Nils Krause: Insolvenzrecht ist darauf ausgerichtet, Unternehmen zu sanieren

Interview mit Nils Krause
Wir sprechen mit Rechtsanwalt Nils Krause, Insolvenzverwalter und Fachanwalt für Insolvenzrecht bei der ECOVIS Insolvenz und Sanierungs AG, Rechtsanwaltsgesellschaft, über das deutsche Insolvenzrecht.

Während der Corona-Pandemie war die Insolvenzantragspflicht zeitweise ausgesetzt. Was ändert sich ab Oktober?

Nils Krause: Seit dem ersten Oktober gilt für Unternehmen wieder die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen.

Droht jetzt eine zeitverzögerte Pleitewelle?

Nils Krause: Nein, das glaube ich nicht. Ich fürchte, dass viele Unternehmen bzw. Unternehmer davon ausgehen, die Aussetzung der Antragspflicht sei bis Ende des Jahres verlängert worden. Tatsächlich gilt die weitere Aussetzung aber nur für den Antragsgrund der isolierten Überschuldung.

Unter welchen Umständen sind Geschäftsführer oder Vorstände verpflichtet Insolvenz anzumelden?

Nils Krause: Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig also nicht in der Lage, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, ist die Geschäftsleitung verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern einen Insolvenzantrag zu stellen. Geschäftsführer oder Vorstände machen sich ansonsten strafbar. Zudem droht die persönliche Haftung für Verbindlichkeiten und Schäden, die nach dem Eintritt der Insolvenzreife entstehen.

Wie verläuft ein Insolvenzverfahren üblicherweise?

Nils Krause: In einem ersten Schritt ist anhand der Finanzplanung des Unternehmens zu prüfen, ob die finanzielle Schieflage des Unternehmens in einem vorhersehbaren Planungszeitraum beseitigt werden kann. Selbst wenn diese Fortbestehensprognose negativ ausfällt, können aber im Einzelfall Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung des gesamten Geschäftsbetriebes oder von Betriebsteilen auch in der Insolvenz bestehen. Die Insolvenz muss also nicht zwangsläufig die Liquidation des Unternehmens zur Folge haben, sondern bietet, bei einer guten Fortführungsperspektive, oftmals die Chance für eine nachhaltige Neuausrichtung des Unternehmens.

Ein Insolvenzverfahren kann für Unternehmen auch die Chance auf einen Neuanfang bedeuten. Wie funktioniert ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung?

Nils Krause: Die Eigenverwaltung unterscheidet sich vom klassischen Regelinsolvenzverfahren dadurch, dass das Management die Steuerung des Unternehmens und auch des gesamten Sanierungsprozesses in den Händen behält. Die Geschäftsleitung bleibt im Amt, die Gesellschafter behalten die Kontroll- und Gestaltungsrechte. Ein Insolvenzverwalter wird nicht eingesetzt. Der gerichtlich bestellte Sachwalter überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die operativen Entscheidungen trifft weiterhin das Management, das sich dabei regelmäßig von eigenen Sanierungsexperten unterstützen lässt. 

Welche Mittel stehen einem Insolvenzverwalter zur Verfügung, um die Existenz eines Unternehmens zu sichern?

Nils Krause: Das deutsche Insolvenzrecht ist darauf ausgerichtet, Unternehmen zu sanieren. Dem Insolvenzverwalter stehen hierzu verschiedene Instrumente zur Verfügung. Doch nur wer frühzeitig die Weichen für eine Sanierung stellt, kann den Handlungsspielraum des Unternehmens erhalten und für sich nutzen. Das sogenannte Schutzschirmverfahren ist beispielsweise nur dann zulässig, wenn das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig ist.

Herr Rechtsanwalt Krause, vielen Dank für das Gespräch.

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