Leif Hermann Kroll: Je größer die Gefahr, desto eher wird abgeschleppt

Interview mit Leif Hermann Kroll
Wir sprechen mit Rechtsanwalt Leif Hermann Kroll, Fachanwalt für Verkehrsrecht der Kanzlei HAHN, KROLL & Partner über rechtliche Fragen zum Thema Abschleppen von Fahrzeugen.

Immer wieder gibt es Streit, ob es notwendig war, ein Fahrzeug abzuschleppen oder ob der/die Halter/in stattdessen lediglich hätten verwarnt werden können. Wie groß ist da der Ermessensspielraum?

Leif Hermann Kroll: Der Ermessenspielraum ist, wenn man sich die Entwicklung der Gerichtsentscheidungen anschaut, in den vergangenen Jahren jedenfalls enger geworden. Ein Zettel „Bei Störung bitte anrufen, komme sofort“ mit Handynummer, aber ohne genaue Angabe, wo man ist, reicht nicht (mehr) aus, um ein Abschleppen zu verhindern. Seit z.B. durch höhere Bußgelder das Parken mit Verbrennern an Ladesäulen für E-Autos dem Falschparken auf Behindertenplätzen gleichgestellt ist, muss auch hier mit sofortigem Abschleppen gerechnet werden, was allerdings vor dem Hintergrund der Abwehr von „Gefahren“ als Voraussetzung fürs Abschleppen zweifelhaft ist.

Wie groß sind die Chancen, erfolgreich gegen das Abschleppen zu klagen?

Leif Hermann Kroll: Sehr schlecht. Bei mobilen Parkverbotsschildern (z.B. wegen Umzügen, Baumarbeiten etc.) wird mittlerweile sehr genau dokumentiert und fotografiert. Die Verwaltungsgerichte erlauben auch zunehmend strengeres, also schnelleres Abschleppen.

Wenn jemand meine private Einfahrt zuparkt, muss ich dann selbst das Abschleppen organisieren, oder wird die Polizei bzw. das Ordnungsamt tätig?

Leif Hermann Kroll: Das ist stark einzelfallabhängig. Handelt es sich um eine Zufahrt zum Hof, die auch Feuerwehrzufahrt sein kann oder mehrere Parkplätze blockiert, würden Polizei oder Ordnungsamt abschleppen. Steht das Zuparkerfahrzeug auf öffentlichem Straßenland, dann auch. Steht es auf dem privaten Grund, eher nicht. Auch hier gilt: Je größer die Gefahr, je eher wird abgeschleppt. In Berlin kann, so die zuständige Verwaltung, bei Parken vor und gegenüber Grundstücksein- und -ausfahrten, wenn die beabsichtigte Benutzung verhindert wird, abgeschleppt werden.

Wie regelt das Gesetz, ob es angemessen ist, ein Auto abzuschleppen? Geht es da streng nach Paragrafen oder hat der/die Ordnungsamtsmitarbeiter/in die Möglichkeit vom Abschleppen abzusehen (z.B. aus Kulanz)?

Leif Hermann Kroll: „Kulanz“ ist das, was die Juristen den Ermessenspielraum nennen. Die Bundesländer haben unterschiedliche Regelungen. Grundsätzlich erforderlich ist ein Abschleppen erst bei Gefährdung oder Behinderung. Berlin erfordert konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung und dadurch insbesondere Verkehrsgefährdungen oder -behinderungen.

Man hört ab und zu davon, dass ein Fahrzeug nur umgesetzt oder in anderen Fällen auf den Hof des Abschleppunternehmens geschleppt wird. Worin liegt der Unterschied?

Leif Hermann Kroll: Das behördliche (durch Polizei oder Ordnungsamt) veranlasste Abschleppen ist regelmäßig eine Umsetzung, die Fahrzeuge werden auf freie Flächen im Straßenland versetzt. Privat veranlasstes Abschleppen endet oft auf dem Hof des Abschleppers, der dann häufig auch Standkosten erhebt.

Was mache ich, wenn der Falschparker auf privatem Grund seine Abschleppkosten an den Grundstückseigentümer, der in Vorleistung geht, nicht bezahlen will?

Leif Hermann Kroll: Die Abschlepper geben in der Regel das Fahrzeug oder den Standort erst bei Bezahlung heraus. Dies wird oft als Erpressung empfunden, ist aber gerichtlich erlaubt.

Was mache ich im Streitfall, wenn mein Fahrzeug nach dem Abschleppen beschädigt ist?

Leif Hermann Kroll: Wie fast immer bei Schäden ist die Sicherung von Beweisen das wichtigste. Unbedingt viele Fotos machen, und zwar immer nicht nur die Schäden in Großaufnahme (denn dann kann man den Bezug zum Anlass oft nicht mehr beweisen), sondern auch vom gesamten Fahrzeug. Und man sollte auf eine schriftliche Bestätigung bestehen, die meist aber verweigert wird. Dann unbedingt an Ort und Stelle die Polizei hinzuziehen, die auch zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche tätig werden muss, zumal auch Straftat- oder Ordnungswidrigkeitenverdacht besteht. Also nicht am Telefon vom Abschnitt abwimmeln lassen. Übrigens besser 4664-0 wählen und sich zum nächstgelegenen Abschnitt verbinden lassen als den Notruf 110, der sollte für echte Notfälle freibleiben. Und anschließend zum Rechtsanwalt, um den Schadensersatzanspruch gegenüber einer Versicherung von Anfang an richtig geltend zu machen.

Herr Rechtsanwalt Kroll, vielen Dank für das Gespräch.

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