Verkehrsrechtsschutz aufgrund quotaler Haftung sinnvoll – Philipp Lange

Interview mit Philipp Lange
Rechtsanwalt Philipp Lange ist Fachanwalt für Verkehrsrecht der Kanzlei LANGE ADVOKATUR. Im Interview spricht er über die Anfälligkeit von mobilen Blitzern und warum der neue Bußgeldkatalog nicht angewendet werden durfte.

Das Verkehrsrecht als Teil des Verkehrswesens umfasst die Bereiche „öffentliches Recht“ und „Privatrecht“. Als Anwalt für Verkehrsrecht beschäftigt man sich aber vor allem mit „Verkehrssündern“, oder ist das ein Vorurteil?

Philipp Lange: Das ist ein Vorurteil. Das Verkehrsrecht reicht vom Verkehrsverwaltungsrecht – z. B. Führerscheinsachen – über das Verkehrsunfallrecht bis hin zum Verkehrsstraf- und Bußgeldrecht. Nur bei Strafsachen oder Ordnungswidrigkeiten wird man es mit „Verkehrssündern“ zu tun haben – vorausgesetzt, diese werden auch verurteilt. Wer unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, Ärger bei dem Autokauf hat oder aufgrund einer Erkrankung von der Fahrerlaubnisbehörde als zum Fahren von Kraftfahrzeugen als ungeeignet verdächtigt wird, braucht professionelle Hilfe vom Fachanwalt für Verkehrsrecht. Diese Leute sind selten „Verkehrssünder“.

Der Bußgeldkatalog wurde im April dieses Jahres erst verschärft, dann aber wie entschärft. Gab es plötzlich zu viele Vergehen und zu viel bürokratischen Aufwand, oder was war der Grund?

Philipp Lange: Der Bußgeldkatalog wurde nicht entschärft. Es wurde nur durch die Justizverwaltungen der Länder bzw. die Innenministerien entschieden, dass die verschärften Regelungen teilweise nicht angewandt werden, weil dem Gesetzgeber bzw. Ministerium im Verfahren formelle Fehler unterlaufen sind. Dies führte dazu, dass einige Verschärfungen wie z. B. erhöhte Bußgelder bei Geschwindigkeitsüberschreitungen oder das Verhängen von Fahrverboten bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 21 km/h nicht wirksam durch die Verordnung eingeführt worden waren. Deswegen durften die strengeren Regeln nicht angewandt werden.

Ist es erlaubt, dass ich als Unfallverursacher dem Unfallgegner einen Zettel an die Scheibe hänge, wenn dieser nicht auffindbar ist?

Philipp Lange: Das ist zwar nicht verboten, aber jedenfalls nicht ratsam so zu verfahren. Denn wenn ich „nur“ einen Zettel an das beschädigte Fahrzeug stecke, droht mir die Gefahr, dass der Geschädigte den Zettel nicht findet und dann nicht weiß, an wen er sich zur Regulierung des Schadens halten muss. In dem Fall droht eine Verurteilung wegen Fahrerflucht nach § 142 StGB – weil ein Zettel eben nicht ausreicht, um den Geschädigten ausreichend zu informieren. Er kann ausreichen – aber das Risiko ist deutlich auf Seiten des Unfallverursachers. Sicherer ist hier zu warten bzw. die Polizei hinzuzuziehen.

Kann ich die Aufnahmen meiner „Dashcam“ (Cockpit-Kamera) als Beweis anführen, wenn es z. B. um die Schuldfrage bei einem Unfall geht?

Philipp Lange: Ja, das kann ich machen. Ob die Dashcam-Aufnahme im Prozess anerkannt wird, obliegt der Entscheidung des Gerichts. Eine überwiegende Anzahl von Gerichten bejahen das.

Wenn ich keine Rechtsschutz-Versicherung habe, muss ich dann einen Anwalt bezahlen, auch wenn ich Geschädigter bin, oder zahlt das die gegnerische Versicherung?

Philipp Lange: Wer die Musik bestellt, bezahlt sie. Das gilt auch bei einem Auftrag an den Rechtsanwalt: wenn der Geschädigte einen Unfall hatte und einen Rechtsanwalt zu Rate zieht, der ihn berät und vertritt, muss als Geschädigter natürlich die Kosten hierfür aufbringen. Hat der Geschädigte den Unfall nicht verursacht und muss der Versicherer des Schädigers dem Grunde nach für den Unfall einstehen, bekommt der Geschädigte in der Regel die Kosten aber erstattet. Wenn aber z. B. zwischen den Unfallbeteiligten eine quotale Haftung besteht (also z. B. 50/50 oder 70/30), wird der Versicherer die Anwaltskosten nicht vollständig übernehmen. Um das Risiko damit abzufedern, ist der Abschluss einer Verkehrsrechtsschutzversicherung sinnvoll.

Lohnt es sich, ein „Blitzerfoto“ anzuzweifeln und gegen den Bescheid von der Bußgeldstelle vorzugehen?

Philipp Lange: Messungen im Straßenverkehr sind fehleranfällig. Das gilt insbesondere für Messungen mit mobilen Messgeräten, da sie ständig auf- und abgebaut werden müssen. Hier können viele Fehler passieren, die ich auf den ersten Blick beim Ansehen des Messbildes nicht erkenne. Diese Fehler verrät mir erst die Bußgeldakte.

Wenn ich acht Punkte in Flensburg angesammelt habe, verliere ich dann sofort meine Fahrerlaubnis? Für wie lange, und wie kann ich diese zurückbekommen?

Philipp Lange: Wer im Fahreignungsregister (FAER – früher VZR) in Flensburg 8 Punkte gesammelt hat, wird als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen. Die zuständige Verwaltungsbehörde muss dann einschreiten und der betroffenen Person die Fahrerlaubnis nach einer pro forma Anhörung entziehen. Wenn die 8 Punkte richtig berechnet sind, hat der Betroffene hier keine großen Chancen, sich gegen die Entziehung zu wehren. Zwischen Kenntnis der Behörde, Anhörung und Entziehung liegen im Schnitt 3-4 Wochen. Mit Entziehung der Fahrerlaubnis darf ich sofort nicht mehr fahren. Ich kann die Erlaubnis zurückerhalten, in dem ich einen Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis stelle. Die Behörde muss aber 6 Monate zwischen bestandskräftiger Entziehung und Erteilung der „neuen“ Fahrerlaubnis warten. Die Erteilung der Fahrerlaubnis ist also für mindestens 6 Monate gesperrt

Herr Lange, vielen Dank für das Gespräch.

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