Nils Asmussen: Ist eine Kündigung für impfunwillige Arbeitnehmer rechtens?

Interview mit Nils Asmussen
Nils Asmussen ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Rechtsanwälte Klemm & Partner mbB. Mit ihm sprechen wir über Impfquote in Deutschland, Impfstatus sowie mögliche Auskunftspflicht.

In Deutschland sind rund 70% der Erwachsenen vollständig geimpft. Welche der Arbeitnehmer/innen geimpft sind, wissen die meisten Arbeitgeber nicht. Warum dürfen Arbeitgeber den Impfstatus der Arbeitnehmer im Normalfall nicht erfragen?

Nils Asmussen: Nach aktueller Rechtslage dürfen Arbeitgeber den Impfstatus Ihrer Arbeitnehmer im Normalfall nicht erfragen. Gesundheitsdaten – hierzu gehört auch der Impfstatus – zählen nach Artikel 9 der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu den speziell geschützten besonderen Kategorien von personenbezogenen Daten. Die Verarbeitung dieser Daten ist hiernach grundsätzlich untersagt.

In welchen Fällen darf eine Auskunft über den Impfstatus erfragt werden?

Nils Asmussen: In einem engen Rahmen ermöglicht das Bundesdatenschutzgesetz Ausnahmen. Demnach dürfen Gesundheitsdaten abgefragt werden, wenn das für die Ausübung des Berufs notwendig ist. Gem. § 23a des Infektionsschutzgesetzes wird es beispielsweise Kliniken ausdrücklich erlaubt, den Impfstatus ihrer Beschäftigten abzufragen, wenn dies zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten erforderlich ist. In solchen Berufen kommen Beschäftigte mit Personen in engen Kontakt, die sich nicht selbst vor Corona wirksam schützen könnten.

Wie wichtig könnte die Impfquote als Faktor für ein Unternehmen sein, wenn es beispielsweise um eine medizinische Einrichtung geht?

Nils Asmussen: Gerade medizinische Einrichtungen dürften ein großes Interesse an einer möglichst hohen Durchimpfung ihres Personals sowie auch daran haben, dies öffentlich machen zu können. Auch – beispielsweise – Krankenhäuser stehen ja im Wettbewerb miteinander. Dessen ungeachtet sind die rechtlichen Hürden betreffend die Zulässigkeit der Abfrage des Impfstatus sehr hoch. Es wird daher auf absehbare Zeit nicht dazu kommen, dass Unternehmen mit der Impfquote ihrer Belegschaft werbend in die Öffentlichkeit gehen können. Dies gilt noch viel mehr vor dem Hintergrund dessen, dass hiermit ja theoretisch (nämlich bei einer 100-prozentigen Impfquote) auch der Impfstatus eines jeden einzelnen Beschäftigten öffentlich bekannt gemacht würde, was gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dieser Beschäftigten verstoßen würde.

Einige Verbände wünschen sich, dass Unternehmen ihre Angestellten auf den Corona-Impfstatus testen dürfen. Ist eine neue Regelung diesbezüglich in Sicht?

Nils Asmussen: Ich verstehe Ihre Frage so, dass die Verbände sich wünschen würden, den Impfstatus ihrer Beschäftigten abfragen zu dürfen. Von einem Wunsch einzelner Verbände, selbst Testungen vornehmen zu können, um die Auskünfte ihrer Angestellten betreffend deren Impfstatus überprüfen zu können, wäre mir nichts bekannt. Eine solche Regelung – also das Recht der Arbeitgeber, ihre Angestellten zu testen – wird sicherlich auch nicht kommen. Ich persönlich rechne auch nicht damit, dass es allen Arbeitgebern „durch die Bank“ ermöglicht werden wird, den Impfstatus ihrer Beschäftigten abzufragen. Allerdings lassen immer mehr Bundesländer das sogenannte „2-G-Modell“ zu (Zutritt haben dann nur noch Immunisierte und Genesene) und ermöglichen Arbeitgebern also dann, wenn diese sich hierfür registrieren und die entsprechenden Anforderungen erfüllen, wesentlich mehr Freiheiten (mehr Besucher, weitgehender Wegfall des Maskenzwangs etc.). Eine der Voraussetzungen für die Teilnahme am 2-G-Modell ist, dass auch die Beschäftigten des betreffenden Arbeitgebers geimpft oder genesen sind. Aus meiner Sicht solltet dies für solche Arbeitgeber einen rechtfertigenden Grund dafür darstellen, den Impfstatus ihrer Beschäftigten abfragen zu dürfen. Eine Rechtsprechung hierzu gibt es meines Wissens noch nicht, aber der politische Wille geht wohl dahin, auch in solchen Fällen kein Fragerecht des Arbeitgebers einzuräumen (sodass der Arbeitgeber am „2-G-Modell“ nur teilnehmen kann, wenn ihm „zufällig“ bekannt ist, dass alle seine Angestellten geimpft oder genesen sind, was ich für grotesk halte).

Kann man pauschal sagen, was eine Auskunftspflicht im Sinne des Unternehmens bringen könnte?

Nils Asmussen: Für Arbeitgeber wäre es sicherlich einfacher, betriebliche Abläufe zu organisieren, wenn sie wüssten, welche Beschäftigte genesen oder geimpft sind. Entsprechende Teambildungen würden erleichtert. Dies gilt aus meiner Sicht gerade auch im Hinblick auf Bereiche mit öffentlichem Kontakt (Kunden, Lieferanten etc.), bei denen der Arbeitgeber natürlich nach wie vor nicht wüsste, inwieweit auch die Kunden, Lieferanten etc. geimpft oder genesen sind.

Wie wichtig ist es für Arbeitgeber zu wissen, welche Arbeitnehmer geimpft sind? Könnte im „worst-case“ eine Kündigung für impfunwillige Arbeitnehmer drohen?

Nils Asmussen: Solange es kein Auskunftsrecht des Arbeitgebers betreffend den Impfstatus des jeweiligen Beschäftigten gibt, werden die Arbeitgeber im Normalfall gar nicht wissen, ob ihre Beschäftigten geimpft oder genesen sind. Schon daran dürfte regelmäßig die Kündigung eines impfunwilligen Arbeitnehmers scheitern. Unabhängig davon kann eine Impfunwilligkeit als solches eine Kündigung nicht rechtfertigen, wenn der jeweilige Arbeitsplatz keine Genesung oder Impfung voraussetzt und der Arbeitnehmer ansonsten willens ist, alle einschlägigen Vorschriften (Abstand, Hygiene, Maske etc.) einzuhalten. In Bereichen, in denen nur geimpfte oder genesene Arbeitnehmer tätig sein dürfen, würde hingegen eine Impfunwilligkeit schon heute eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können, jedenfalls wenn keine Weiterbeschäftigung des impfunwilligen Arbeitnehmers an einem anderen Arbeitsplatz, der auch von ungeimpften und noch nicht genesenen Arbeitnehmern ausgeübt werden kann, möglich sein sollte.

Herr Asmussen, vielen Dank für das Gespräch!

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