Jana Hanisch: Der neue Bußgeldkatalog und seine Tücken

Interview mit Jana Hanisch
Jana Hanisch ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Versicherungs- und Verkehrsrecht in der Kanzlei Olnhausen, Wittmann und Hanisch in Dresden. Im Interview spricht sie über den neuen, im April eingeführten Bußgeldkatalog, die Verfahrensweise bei Verkehrsunfällen sowie die Verwendung von Aufnahmen einer „Dash-Cam“ als Beweis vor Gericht.

Das Verkehrsrecht als Teil des Verkehrswesens umfasst die Bereiche „öffentliches Recht“ und „Privatrecht“. Als Anwalt für Verkehrsrecht beschäftigt man sich aber vor allem mit „Verkehrssündern“, oder ist das ein Vorurteil?

Jana Hanisch: Das trifft sicherlich nicht auf alle Fachanwälte für Verkehrsrecht zu, ich selbst beschäftige mich im Wesentlichen mit der zivilrechtlichen Abwicklung von Verkehrsunfällen, also der Geltendmachung von Schadensersatz und Schmerzensgeld, gelegentlich auch mit der Abwehr solcher Ansprüche.

Der Bußgeldkatalog wurde im April dieses Jahres erst verschärft, dann aber wieder entschärft. Gab es plötzlich zu viele Vergehen und zu viel bürokratischen Aufwand, oder was war der Grund?

Jana Hanisch: Mit der Novelle der Bußgeldkatalog-Verordnung am 28.04.2020 wurden die Strafen für viele Vergehen verschärft, insbesondere sollten Fahrverbote schon bei geringeren Geschwindigkeitsüberschreitungen ausgesprochen werden. Mittlerweile haben die Bundesländer die Anwendung der neuen Verordnung wegen eines Formfehlers ausgesetzt, so dass die bisherigen Regeln weiterhin anzuwenden sind. Die Änderung der StVO ist davon nicht betroffen, diese neuen Regelungen sind gültig.

Ist es erlaubt, dass ich als Unfallverursacher dem Unfallgegner einen Zettel an die Scheibe hänge, wenn dieser nicht auffindbar ist?

Jana Hanisch: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber allein nicht aus. Um sich keiner Verfolgung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB auszusetzen, sollte man eine angemessene Zeit am Unfallort warten, dann dem Unfallgegner seine persönlichen Daten hinterlassen und den Unfall der Polizei melden. Dort müssen ebenfalls Fahrer- und Fahrzeugdaten hinterlassen werden. Sollte der Unfallgegner übrigens auf die Hinzuziehung von Polizeibeamten bestehen, hat der Verursacher vor Ort zu bleiben, um die erforderlichen Feststellungen zu seiner Person und zum Fahrzeug zu gewährleisten.

Kann ich die Aufnahmen meiner „Dash-Cam“ (Cockpit-Kamera) als Beweis anführen, wenn es z.B. um die Schuldfrage bei einem Unfall geht?

Jana Hanisch: Zu dieser Frage hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15.05.2018, VI ZR 233/17 ausführlich Stellung genommen. Es ist nicht grundsätzlich untersagt, die Dash-Cam als Beweismittel in einem Zivilverfahren einzusetzen, hier wird im Einzelfall eine Interessen- und Güterabwägung durchgeführt. Danach können die Aufzeichnungen verwendet werden, ob sie hilfreich sind, ist dann aber eine andere Frage…

Wenn ich keine Rechtsschutz-Versicherung habe, muss ich dann einen Anwalt bezahlen, auch wenn ich Geschädigter bin, oder zahlt das die gegnerische Versicherung?

Jana Hanisch: Bei dieser Frage müssen wir differenzieren: Bei eindeutigem alleinigen Verschulden des Unfallverursachers ist dieser auch verpflichtet, die Kosten eines Rechtsbeistandes zu übernehmen, diese werden in der Regel beim Haftpflichtversicherer als Schadensposition geltend gemacht. Im Fall eines anteiligen Mitverschuldens werden Anwaltskosten quotal zur Höhe des Mitverschuldens ersetzt. Sollten Ansprüche gerichtlich durchgesetzt werden müssen, hat die Klagepartei zumindest die Gerichtskosten als Vorschuss einzuzahlen. Bei Mittellosigkeit besteht die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Für alle Einzelheiten fragen Sie bitte den Anwalt Ihres Vertrauens.

Lohnt es sich, ein „Blitzerfoto“ anzuzweifeln und gegen den Bescheid von der Bußgeldstelle vorzugehen?

Jana Hanisch: Hier kann ich nicht mit ja oder nein antworten. Es kommt ganz auf den Einzelfall an. Wenn man beispielsweise nicht selbst gefahren ist, aber einen Bußgeldbescheid als Führer des Pkw erhält, sollte man sich in jedem Fall dagegen wehren. Außerdem sind viele Messungen nicht korrekt, was von einem Sachverständigen überprüft werden kann. Wenn man Zweifel an dem Vorwurf der Bußgeldstelle hat, sollte man immer zu einem Anwalt gehen, da man als Privatperson keine Akteneinsicht erhält, die aber für eine Prüfung der Angelegenheit unerlässlich ist.

Wenn ich acht Punkte in Flensburg angesammelt habe, verliere ich dann sofort meine Fahrerlaubnis? Für wie lange, und wie kann ich diese zurückbekommen?

Jana Hanisch: Bis man acht Punkte erreicht, sollte man im Normalfall bereits zweimal Post von der Behörde erhalten haben, beim Erreichen von 4-5 Punkten eine schriftliche Ermahnung bzw. bei 6-7 Punkten eine schriftliche Verwarnung. Haben diese Maßnahmen keine Wirkung gezeigt und die 8 Punkte werden erreicht, gilt der Inhaber der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Fahrerlaubnis wird für mindestens sechs Monate entzogen. Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Wiedererteilung von Auflagen wie eine MPU abhängig machen, ebenso ist eine längere Sperrfrist möglich.

Frau Hanisch, vielen Dank für das Gespräch.

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