Pascal Croset: Konfliktpotenzial entsteht bei ungerechtfertigten Abmahnungen

Interview mit Pascal Croset
Wir sprechen mit Pascal Croset, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Berliner Kanzlei Croset, über sein Fachgebiet und spezielle arbeitsrechtliche Regelungen.

Arbeitsrecht ist ein breites Fachgebiet. Welches sind die typischen Betätigungsfelder für Anwälte?

Pascal Croset: Fachanwälte für Arbeitsrecht beschäftigen sich vornehmlich mit Kündigungen und damit einhergehenden Kündigungsschutzverfahren. Von Arbeitgebern ausgesprochene Kündigungen sind oft unwirksam. Arbeitsrechtler unterstützen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Auf Arbeitnehmerseite handeln Anwälte entweder Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes aus oder setzen durch, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz behält. Für Arbeitgeber steht die Beendigung im Fokus, bestenfalls ohne Abfindung. Konfliktpotenzial entsteht bei ungerechtfertigten Abmahnungen, nicht gezahlten Gehältern/Provisionen, Nichterteilung eines Arbeitszeugnisses oder bezüglich der besonderen Rechte von Schwerbehinderten und Schwangeren. In den letzten Jahren ist zudem der Vorwurf der sexuellen Belästigung in den Fokus geraten. Nicht zuletzt prüfen und erstellen Fachanwälte für Arbeitsrecht Arbeitsverträge sowie Aufhebungsverträge.

Welche speziellen arbeitsrechtlichen Regelungen gelten für kleine und mittelständische Unternehmen?

Pascal Croset: Viele Gesetze sehen sogenannte Schwellenwerte vor, d. h. sie erlegen Arbeitgebern Pflichten auf, wenn diese eine bestimmte Anzahl von Beschäftigten erreichen.

Für kleine Unternehmen ist immer entscheidend, ob das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet: Werden regelmäßig mehr als 10,25 Arbeitnehmer beschäftigt, können Arbeitgeber eine Kündigung nur noch bei Vorliegen bestimmter Gründe aussprechen. Arbeitgeber mit mehr als 20 Mitarbeitern sind ggf. zur vorherigen Anzeige von Entlassungen verpflichtet, wenn die Anzahl der Kündigungen bestimmte Grenzen überschreitet (Massenentlassungsanzeige, § 17 KSchG). In Betrieben mit mehr als 15 Angestellten haben Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitarbeit (§ 8 Abs. 7 ZtBfG).

Welchen arbeitsrechtlichen Einfluss haben Tarifbindung und Betriebsrat?

Pascal Croset: Zentraler Bestandteil von Tarifverträgen sind Regelungen über die Höhe von Löhnen und Gehältern, Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen etc. Ein Tarifvertrag kann die Arbeitsvertragsparteien auf verschiedene Weise binden.

– So kann ein Tarifvertrag Arbeitgeber wie Arbeitnehmer über eine sogenannte Verbandsmitgliedschaft unmittelbar binden. D.h., der Arbeitgeber ist Mitglied eines tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverbandes, der Arbeitnehmer ist Mitglied einer Gewerkschaft.

– Die Arbeitsvertragsparteien sind auch dann an einen Tarifvertrag gebunden, wenn dieser für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. D.h., der Tarifvertrag gilt auch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die nicht Mitglied eines Verbandes oder einer Gewerkschaft sind.

– Schließlich können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung eines Tarifvertrages im Arbeitsvertrag vereinbaren.

Ein Betriebsrat setzt sich für die Interessen der Beschäftigten in einem Unternehmen ein. Der Betriebsrat hat verschiedene Möglichkeiten oder vielmehr Rechte bei der Gestaltung des betrieblichen Arbeitsalltags mitzuwirken. Z.B. ist der Betriebsrat vor Ausspruch jeder Kündigung zu hören. Will der Arbeitgeber Anwesenheitskontrollen, Gleitarbeitszeit oder Sonn- und Feiertagsarbeit einführen, braucht er dafür sogar die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrates

Abmahnungen sind ein beliebtes Disziplinierungsmittel von Arbeitgebern. Welche Anforderungen müssen für eine wirksame Abmahnung erfüllt sein?

Pascal Croset: Mit einer Abmahnung will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf ein vertragswidriges Verhalten hinweisen. Damit eine Abmahnung wirksam ist müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

1.    Der Arbeitgeber muss das vertragswidrige Verhalten, welches er abmahnen möchte, möglichst genau unter Benennung von Datum und Uhrzeit beschreiben. Er muss z.B. aufzeigen an welchem Tag, um welche Uhrzeit der Arbeitnehmer zu spät zur Arbeit erschienen ist.

2.    Der Arbeitgeber muss das abgemahnte Verhalten des Arbeitnehmers als arbeitsvertraglichen Verstoß rügen und ihn auffordern, genanntes Verhalten in Zukunft zu unterlassen.

3.    Abschließend hat er den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass er bei einem erneuten Verstoß mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, bis hin zu einer Kündigung, zu rechnen hat.

Eine Abmahnung muss nicht schriftlich erfolgen, sie kann auch mündlich ausgesprochen werden. Zu Beweiszwecken sollte der Arbeitgeber sie grundsätzlich in Schriftform überreichen.

Lohnt es sich gegen ungerechtfertigte Abmahnungen vorzugehen?

Pascal Croset: Der Arbeitnehmer hat mehrere Möglichkeiten gegen eine Abmahnung vorzugehen.

1.    Es ist ihm unbenommen eine sogenannte Gegendarstellung abzugeben. Diese hat der Arbeitgeber in die Personalakte aufzunehmen.

2.    Ist die Abmahnung ungerechtfertigt hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit vor dem Arbeitsgericht die Rücknahme und Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte durchzusetzen. Diese Maßnahme sollte sorgfältig abgewogen werden, da ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht nicht selten in einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses enden.

Kündigungen durch den Arbeitgeber landen häufig vor Gericht. Was sollten Arbeitnehmer beachten, die gegen ihre Kündigung vorgehen wollen?

Pascal Croset: Wichtig: Bei Erhalt einer Kündigung bleiben dem Arbeitnehmer nur drei Wochen um Klage vor dem Arbeitsgericht einzulegen. Lässt der Arbeitnehmer diese Frist untätig verstreichen, beendet die Kündigung das Arbeitsverhältnis und dem Arbeitnehmer ist der Zugang zu den Gerichten verwehrt.

Darüber hinaus sollte ein Anwalt prüfen, ob der gekündigte Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem KSchG hat. Ist er länger als sechs Monate tätig und beschäftigt das Unternehmen regelmäßig mehr als 10,25 Arbeitnehmer, so hat er im Falle einer betriebsbedingten Kündigung gute Aussichten in einem sogenannten Kündigungsschutzverfahren zu obsiegen bzw. eine gute Abfindung aushandeln zu können.

Arbeitsrechtsprozesse enden häufig mit einer Abfindung. Auf welche Höhe dürfen Arbeitnehmer hoffen?

Pascal Croset: Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Es kommt wie immer darauf an. Sicherlich gibt die sogenannte Regelabfindung eine Orientierung. Danach hat sich bei vielen Gerichten eine Abfindung von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr durchgesetzt. Abfindungen können jedoch sehr viel höher ausfallen, insbesondere wenn eine Kündigung offensichtlich unwirksam ist oder der Arbeitnehmer bereits älter ist und seine Aussichten einen neuen Job zu finden gering sind. D. h. aber, dass Abfindungen auch unterhalb der Regelabfindung liegen können. Insbesondere wenn der Arbeitgeber vor Gericht beweisen kann, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist und keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht.

Herr Croset, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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