Krankenhaushygiene: Angehörige übernehmen wichtige Rolle als Patienten-Wächter – Philip Christmann

Interview mit Philip Christmann
Rechtsanwalt Philip Christmann ist Fachanwalt für Medizinrecht. Im Interview spricht er über mangelhafte Patientenaufklärung und hohe Hürden in der Beweisführung.

Mit Operationen sind grundsätzlich Risiken verbunden. Welche Aufklärungspflichten haben Ärzte im Vorfeld einer OP?

Philip Christmann: Der Arzt muss dem Patienten im Großen und Ganzen und in einem persönlichen Gespräch die Risiken der Operation mitteilen. Er muss dem Patienten also eine ungefähre Vorstellung der möglichen Folgen vermitteln. Ins Detail muss er dabei nicht gehen, es sei denn, der Patient fragt danach. Problematisch ist, dass die Ärzte viel zu wenig Zeit für die Aufklärung haben. Deshalb wird oft zu wenig aufgeklärt oder nur mit einem Formular oder manchmal erst ganz kurz vor der Operation. Das ist natürlich nicht ausreichend. Über die Aufklärung gibt es oft und viel Streit vor Gericht. Besser wäre es, wenn der Gesetzgeber den Arzt verpflichtete, das Aufklärungsgespräch per Video aufzunehmen, dann würde die Qualität der Aufklärungen viel besser sein und man müsste vor Gericht nicht so lang darüber streiten welchen Inhalt das Gespräch hatte. Der Arzt kann sich aber oft erfolgreich damit verteidigen, dass der Patienten sich auch bei ordentlicher Aufklärung für die Operation entschieden hätte. Wenn man sich als Patient unsicher ist, ob man die Operation machen soll, kann man sich übrigens eine zweite Meinung bei einem anderen Arzt einholen. Dabei unterstützen einen auch die Krankenkassen.

Regelmäßig kommt es nach Operationen zu erheblichen Komplikationen. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der behandelnde Arzt in Regress genommen werden kann?

Philip Christmann: Ob das „regelmäßig“ der Fall ist, kann ich nicht sagen. Es gibt keine guten statistischen Daten über die Zahl der Komplikationen und Behandlungsfehler. Manche sprechen von 600.000 bis 700.000 Behandlungsfehlern im Jahr. Dass ein Arzt erfolgreich vor Gericht in die Haftung genommen wird, ist eher die Ausnahme, denn der Patient muss dafür viele und hohe Hürden überspringen. Der Patient muss nachweisen, dass der Arzt ihn falsch behandelt hat und dass er gerade dadurch zu Schaden gekommen ist. Nur wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt, verurteilt das Gericht den Arzt zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz, bei einfachen Fehlern kommt der Arzt dagegen oft ungeschoren davon. Und die Voraussetzungen für einen groben Behandlungsfehler sind streng.

Wie kompliziert ist die Beweisführung für Patienten, wie kann ein Fachanwalt für Medizinrecht im Schadensfall helfen?

Philip Christmann: Die Beweisführung ist sehr schwierig. Der Arzt führt die Behandlungsakte und die ist so ziemlich das einzige Beweisstück. Ich erlebe zurzeit gerade einen Fall, da hat ein Arzt eine Koloskopie (Darmuntersuchung mittels Schlauch) einfach nicht mit Fotos dokumentiert, obwohl das üblich ist. Daher können wir viele Fragen jetzt nicht mehr klären. Das geht dann meist zu Lasten des Patienten. Auch ein Fachanwalt für Medizinrecht kann an dieser Beweisproblematik wenig ändern. Der Fachanwalt kennt aber die Nahtstellen der Verteidigung des Arztes und er versteht auch den Behandlungsablauf in der Arztpraxis. Ich habe in dem Fall mit zwei meiner Mandanten, die Ärzte sind, über den Fall gesprochen und die haben mir wertvolle Hinweise zum Ablauf der Darmuntersuchung gegeben. Diese Hinweise habe ich vor Gericht eingesetzt.

Schönheitschirurgen sind häufig keine Fachärzte für diesen Bereich. Was bedeutet dieser Umstand aus juristischer Perspektive?

Philip Christmann: Zuerst einmal macht das haftungsrechtlich keinen Unterschied. Jeder Arzt darf Schönheitsoperationen ausführen, da gibt es keine Fachgebietsgrenzen. Daher kann der Arzt in diesem Bereich mehr oder minder machen, was er will. Standards gibt es wenige. Das führt zu einem erheblichen Wildwuchs in der Schönheitschirurgie, zu vielen Haftungsverfahren von geschädigten Patienten und zu einigem Misstrauen gegenüber Schönheitschirurgen. Da leiden auch die guten Schönheitschirurgen drunter, die Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie sind und die ihr Fach verstehen. Besser wäre es, wenn alle Schönheitschirurgen eine solche Facharztausbildung ablegen müssten.

Wie relevant ist das Thema Krankenhauskeime in Ihrem Kanzleialltag?

Philip Christmann: Das kommt in meiner Praxis ungefähr in jedem fünften Fall einer Krankenhausoperation vor. Es gibt aber eine hohe Dunkelziffer. Haftungsrechtlich ist es für den Patienten schwer, einen Keimbefall in der Klinik nachzuweisen. Die Rechtsprechung ist da recht streng und fordert viel vom Patienten, das kann der Patient kaum leisten. Patienten sollten deshalb selbst auf Hygiene achten und unhygienische Zustände dokumentieren und auch kritisieren. Die Angehörigen übernehmen hier eine wichtige Rolle als Wächter der Patienten.

Für einen Arzt kann ein verlorener Prozess den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Wie gut schützen Versicherungslösungen?

Philip Christmann: Ich habe es bisher nur einmal erlebt, dass ein Haftungsfall einen Arzt ruinierte. Da ist eine Patientin nach einer OP in einer Praxis verstorben und man warf dem Arzt fehlerhafte Betäubung und zu spätes Herbeirufen von Hilfe vor. Der Arzt hat tatsächlich alles verloren. Aber das sind Ausnahmefälle. In der Regel ist der Arzt durch seine Haftpflichtversicherung gut geschützt. Er muss aber darauf achten, dass die Haftungssummen hoch genug sind. Und er muss sich immer vergegenwärtigen, dass die Versicherung bei Vorsatz des Arztes nichts zahlen wird und bei grober Fahrlässigkeit oft einen Leistungsausschluss vereinbart hat – und dann auch nichts zahlt. Der Schutz der Versicherung ist also nicht grenzenlos.

Herr Christmann, vielen Dank für das Gespräch.

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