Tobias Gußmann: Banken sehen sich massenhaft mit Rückforderungsansprüchen konfrontiert

Tobias Gußmann ist Geschäftsführer GBK RECHTSANWÄLTE FACHANWÄLTE – Gussmann & Böhner GbR. Mit ihm sprechen wir über Zahlung von zu hohen Gebühren, rechtswirksame Kündigungen sowie finanzielle Schieflage einiger Banken.

Der BGH hat im April entschieden, dass Banken immer bei Änderung der AGB eine Zustimmung der Kunden einholen müssen. Welche Auswirkungen hat das Urteil bzgl. der Kontoführungsgebühren?

Tobias Gußmann: Mit Urteil vom 27.04.2021 (Az. XI ZR 26/20) hat der BGH entschieden, dass Banken bei Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Zustimmung des Kunden einholen müssen. Bisher haben die Banken bei bevorstehenden Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen diese spätestens zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten ihren Kunden angekündigt. Dabei wurde die Zustimmung des Kunden fingiert, sofern dieser nicht vor Wirksamwerden der Änderung widersprochen hat. Diese Vorgehensweise ist vom BGH nun als unwirksam angesehen worden. Für Bankkunden bedeutet das, dass die Gebühren rechtswidrig erhöht wurden, mithin also zu viel gezahlt wurde. Diese überhöhten Gebühren können Bankkunden nun gegenüber ihrer Bank wenigstens für die letzten drei Jahre, mithin also für die Jahre 2018 – 2021 zurückfordern.

Können sich jetzt alle Bankkunden über niedrigere Gebühren freuen?

Tobias Gußmann: Grundsätzlich binden Urteile nur die am Rechtsstreit beteiligten Parteien, so dass sich die Entscheidung des BGH zunächst auf den dort konkret entschiedenen Einzelfall erstreckt. Allerdings hat das Urteil vorliegend Signalwirkung für die Bankenbranche. Weiterhin ist zu berücksichtigten, dass es sich bei den bisherigen Gebührenerhöhungen der Banken um eine gängige Vorgehensweise handelte, mithin also viele Banken vergleichbare und ähnliche Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet haben, so dass eine Vielzahl von Bankkunden betroffen sein dürften. Ob dies tatsächlich der Fall ist, richtet sich jedoch nach den Umständen des Einzelfalles.

Was können Verbraucher und Unternehmer tun, die in der Vergangenheit zu hohe Gebühren gezahlt haben?

Tobias Gußmann: Eine Durchsicht der Bankunterlagen, insbesondere des Preis-/Leistungsverzeichnisses der Bank bei Abschluss des Kontovertrags sowie weiterer Schreiben mit der Ankündigung, dass sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert haben bzw. ändern sollen kann Klarheit schaffen, ob ein Anspruch auf Rückforderung des zu Unrecht gezahlten Betrags erfolgsversprechend ist. Im Zweifel ist es ratsam, sich an einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht zu wenden. Kanzleien wie beispielsweise die GBK LEGAL FACHANWALTSKANZLEI bieten für betroffene Bankkunden diesbezüglich eine kostenlose Ersteinschätzung an https://gbklegal.de/bankgebuehren/.

Einige Banken reagieren auf Klagen mit Kontokündigungen. Sind diese Kündigungen rechtswirksam?

Tobias Gußmann: Laut Medienberichten soll eine Sparkasse mehreren Kunden gekündigt haben, die unter Berufung auf das Urteil des BGH die Rückforderung ihrer zu viel entrichteten Beiträge verlangten. Ob dies der einzige Kündigungsgrund war, ist unklar. Allerdings dürfte ein solches Vorgehen in den meisten Fällen tatsächlich rechtswidrig sein. Zwar stehen auch Banken und Sparkassen bestimmte Kündigungsgründe zur Verfügung, wenn ihnen beispielsweise die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu den bisherigen Preisen unzumutbar ist. Dies dürfte jedoch eher die Ausnahme darstellen. Denn Sparkassen sind als Anstalten des öffentlichen Rechts dem Gesetz unterworfen und haben daher – im Vergleich zu Privatbanken – nur ein eingeschränktes Kündigungsrecht. Und auch bei den übrigen Banken dürfte der Kündigung ein Hindernis entgegenstehen: Nämlich die (unwirksamen) Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die Finanzlobby hat gegenüber der Bundesregierung beklagt, dass den Banken hohe Belastungen drohen. Ist das Wolfsgejammer oder eine berechtigte Sorge?

Tobias Gußmann: Einige Banken bieten seit Langem kostenlose Girokonten an, was verdeutlicht, dass auch kostenfreie Kontomodelle für Banken in gewissem Umfang grundsätzlich finanzierbar sind. Natürlich ist die Erhebung von Gebühren nichts Verwerfliches und trägt zur Aufrechterhaltung der Bankenbranche bei. Allerdings stellt sich hier die Frage, weshalb die Banken nicht schlichtweg die Zustimmung zu den Gebührenerhöhungen bei ihren Kunden eingeholt haben und das Problem so umgangen haben. Ausweislich des Urteils des BGH ist ja nicht per se die Erhöhung der Gebühren rechtswidrig, sondern vielmehr die „heimliche Erhöhung“ ohne explizite Zustimmung des Kunden, also lediglich die Art und Weise. Aus unserer Sicht ist die Sorge vor einer künftigen hohen Belastung der Banken daher nur bedingt berechtigt.

Können einige Banken durch das BGH-Urteil tatsächlich in finanzielle Schieflage geraten?

Tobias Gußmann: Selbstverständlich sehen sich die Banken nun massenhaft mit Rückforderungsansprüchen konfrontiert. Darüber hinaus ist derzeit noch nicht abschließend geklärt, ob die zu viel entrichteten Beiträge lediglich für die letzten drei Jahre oder aber gar im Rahmen der Höchstverjährungsfrist, d.h. für die letzten 10 Jahre zurückgefordert werden können. Je nach Einzelfall können Bankkunden daher mit mehreren hundert bis sogar tausend Euro an Erstattung rechnen. In der Summe kann dies unter Umständen die ein oder andere finanziell schwache Bank tatsächlich etwas in Schieflage bringen. Für einen Großteil der Banken dürfte das Urteil aber keine existenzbedrohlichen Dimensionen einnehmen.

Herr Gußmann, vielen Dank für das Gespräch!