Komplexität des Steuersystems führt zu strafrechtlichem Risiko – Dr. Andrew Patzschke

Interview mit Dr. Andrew Patzschke
Dr. Andrew Patzschke ist Fachanwalt Strafrecht und Steuerrecht. Im Interview spricht er über die Risiken falscher Angaben gegenüber dem Finanzamt und rät Influencern sich professionelle Hilfe zu suchen.

Influenza ist nicht nur eine Krankheit, sondern Influencer sind auch eine Berufsgruppe – moderne Entertainer, die sich selbst vermarkten und zur Finanzierung ihrer Tätigkeit Produkte oder Marken bewerben. Müssen Einnahmen aus dem Influencer-Geschäft grundsätzlich versteuert werden?

Dr. Andrew Patzschke: Um die Antwort vorweg zu nehmen: grundsätzlich JA! Die Frage nach der jeweiligen Steuerart ist allerdings nicht so einfach zu beantworten. Ist der Blogger oder Influencer, z.B. künstlerisch oder journalistisch tätig, so kann er gemäß § 18 EStG als Freiberufler behandelt werden. Dies wiederum führt dazu, dass keine Gewerbesteuer anfällt. Vereinnahmt der Blogger allerdings für die Schaltung von Bannerwerbung Entgelt, spielt die etwaige künstlerische Tätigkeit bereits keine Rolle mehr. Die gewerblichen Einkünfte aus der Bannerwerbung infizieren die freiberuflichen Einkünfte, sodass auch auf die eigentlich freiberuflichen Einkünfte Gewerbesteuer zu zahlen ist.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer gilt grundsätzlich, dass vereinnahmte Umsatzsteuern, die z.B. auf Gutschriften der Kunden des Influencers ausgewiesen werden, auch an den deutschen Fiskus abzuführen sind. Hierfür sind entweder monatlich oder vierteljährlich die Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Lagen die Umsätze des Influencers im Vorjahr unterhalb der Grenze von 22.000 Euro (bis 2019: 17.500 Euro) und liegen sie im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht höher als 50.000 Euro kann eine Kleinunternehmerregelung in Anspruch genommen werden, so dass keine Umsatzsteuer abzuführen ist.

Last but not least – die Einkommensteuer. Egal, ob man die Einnahmen als gewerblich oder freiberuflich definieren kann – die Einkommensteuer wird ab jährlichen Einkünften in Höhe von insgesamt 9.408 Euro (2019: 9.168 Euro) fällig. Bereits die korrekte Erfassung der Einnahmen ist in diesem Zusammenhang nicht einfach, denn auch sogenannte Geschenke oder auch die Nutzung von Gegenständen haben als sogenannte Sachzuwendung einen entsprechenden Wert, der als Einnahme zu erfassen ist.

Ab welcher Höhe müssen Einnahmen versteuert werden und benötigt man dazu zwingenderweise ein Gewerbe?

Dr. Andrew Patzschke: Die Einkommensteuer wird fällig, wenn die jährlichen Einkünfte einen Betrag in Höhe von aktuell 9.408 Euro übersteigen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass alle Einkünfte gemeint sind. Also nicht nur die bloße Blogger- oder Influencertätigkeit, sondern alle Einkünfte, sei es selbständige oder nicht-selbständige. Bei einer Klassifikation als gewerbliche Tätigkeit kommt es darauf an, ob der Gewerbeertrag einen Betrag in Höhe von 24.500 Euro überschreitet. Dieser Gewerbeertrag ist nicht der Umsatz, den der Influencer erwirtschaftet, sondern der Gewinn, erhöht um bestimmte Hinzurechnungen und vermindert um bestimmte Kürzungen.

Das Finanzamt plant Influencer in Zukunft intensiver zu prüfen. Kann das gelingen und welche Strukturen müssen ggf. geschaffen werden?

Dr. Andrew Patzschke: Die Prüfung von Influencern ist dem Grunde nach denkbar einfach und es müssen auch keine Strukturen erst noch geschaffen werden – die alt bewerten finanzbehördlichen Werkzeuge funktionieren auch in diesem neuen Berufsfeld tadellos.

