Wiebke Rodewald: Unterlassungserklärung zugunsten des Abgemahnten modifizieren

Interview mit Wiebke Rodewald
Wir sprechen mit Rechtsanwältin Wiebke Rodewald, Fachanwältin für IT-Recht und Wirtschaftsmediatorin (IHK) in Berlin, wie man auf Abmahnungen reagieren sollte.

Massenabmahnungen sorgen immer wieder für Aufsehen und Ärger bei den Betroffenen. Was sollten Unternehmen und Privatpersonen unternehmen, wenn eine Abmahnung im Briefkasten liegt?

Wiebke Rodewald: Ich habe es ganz häufig erlebt, dass Betroffene die Abmahnung für Spam halten, selbst wenn sie per Post kommt und einfach ignorieren. Davon ist auf jeden Fall abzuraten, selbst wenn man das Vorbringen für völlig absurd hält, denn dann riskiert man den Erhalt einer einstweiligen Verfügung sowie ein Klageverfahren und weitere Kosten entstehen. Jede Abmahnung, vor allem wenn sie per Post eintrifft, muss ernst genommen und auf jeden Fall eingehend geprüft werden. Auch wenn derjenige, an den die Abmahnung gerichtet ist, keinen Schimmer von den Vorwürfen hat, kann doch eine andere Person des Haushalts oder des Unternehmens durchaus wissen, um was es sich da handeln könnte. Sollte nach dieser eingehenden Prüfung des zugrundeliegenden Sachverhalts die Auffassung bestehen, dass die Abmahnung haltlos ist, so empfehle ich auf jeden Fall anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die Ansprüche auf Unterlassung und häufig auch auf Schadensersatz abzuwehren. Sollten die Betroffenen zu der Auffassung gelangen, dass doch etwas an der Abmahnung dran sein könnte, empfehle ich ebenfalls, die Abmahnung anwaltlich prüfen zu lassen und nicht ungeprüft die geforderte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen bzw. den geforderten Betrag zu bezahlen, denn oft ist die Abmahnung zu weit gefasst und sollte modifiziert werden und auch der geforderte Schadensersatz ist häufig viel zu hoch bemessen. Auch muss vor Unterzeichnung der Unterlassungserklärung dafür gesorgt werden, dass der Grund, der für die Abmahnung gesorgt hat, in Zukunft auf keinen Fall mehr eintreten kann, denn mit der Unterlassungserklärung verpflichtet sich der Betroffene die abgemahnte Handlung nicht wieder zu begehen und andernfalls für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung einen nicht unerheblichen Betrag an den Abmahnenden zu bezahlen.

Welche sind die häufigsten Fälle aus denen abgemahnt wird?

Wiebke Rodewald: Unternehmen werden sehr häufig aufgrund ihres Internetauftritts abgemahnt. So werden gerne Verstöße mit Bezug auf das Widerrufsrecht, aufgrund einer fehlenden oder falschen Datenschutzerklärung, falsche Produktkennzeichnungen, unzulässige AGB-Klauseln, fehlende Versandangaben, fehlerhafte oder fehlende Angaben zur OS-Plattform, aber auch Markenrechtsverletzungen und andere Urheberrechtsverletzungen (Verwendung fremder Fotos, kopieren von Texten etc.) abgemahnt. Dann gibt es jedenfalls in meiner Praxis viele Abmahnungen aufgrund der Versendung von unerwünschten Werbemails, bei denen der Empfänger in den Erhalt solcher Werbemails vorher nicht eingewilligt hat und sich gegen die Überschwemmung mit solchen Werbemails zur Wehr setzt. Darüber hinaus gibt es immer noch viele Abmahnung aufgrund von illegalem Filesharing, also das direkte Weitergeben von Dateien zwischen Benutzern des Internets meistens über Filesharing-Netzwerke, wie z.B. Bittorent. Hier mahnen häufig Musik- bzw. Videoverlage die illegale Weiterverbreitung ihrer Werke ab. Weitere häufige Abmahnungen, von denen nicht nur Gewerbetreibende sondern auch Privatpersonen betroffen sind, erfolgen aufgrund einer nicht genehmigten Verwendung fremder Fotos im Internet oder auf Social Media Plattformen.

Lassen sich ungerechtfertigte Massenschreiben auf Anhieb identifizieren oder ist immer anwaltlicher Rat notwendig?

