oder sonstige Vermögensübertragungen verhindern können. Im deutschen Rechtskreis sind Stiftungen aber dennoch nur in bestimmten Fällen empfehlenswert, anders als beispielsweise in der Schweiz oder in Amerika, wo diese Art von Gestaltung häufig vorkommt. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die Besteuerung des Stiftungsvermögens nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Bei sog. Familienstiftungen erfolgt in einem Abstand von 30 Jahren eine Besteuerung des Stiftungsvermögen. Erbschaftsteuerlich gesehen ist die Gründung einer Familienstiftung daher nur sinnvoll, wenn erbschaftsteuerlich begünstigtes Schonvermögen vorliegt oder wenn andere zwingende Gründe für die Gründung einer Stiftung sprechen.

Herr Dr. Schuhmann, vielen Dank für das Gespräch.

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