Während der Corona-Pandemie war die Insolvenzantragspflicht zeitweise ausgesetzt. Was ändert sich ab Oktober?
Dr. Rainer Eckert: Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde hinsichtlich des Insolvenzgrundes der Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Bei Zahlungsunfähigkeit gilt hingegen ab Oktober wieder eine Antragspflicht. Ist ein Unternehmen also nicht in der Lage, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, so sind die Mitglieder seiner Vertretungsorgane nun zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet und machen sich andernfalls persönlich strafbar. Ansonsten besteht bis Ende des Jahres keine Antragspflicht.
Droht jetzt eine zeitverzögerte Pleitewelle?
Dr. Rainer Eckert: Wir stellen uns tatsächlich auf eine Insolvenzwelle ein. Aufgrund der immensen Verluste, die viele Unternehmen während des Lockdowns erlitten haben und noch immer erleiden ist davon auszugehen, dass die zunächst gesunkene Anzahl der Insolvenzanträge bereits mit der teilweisen Wiedereinsetzung der Antragspflicht erheblich steigen wird. Dies ist angesichts der prekären Situation vieler Unternehmen sogar wünschenswert: Wenn dauerhaft zahlungsunfähige Unternehmen am Markt agieren, gefährdet das sämtliche Vertragspartner dieser Unternehmen sowie das Vertrauen der Marktteilnehmer untereinander, da letztlich erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Liquidität potentieller Geschäftspartner entstehen. Es ist daher wichtig, die zahlungsunfähigen Unternehmen zu sanieren oder zu liquidieren und das Problem bei der Wurzel zu packen, anstatt es nur weiter nach hinten zu verschieben.
Wie verläuft ein Insolvenzverfahren üblicherweise?
Dr. Rainer Eckert: Mit der Antragsstellung beginnt das Insolvenzeröffnungsverfahren, in dem das Insolvenzgericht die Zulässigkeit des Antrags und das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes prüft. Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über die zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände auf den Insolvenzverwalter über. Dieser sichert und verwertet das Vermögen und verteilt es an die Insolvenzgläubiger. Oberstes Ziel des Insolvenzverfahrens ist also die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger. Das kann durch Zerschlagung des Unternehmens erfolgen, häufig sind aber auch eine Übertragung oder Sanierung möglich, sodass Unternehmen oft stärker aus der Insolvenz zurückkommen.
Ein Insolvenzverfahren kann für Unternehmen auch die Chance auf einen Neuanfang bedeuten. Wie funktioniert ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung?
Dr. Rainer Eckert: In der Tat muss ein Insolvenzverfahren keinesfalls das Ende für ein Unternehmen bedeuten. In der Eigenverwaltung verwaltet der Schuldner die Insolvenzmasse selbst unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters. Die Verfügungsgewalt geht hier nicht auf einen Insolvenzverwalter über, sondern verbleibt beim Schuldner. Der Unternehmer muss das Zepter also nicht aus der Hand geben, sondern kann das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Sachwalter sanieren.
Welche Mittel stehen einem Insolvenzverwalter zur Verfügung, um die Existenz eines Unternehmens zu sichern?
Dr. Rainer Eckert: Die Sanierung erfolgt üblicherweise im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens. In Abstimmung mit den Gläubigern wird ein Insolvenzplan aufgestellt, um eine individuelle und für alle Beteiligten vorteilhafte Lösung zu erzielen und eine planmäßige Sanierung des schuldnerischen Unternehmens zu gewährleisten. Je nach Einzelfall erfolgt meist eine operative Umstrukturierung des Unternehmens, damit dieses langfristig weiterbestehen kann. Ferner bestehen nicht unwesentliche Vorteile gegenüber einer außerinsolvenzlichen Sanierung: Beispielsweise können unvorteilhafte Dauerschuldverhältnisse durch den Insolvenzverwalter unproblematisch beendet werden, da ihm diesbezüglich ein Wahlrecht zusteht.