Ein kleines Beispiel: bei einem Unternehmen findet eine Betriebsprüfung statt. Aufgrund der aktuellen Bestrebungen Influencer einer genaueren Prüfung zu unterziehen, schaut sich der Betriebsprüfer die Betriebsausgaben für Werbung näher an und zieht sich die Gutschriften für Blogger oder ähnliche Werbeträger. Seitens des Betriebsstättenfinanzamtes erfolgt eine Kontrollmitteilung an das Wohnsitzfinanzamt des Influencers oder Bloggers, ob entsprechende Einnahmen im Rahmen der Steuererklärungen auch angegeben worden sind. Je nachdem wie das Ergebnis ausschaut, kann es zu mitunter ernsthaften Problemen kommen.

Das Bundesfinanzministerium hat einen Leitfaden zur Besteuerung von Influencern herausgegeben. Können die meist jungen Selbstständigen das komplexe Steuerecht ohne externe Hilfe meistern?

Dr. Andrew Patzschke: Sie sehen bereits aufgrund der vorherigen Ausführungen, dass das gesamte Steuersystem etwas unübersichtlich ist. Der Leitfaden des Bundesfinanzministerium ist grundsätzlich nicht schlecht. Er gibt allerdings nur einen groben Überblick. Die Krux besteht bereits bei der Frage, ob eine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit vorliegt. Bereits bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage sollte man grundsätzlich Hilfe in Anspruch nehmen.

Die Komplexität des Steuersystems führt auch dazu, dass ein nicht unerhebliches strafrechtliches Risiko besteht. Bereist die unzutreffende Bewertung der Tätigkeit als gewerblich oder freiberuflich kann zum Vorwurf der Steuerhinterziehung führen. Ebenso kann die falsche Behandlung von Sachgeschenken zu strafrechtlichen Vorwürfen führen.

Häufig sagen meine Mandanten in ersten Gesprächen: Das wusste ich nicht – woher soll man das denn wissen? Das ist dem Grunde nach nachvollziehbar, interessiert aber die Steuerfahndung bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes nicht. Die Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang knallhart. Wenn ein Unternehmen von etwas keine Ahnung hat, muss er qualifizierten Rechtsrat einholen. Macht er dies nicht, dass geht die Rechtsprechung von einem sogenannten bedingten Vorsatz aus, der für die Begründung der Strafbarkeit der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO ausreicht.

Sich durch diesen Dschungel durchzukämpfen ist sicherlich nicht unmöglich. Allerdings wäre mir das Risiko zu hoch. Zumal man bei Beauftragung eines Beraters, ob Rechtsanwalt oder Steuerberater, immer jemanden hat, der für einen Beratungsfehler haftet.

Wie Sie Influencern weiterhelfen? Was sind Ihre Tipps?

Dr. Andrew Patzschke: Allen Bloggern und Influencern, die mit ihrer Tätigkeit Geld verdienen, ist dringend zu empfehlen, sofern noch nicht geschehen, die Einkünfte aus den letzten Jahren beim Finanzamt nach zu erklären und eine Selbstanzeige gemäß § 371 AO abzugeben, die unter bestimmen Voraussetzungen strafbefreiende Wirkung hat. Die Einstellung: „Mich finden die eh nicht“, hat bislang niemandem geholfen. Steuern können auch noch nach mehr als 10 Jahren nachberechnet und eingetrieben werden – die Handhabungen der Finanzämter mach dann wirklich keinen Spaß.

Wichtigster Tipp: Dokumentation, Dokumentation, Dokumentation – kann man nicht oft genug wiederholen. Jeder Unternehmer – so auch Influencer – müssen in der Lage sein, bei einer Prüfung ohne weiteres Suchen, einen konkreten Beleg aus den Unterlagen vorlegen zu können. Nicht nur Einnahmen, sondern auch Ausgaben penibelst dokumentieren und Belege sammeln und der Reihe nach abheften.

Ein Steuerberater kostet zwar Geld – es ist aber sehr gut investiert. Abgesehen von der Dokumentation und dem Belegesammeln, muss man sich um die Steuern nicht mehr selber kümmern.

Herr Dr. Andrew Patzschke, vielen Dank für das Gespräch.

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