Ruth Stefanie Breuer: Wirtschaftsprüfer stehen völlig zurecht in der Kritik

Interview mit Ruth Stefanie Breuer
Ruth Stefanie Breuer ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und IHK geprüfte Wirtschaftsmediatorin. Im Interview spricht sie über Haftungsfragen bezüglich der Insolvenz von Wirecard.

Der Skandal um den DAX-Konzern Wirecard hat die deutsche Finanzwirtschaft erschüttert. 1,9 Milliarden Euro sind verschwunden, der Konzern ist in der Insolvenz. Welche Aussichten haben die geschädigten Aktionäre wenigsten einen Teil ihres Investments wiederzusehen?

Ruth Stefanie Breuer: Die Aussichten der Aktionäre, wenigstens einen Teil ihres Investments wieder zu sehen, sind nur sehr schwer einzuschätzen, weil erst wenige Details bekannt sind. Sicher ist, dass es nicht einfach wird.

Die Wirtschaftsprüfer von EY stehen massiv in der Kritik, weil die zehn Jahre lang die gefälschten Bilanzen von Wirecard geprüft und testiert haben. Wie schätzen Sie die Chancen ein, EY auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen?

Ruth Stefanie Breuer: Die Wirtschaftsprüfer stehen völlig zurecht in der Kritik.  Aus juristischer Sicht sind die Wirtschaftsprüfer diejenigen, die den Betrug hätten erkennen können und müssen. Schadensersatzansprüche werden derzeit geprüft. Angesichts der Insolvenz der Wirecard AG ist das Vorgehen gegen die Wirtschaftsprüfer Erfolg versprechender als gegen die Wirecard AG selbst. Weitere mögliche Anspruchsgegner werden derzeit geprüft. 

Die BaFin hat bei der Kontrolle von Wirecard wenig Engagement gezeigt und fühlte sich trotz öffentlicher Warnungen der Financial Times nicht zuständig. Was läuft schief bei der deutschen Finanzmarktaufsicht?

Ruth Stefanie Breuer: Es ist richtig, dass es dort Verfehlungen gegeben haben könnte. Welche dies gewesen sind und welche Hintergründe es gibt, lässt sich aufgrund der Komplexität des gesamten Vorgangs zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls noch nicht sagen.

Die BaFin hat am 18. Februar 2019 eine Allgemeinverfügung erlassen, wonach es verboten war, neue Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien der Wirecard AG zu begründen oder bestehende Netto-Leerverkaufspositionen zu erhöhen. Erstmals in der Geschichte wurde ein solches Verbot für eine einzelne Aktie verhängt. Wie erklären Sie diesen ungewöhnlichen Schritt?

Ruth Stefanie Breuer: Diesen Schritt hat die BaFin nicht erläutert. Möglicherweise stellt sich in der nächsten Zeit auch hierzu mehr heraus.

Mitarbeiter der BaFin haben in großem Stil mit Wirecard-Aktien gezockt. Ist das legal? 

Ruth Stefanie Breuer: Die Mitarbeiter sind natürlich grundsätzlich auch Privatpersonen, und damit auch Anleger. Ob gezockt wurde, auf welche Weise und in großem Stil, auch hierzu bedarf es der Aufklärung.

Die Staatsanwaltschaften haben nach Veröffentlichungen der Financial Times nicht gegen Wirecard-Verantwortliche, sondern die Journalisten ermittelt – ein ungewöhnlicher Schritt. Kann man von Behördenversagen sprechen?

Ruth Stefanie Breuer: Hier gilt das Gleiche wie für die BaFin. Die Hintergründe sind noch unklar und es bedarf einer Aufklärung.

Wie wirkt sich der Wirecard-Skandal auf das Ansehen des Finanzplatz Deutschland aus?

Ruth Stefanie Breuer: Das hängt natürlich von den Ermittlungen der nächsten Zeit ab und es wird sich zeigen, ob der Finanzplatz Deutschland darunter leidet. Klar ist, dass Skandale dieser Art und Größenordnung nicht spurlos an dem Ansehen vorbeigehen. Durch lückenlose Aufklärung kann hier jedoch vieles kompensiert werden, sodass der Schaden für den gesamten Finanzplatz hoffentlich möglichst gering bleibt.

Frau Breuer, vielen Dank für das Gespräch.

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