Karin Ahrendt: Immobilien fallen nicht in den Versorgungsausgleich

Interview mit Karin Ahrendt
Karin Ahrendt ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Bürogemeinschaft Ahrendt, Menzel & Wöller in Dresden. Mit ihr sprechen wir über Rentenanwartschaften, Versorgungsausgleich sowie einvernehmliche Regelung.

In Deutschland lassen sich rund 150.000 Paare jährlich scheiden. Geschiedene Ex-Partner müssen ihre Rentenanwartschaften in Form von einem Versorgungsausgleich aufteilen. Welche Versorgungen werden ausgeglichen und welche nicht?

Karin Ahrendt: Im Rahmen des Versorgungsausgleichs werden alle Anwartschaften ausgeglichen, die auf Rentenbasis basieren. Der Hauptanwendungsfall sind die gesetzliche Rente, Betriebsrenten, Riesterrente und Zusatzversorgungen, allerdings auch Lebensversicherungen, wenn diese nicht auf Kapitalbasis, sondern auf Rentenbasis abgeschlossen wurden, also zu einem bestimmten Stichtag, nicht das Kapital als eine Summe, sondern nur eine monatliche Rente ausgezahlt wird. 

Im Gesetz §2VersAusglG wird erfasst, welche Anrechte dem Versorgungsausgleich unterliegen. Was passiert mit der gemeinsamen Immobilie im Scheidungsprozess?

Karin Ahrendt: Immobilien fallen nicht in den Versorgungsausgleich, auch wenn sie möglicherweise als Altersvorsorge angedacht waren. Immobilien, die nur einem Ehegatten gehören werden ggf. über den Zugewinn ausgeglichen. Bei gemeinsamen Immobilien bleiben beide Ehegatten trotz Scheidung Miteigentümer. Nach der Scheidung kann jeder Ehegatte die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft verlangen. Wenn sich die Ehegatten über eine Auseinandersetzung nicht einvernehmlich einigen können, kann jeder Ehegatte dann die Teilungsversteigerung beantragen.  

Für viele Ex-Partner ist unklar, auf welche Zeit sich der Ausgleich der Anwartschaften erstreckt. Erstreckt sich ein Ausgleich nur auf die Anwartschaften, die die Ehepartner während der Ehe erworben haben?

Karin Ahrendt: Der Versorgungsausgleich ist nur auf die Ehezeit beschränkt. Diese beginnt am 1.Tag, in dem die Ehe geschlossen wurde und endet am letzten Tag, von dem Monat, welcher der Zustellung des Scheidungsantrages vorausgeht. Haben die Eheleute z.B. am 15.06.2001 geheiratet und wird der Scheidungsantrag am 17.09.2021 dem Ehegatten zugestellt, ergibt sich eine Ehezeit von 01.06.2001 bis zum 31.08.2021. Es wird also nur der Wertzuwachs in dieser Ehezeit ausgeglichen.

§27VersAusglG regelt seit November 2016 Ausnahmen beim Ausgleich. In welchen Szenarien teilt das Familiengericht die Rentenansprüche nicht?

Karin Ahrendt: Wenn die Ehe mehr als 3 Jahre gedauert hat und kein notarieller Verzicht vorliegt, ist in der Regel immer der Versorgungsausgleich durchzuführen. Die in § 27 VersAusglG festgelegte Möglichkeit des Wegfalls oder der Beschränkung wird von den Gerichten sehr zurückhaltend angewandt und zwar nur wenn offensichtlich der Ausgleich zu einer groben Unbilligkeit führt. Dies wird u.a. bei einem „krassen“ Fehlverhalten des Ausgleichsberechtigten gegenüber dem Ausgleichspflichtigen bejaht, z.B. bei Körperverletzungshandlungen.      

Eine einvernehmliche Regelung des Versorgungsausgleichs kann auch erzielt werden. Können Sie uns Umstände nennen, in denen ein Versorgungsausgleich nicht erforderlich ist, bzw. ein Versorgungsausgleich wenig sinnvoll wäre?

Karin Ahrendt: Die Eheleute können durch einen Notarvertrag auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichten. Dies ist sinnvoll, wenn beide Eheleute über ausreichend eigene Anwartschaften verfügen. Das müssen nicht immer die gesetzlichen Rentenanwartschaften sein, sondern möglicherweise auch Immobilien oder private Kapitalanlagen. Das Gericht prüft in dem Scheidungsverfahren, ob der Verzicht zulässig ist. Dies ist der Fall, wenn beide Ehegatten ausreichend abgesichert  und  durch den Verzicht im Rentenalter nicht auf Sozialleistung angewiesen sind.

Frau Ahrendt, vielen Dank für das Gespräch!

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