Wir leben in erster Linie von der Krise – Robert Buchalik

Interview mit Robert Buchalik
Robert Buchalik ist Partner der Buchalik Brömmekamp Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Im Interview spricht er über krisenbedingte Veränderungen im Risikomanagement.

Corona konnte keiner voraussehen“ – tatsächlich nicht? Seit 2009 gibt es eine ISO-Norm für Risikomanagement (31000). Waren Sie auf die Krise ausreichend vorbereitet?

Robert Buchalik: Diese ISO-Norm ist sehr allgemein gefasst und für Kapitalgesellschaften nicht verpflichtend. Es gibt zwar gesetzliche Vorschriften (z.B. § 91 Abs.2 AktG oder §317 Abs.4 AktG bei börsennotierten Gesellschaften), die dezidiert auf ein Risikomanagement verweisen. Eine Verpflichtung, sich mit den Folgen einer so nicht vorhersehbaren Pandemie zu beschäftigen, sehe ich nicht. Bestandsgefährdende Risiken, um die es dabei geht, betreffen allgemeine und vorhersehbare wirtschaftliche und politische  Risiken, z.B. bei politischen Eingriffen wie neuen Abgasvorschriften, die sich auf den Absatz der Fahrzeuge auswirken könnten. Der Gesetzgeber hat auf eine ausdrückliche Regelung, wie das Risikomanagement auszugestalten ist, verzichtet. Faktische Verpflichtungen können sich aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes ergeben. Die Vorhersehbarkeit von Corona gehört sicher nicht dazu. Möglicherweise ergibt sich aber für die Zukunft eine andere Einschätzung, weil Corona vermutlich nicht die letzte Pandemie ist.

Wie hat sich die Marktlage in Ihrer Branche durch die Corona-Krise verändert?

Robert Buchalik: Wir beraten Unternehmen in der Krise und Insolvenznähe und führen Unternehmen durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Wir sind aber keine Insolvenzverwalter. Durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei zahlungsunfähigen Unternehmen sind die Insolvenzen bei kleinen und mittleren Unternehmen stark zurückgegangen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies einige Insolvenzverwalter in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hat. Mit dem Auslaufen der Aussetzung zum 31.09.20 wird sich das Bild vermutlich drastisch verändern.

Krisen- und Risikomanagement wird in Unternehmen oft nachrangig behandelt. Welche internen und externen Risikofaktoren haben Sie für Ihr Unternehmen / Ihre Branche besonders im Blick?

Robert Buchalik: Unser Geschäftsmodell besteht in der Beratung von Unternehmen, die sich in existenziellen Schwierigkeiten befinden. Wir leben in erster Linie von der Krise, aber auch von neuen marktlichen Entwicklungen, auf die es sich rechtzeitig einzustellen gilt. Unser Unternehmen gehört zu den ersten, die 2012 die Chancen einer Sanierung in Eigenverwaltung erkannt haben. Wir hatten uns frühzeitig und im Gegensatz zu den meisten Wettbewerbern darauf vorbereitet. Deshalb haben wir auch trotz bis zur Corona-Krise allgemein hervorragender wirtschaftlicher Lage keine Einbrüche erlebt. Die Eigenverwaltung wird zumindest teilweise durch den anstehenden präventiven Restrukturierungsrahmen ersetzt, einem außerinsolvenzlichen Sanierungsverfahren nach den Vorgaben einer EU- Richtlinie. Auch hierauf bereiten wir uns intensiv vor. Selbstverständlich halten wir immer die Augen offen, ob und inwieweit sich der Markt verändert oder neue gesetzliche Vorschriften unseren Markt betreffend, anstehen. Dazu gehört ein intensives Marketing und die optimale Nutzung und Pflege von (sozialen und eigenen) Netzwerken. Aufträge werden heute in unserer Branche nicht mehr über den Zaun geworfen, sondern bedürfen intensiver Vorarbeit.

Krisen offenbaren oft Schwächen im Unternehmen, die im Tagesgeschäft unbemerkt übergangen werden, wenn das Business „läuft“. Inwiefern haben Sie die Ausrichtung und Arbeitsweise Ihres Unternehmens während einer Krise angepasst?

Robert Buchalik: Natürlich mussten wir uns vor den Gefahren des Virus schützen. Dazu zählte und zählt intensives Homeoffice, sofortige Meldepflichten, wenig Kontakte derjenigen, die sich im Büro befinden, Hygienemaßnahmen und vieles mehr. Bislang haben wir aber keinerlei Beeinträchtigungen zu verzeichnen. Ein oder mehrere Corona-Fälle würden allerdings wegen der Vorsorgemaßnahmen die Abläufe kaum beeinträchtigen. Es sind maximal 20% der Mitarbeiter im Büro und diese haben zudem geringe unmittelbare Kontakte zueinander. Das liegt auch daran, dass mindestens 40 % unserer Mitarbeiter beim Kunden tätig sind.

Leiden in Ihrem Unternehmen aufgrund der Krise andere Themen wie z.B. Umweltschutz, Nachhaltigkeit oder die Produktqualität?

Robert Buchalik: Nein, wir stellen keine Beeinträchtigungen fest. Die modernen Vernetzungsmöglichkeiten wie Zoom oder Teams stellen sicher, dass die täglichen Kontakte eher zu als abnehmen. In vielen Bereichen steigt sogar die Effizienz

Welche Erkenntnisse haben Sie aus der Corona-Krise gewonnen?

Robert Buchalik: Homeoffice ist sicher einer Alternative, aber auch keine Dauerlösung. Unmittelbare soziale Kontakte im Unternehmen, die die Unternehmenskultur prägen, nehmen stark ab. Vielen Mitarbeitern fehlt hier etwas. Auch Karrieremöglichkeiten dürften sich ohne den täglichen persönlichen Kontakt im Gespräch mit Kollegen und Vorgesetzten reduzieren. In Zukunft wird man einen vernünftigen Mittelweg finden müssen. Dazu zählen verstärkt interne soziale Veranstaltungen, wie Teambesprechungen oder ganztägige Mitarbeiter-Events bis in den Freizeitbereich hinein. Das ist in diesem Jahr zum ersten Mal seit Bestehen unseres Unternehmens ausgefallen.

Welche Ratschläge möchten Sie gerade Startups zum Thema „Krisen-Prävention“ mit auf den Weg geben?

Robert Buchalik: Ein intensives internes Controlling und ein ausgeprägtes Marketing sind der Schlüssel zum Erfolg. Die „lange Leine“ sollte gerade bei Startups erst dann greifen, wenn sicher ist, dass es läuft. Trotzdem sollten die Freiräume zur Entfaltung für die Mitarbeiter möglichst groß sein. Der Chef sollte sich intensiv einbringen, auf eine gute interne und externe Kommunikation achten und für die Belange seiner Mitarbeiter immer da sein.

Herr Buchalik, vielen Dank für das Gespräch.

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