Gerald Scholz: Im Medizinrecht sollte man auf jeden Fall einen Fachanwalt für Medizinrecht aufsuchen

Interview mit Gerald Scholz
Gerald Scholz ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in der Anwaltskanzlei Schweppe und Möckel in Chemnitz. Mit ihm sprechen wir über Leistungen der Krankenkassen, Notwendigkeit einer Rechtsschutzversicherung sowie Verantwortlichkeit bei Folgeschäden einer Behandlung.

Immer wieder hört man, dass sich Krankenkassen querstellen, wenn Leistungen fällig werden. Warum provozieren die Kassen gern einen Rechtsstreit?

Gerald Scholz: Bei der Antwort muss man differenzieren: Die gesetzliche Krankenkasse hat ein Sachleistungsprinzip. D.h. der Patient geht zum Arzt und erhält dort die notwendige Behandlung. Hier gibt es einen Katalog der Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, die auch dann von den Ärzten entsprechend verordnet und rezeptiert werden können. Probleme gibt es aus meiner Erfahrung immer nur dann, wenn es um neue oder alternative Behandlungsmethoden geht. Diese sind von vornherein nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten. Insofern gibt es eine klare Rechtslage, so dass ich nicht behaupten könnte, dass die Krankenkasse hier einen Rechtsstreit provoziert.

Etwas anders verhält es sich bei den privaten Krankenversicherern. Hier gibt es insbesondere immer wieder Streit darüber, was eine angemessene und wirtschaftliche Versorgung des Patienten ist. Leistungen werden mit dieser Begründung abgelehnt mit dem Hinweis der Krankenkassen, dass man im Sinne der Gemeinschaft der Versicherten ja diese Leistungen nicht gewähren könne, da auf der anderen Seite dies zu Beitragssteigerungen führen würde. Der Versicherte kann sich hier nur über den Klageweg sein Recht erstreiten.

Kann ich mich mit einer Rechtsschutz-Versicherung gegen die hohen Prozesskosten absichern? Worauf sollte ich beim Abschluss einer solchen Versicherung achten?

Gerald Scholz: Selbstverständlich kann ich mich mit einer Rechtsschutz-Versicherung sowohl als gesetzlich als auch privat Versicherter gegen solche Risiken absichern. Ich sollte meinen Abschlussvertreter der entsprechenden Rechtsschutz-Versicherung fragen, ob Deckungsschutz für derartige Rechtsstreite in meiner Versicherung enthalten ist.

Kann man einen Arzt oder Zahnarzt auch längere Zeit nach einem Eingriff zur Verantwortung ziehen, wenn sich erst später Folgeschäden oder Probleme einstellen?

Gerald Scholz: Hier sprechen Sie das Problem der Verjährung an. Die Verjährung beträgt allgemein drei Jahre. Im Medizinrecht setzt dies allerdings positive Kenntnis von der Fehlbehandlung bzw. vom Unterschreiten des medizinischen Standards voraus. Wenn ich die Probleme erst spät feststelle, heißt das auf der anderen Seite, dass erst dann die Verjährung zu laufen beginnt. Spätestens mit einem Gutachten, was die Unterschreitung des medizinischen Standards feststellt, habe ich dann positive Kenntnis, d.h. jetzt habe ich drei Jahre Zeit, um meine Rechte geltend zu machen.

Wenn ich Folgeschäden nach einem Unfall habe, wie wird das Schmerzensgeld für zukünftige Einschränkungen berechnet?

Gerald Scholz: Hier muss man unterscheiden: Es gibt einmal die Gesamtabgeltung, welche häufig von Versicherern angestrebt wird. Hier wird ein Betrag X als einmalige Zahlung zur Abgeltung sämtlicher auch künftiger Einschränkungen gezahlt. Die künftigen Einschränkungen sind dann in diesem Schmerzensgeld mit „eingepreist“. Denkbar wäre aber auf der anderen Seite auch, dass ein Art Schmerzensgeldrente gezahlt wird. D.h. ein monatlicher Betrag, der widerspiegeln soll, welche Einschränkungen ich Monat für Monat aufgrund des Unfalls habe.

Wenn ein Krankenhaus Behandlungsfehler macht, hört man oft, dass jahrelang prozessiert werden muss, bevor der/die Geschädigte Recht bekommt. Gibt es eine Art Hilfsfonds, aus dem Betroffene entschädigt werden oder muss man grundsätzlich die Zeit aussitzen?

Gerald Scholz: Auch bei der Behandlung im Krankenhaus liegt ein Behandlungsvertrag zugrunde. D. h. wir haben wie so oft im Zivilrecht ein Vertragsverhältnis. In diesem Vertragsverhältnis muss der Patient seine Ansprüche wegen möglicher Behandlungsfehler gegenüber dem Krankenhaus geltend machen. Sofern nicht die Haftpflichtversicherung außergerichtlich reguliert, können Ansprüche nur gerichtlich geltend gemacht werden. Aufgrund des Umfangs und der einzuholenden Gutachten ist es in der Tat so, dass die Prozesse sich über Jahre hinziehen können. Bei einer Verurteilung des Krankenhauses bzw. des Behandlers zahlt die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses oder des Behandlers. Diese sind verpflichtet, derartige Haftpflichtversicherungen zu unterhalten. Außenstehende Dritte entschädigen den Betroffenen nicht.

Wie finde ich den für mich besten bzw. für meinen Fall qualifiziertesten Anwalt?

Gerald Scholz: Im Medizinrecht sollte man auf jeden Fall einen Fachanwalt für Medizinrecht aufsuchen. Durch die umfangreiche Ausbildung und die jährlichen Fortbildungen ist sichergestellt, dass dieser optimal die Interessen des Patienten vertritt. Es muss allerdings noch darauf geachtet werden, ob der Anwalt eher die Behandler- oder die Patientenseite vertritt. Dies kann meist schon bei einem Blick auf die entsprechende Internetpräsentation herausgefunden werden.

Man könnte meinen, ein Fachanwalt für Medizinrecht müsste sehr gute Kenntnisse in Humanmedizin mitbringen. Ist das so?

Gerald Scholz: Medizinrechtsanwälte sind zunächst keine Humanmediziner, sondern Juristen. Es gibt auch Kollegen, die sowohl Juristen als auch Anwälte sind. Gute Kenntnisse in der Humanmedizin erleichtern sehr die entsprechenden Prozesse und den Umgang mit entsprechenden Gutachten und Gutachtern.

Herr Scholz, vielen Dank für das Gespräch!

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