Wiebke Rodewald: Wenn eine als „Abmahnung“ getarnte Mail eintrifft, handelt es sich häufig um Spam, also der Versuch einer Abzocke. Wenn man diese Mail ganz genau unter die Lupe nimmt, erkennt man häufig an dem Header, dass die Mail nicht von dem angeblichen Absender, sondern von einer dubiosen Adresse stammt. Der Text ist sehr allgemeingültig abgefasst und oft enthält er auch viele Rechtschreibfehler, vermutlich aufgrund der Verwendung eines schlechten Übersetzungsprogramms. Wenn man nach dem angeblichen Absender sucht, gibt es diesen häufig gar nicht. Ich habe es aber auch schon erlebt, dass es die Kanzlei tatsächlich gab, die Massenabmahnungen aber nicht von ihr stammten und sie sich dann öffentlich davon distanziert hat. Um eine solche Spam-Mail zu identifizieren, benötigt man meiner Meinung nach in der Regel keine anwaltliche Hilfe.

Ist es notwendig bei ungerechtfertigten Abmahnschreiben zu handeln?

Wiebke Rodewald: Wenn die Betroffenen sog. „Spam“ ausschließen können, sollten sie auf die Abmahnung, auch wenn sie ungerechtfertigt ist, auf jeden Fall reagieren. Meiner Erfahrung nach bringen Abmahnvereine bzw. -kanzleien Abmahnungen, auf die nicht reagiert wird, sehr viel häufiger vor Gericht, etwa im Wege einer einstweiligen Verfügung bzw. per Mahn- oder Klageverfahren, als wenn sie bereits nach Erhalt durch einen Anwalt mit der richtigen Begründung zurückgewiesen werden.

Wie sollte vorgegangen werden, wenn der Grund der Abmahnung korrekt ist? Wer trägt in diesen Fällen die Kosten?

Wiebke Rodewald: Sollte die Abmahnung korrekt sein, so sollte sie samt Unterlassungserklärung und Forderung nicht einfach ungeprüft hingenommen werden. Häufig kann die Unterlassungserklärung zugunsten des Abgemahnten noch modifiziert und können die Kosten erheblich reduziert werden. Außerdem muss der Grund für die Abmahnung vor Abgabe einer Unterlassungserklärung beseitigt werden. Das heißt, es müssen z.B. die Widerrufsbelehrung, die AGB oder die Datenschutzerklärung überarbeitet werden, bevor die Unterlassungserklärung abgegeben wird. Daher sollte ein Rechtsanwalt / eine Rechtsanwältin zu Rate gezogen werden, der/die sich mit diesem Thema auskennt. Die Anwaltskosten sind von dem Abgemahnten zu tragen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass eine zu weit gefasste Unterlassungserklärung bzw. eine falsche Umsetzung des abgemahnten Sachverhalts sehr viel höhere Kosten verursachen kann, als die Rechtsanwaltsgebührenrechnung.

Wie lassen sich die typischen Abmahngründe im Vorfeld vermeiden?

Wiebke Rodewald: Onlinehändler und Unternehmen, die eine Homepage haben bzw. über Ebay oder Etsy oder andere Portale Waren vertreiben oder Dienstleistungen anbieten, sollten darauf achten, dass sie die gesetzlichen Vorgaben an einen rechtskonformen Auftritt im Internet einhalten, also z.B. ein korrektes Impressum und entsprechende Datenschutzerklärung, wirksame und vollständige AGB und, falls ihre Kunden auch Verbraucher sind, eine korrekte Widerrufsbelehrung vorweisen können. Da sich die gesetzlichen Anforderungen immer wieder ändern, müssen sie auch dafür sorgen, immer wieder Anpassungen des Internetauftritts vorzunehmen. Da jeder Shop, jede Dienstleistung, jeder Internetauftritt individuell unterschiedlich ist, ist dringend davon abzuraten, die notwendigen Unterlagen von anderen Webseiten zu kopieren. Dies birgt eine hohe Abmahngefahr. Vielmehr empfehle ich, einen entsprechenden Web Check mit rechtssicherer Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben durch eine spezialisierte Rechtsanwältin bzw. einen spezialisierten Rechtsanwalt vornehmen zu lassen. Darüber hinaus können Urheberrechtsverletzungen dadurch vermieden werden, dass vor Nutzung eines Fotos, einer Grafik, eines Schriftzuges oder eines Textes die Einwilligung des Urhebers eingeholt wird bzw. bei lizenzfreier Nutzung die korrekte Urheberrechtsbezeichnung angebracht wird.

Frau Rechtsanwältin Rodewald, vielen Dank für das Gespräch.

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