Dr. Jana Benzel: Die BaFin war in jüngster Vergangenheit stark in der Kritik

Interview mit Dr. Jana Benzel
Dr. Jana Benzel ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Kümmerlein, Simon & Partner Rechtsanwälte mbB in Essen. Im Interview beantwortet sie Fragen zu Finanzskandalen der BaFin, Zukunft von Start-Ups sowie Schutz von Verbrauchern.

Der Ruf der BaFin, Deutschlands oberster Finanzaufsichtsbehörde, hat in den letzten Jahren stark gelitten. Auf Finanzskandale will man in Zukunft verzichten. Ist das der Grund, weshalb bei Start-Ups in Zukunft höhere Eigenmittelanforderungen gefordert werden, um bereits beim Zulassungszeitpunkt eine höhere Eigenkapitalquote zu erreichen?

Dr. Jana Benzel: Richtig, in jüngster Vergangenheit ist die BaFin stark in die Kritik geraten. Dies hatte jedoch nichts mit der fehlenden Finanzierung im Zulassungszeitpunkt zu tun. Vielmehr wurde und wird die BaFin scharf dafür kritisiert, Institute nicht ausreichend überwacht zu haben. Zu nennen sind hier beispielsweise die Wirecard AG oder die Greensill Bank. Bezüglich letzterer soll es bereits seit Anfang 2020 Meldungen an die BaFin gegeben haben. Die BaFin steht in der Kritik, dennoch nicht rechtzeitig eingeschritten zu sein. Noch fataler dürfte es jedoch sein, wenn der BaFin vorgeworfen würde, Zulassungen zulasten der (zukünftigen) Versicherten vorschnell erteilt zu haben. Daher mag ein Instrument, weitere Skandale zu vermeiden, die Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen sein, um die Finanzierung der Insurtechs von Anfang an möglichst abzusichern.

Experten bewerten die Pläne als harte Ansage der BaFin gegenüber neu gegründeten Versicherungen, aber ist dieser Schritt nicht nachvollziehbar? Denn die oberste Priorität der BaFin sollte der Schutz von Verbrauchern sein, oder doch nicht?

Dr. Jana Benzel: Natürlich ist dieser Schritt grundsätzlich nachvollziehbar. Die BaFin hat die Aufgabe, die Belange der Gesamtheit der Versicherten zu wahren. Dieses Ziel umfasst aber viel mehr. Durch den Markteintritt der Insurtechs wurden die etablierten Versicherungsunternehmen herausgefordert. Sie wurden angeregt, auch an ihrem Geschäftsmodell etwas zu ändern und Neuerungen zum Nutzen der Versicherten zu entwickeln. Und auch diese Fortentwicklung darf nicht außer Betracht gelassen werden. Es geht immer um ein gesundes Maß. Wesentlich ist, dass die Aufsicht auch nach dem Markteintritt funktioniert, um sich abzeichnende Schwächen oder Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können.

Nach dieser Neuerung müssten Start-Ups früh den Breakeven berechnen, denn am Tag des Lizenzantrages müssen alle Kosten vorfinanziert sein. Doch wie soll man so weit im Voraus die Profitabilität berechnen?

Dr. Jana Benzel: Dieser Aspekt ist ja ohnehin im Businessplan enthalten. Eine Berechnung über mehrere Jahre in die Zukunft ist jedoch immer mit wesentlichen Unsicherheiten behaftet. Das stellt auch die BaFin nicht in Abrede. Die BaFin teilte jedoch mit, dass nach ihrer Erfahrung die aufgestellten Prognosen zu optimistisch waren und sich in der Realität nicht bewahrheitet hätten. Dies sei bei zukünftigen Anträgen zu berücksichtigen. Aber natürlich erfüllt sich nicht jede Prognose. Gegebenenfalls muss auch das Geschäftsmodell überarbeitet werden, weil der Markt nicht wie gewünscht reagiert. Dies ist nach den aktuellen Vorgaben aber auch nicht ausgeschlossen, ggf. sind jedoch Nachsteuerungen beim Organisationsfonds erforderlich. Hier werden die Insurtechs in enger Abstimmung mit der BaFin handeln müssen.

In den überwiegenden Fällen stellen Risikokapitalgeber ihr Kapital in mehreren Finanzierungsrunden zur Verfügung – logischerweise will man abwarten, wie sich der Geschäftsplan entwickelt. Welche Auswirkungen entstehen in der deutschen Venture-Kapital-Landschaft durch die Neuregelungen in der Aufsicht?

Dr. Jana Benzel: Regulierte Bereiche stellten schon immer eine Besonderheit dar, während das Gros der Unternehmen außerhalb dieses Bereiches agiert. Das Versicherungsaufsichtsgesetz sah ja auch schon vor der Äußerung der BaFin den Nachweis der erforderlichen Mittel der für den Aufbau der Verwaltung und des Vertreternetzes erforderlichen Aufwendungen vor. Die BaFin hat die Anforderungen jetzt präzisiert und erhöht. Hierauf werden sich auch die Risikokapitalgeber einstellen müssen. Sie werden stärker in die Pflicht genommen und haben höhere Investitionen zu tätigen. Möglicherweise führt dies auch dazu, dass sich bereits zu Beginn mehr Kapitalgeber beteiligen müssen. Wenn die Geschäftsidee stimmt, werden sich sicherlich auch unter den erhöhten Anforderungen Kapitalgeber finden.

Sind höhere Kapitalanforderungen das Ende der gekannten Start-Up-Kultur?

Dr. Jana Benzel: Nein, nach meiner Auffassung nicht. Wir befinden uns hier in einem sehr kleinen Feld, denn eine Regulierung findet ja ohnehin nur in sehr sensitiven Bereichen statt. Andere Bereiche sind von diesen Vorgaben nicht betroffen. Grundsätzlich müssen die Organe der Start-Ups gerade ihre Liquidität jedoch immer sorgsam beobachten und sollten daher ein eigenes Interesse an einer ausreichenden Kapitalausstattung haben.

Frau Benzel, vielen Dank für das Gespräch!

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