„Jedes Kohlekraftwerk führt zu milliardenhohen Schäden“ – Jörg Weber, Chefredakteur Ecoreporter.de

Interview mit Jörg Weber
Jörg Weber, Journalist und Volljurist, ist Chefredakteur von ECOreporter.de. Im Interview spricht er über die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung und die Schäden fossiler Energieherstellung.

Windkraftanlagen haben 2019 einen Anteil von mehr als 21 Prozent zur Gesamtstromerzeugung beigetragen. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien?

Jörg Weber: In der Coronakrise ist der Stromverbrauch in Deutschland etwas gesunken, der Anteil der Erneuerbaren Energien leicht gestiegen. Paradoxerweise wird sich dadurch die sogenannte EEG-Umlage erhöhen. Das beruht auf einem komplizierten Verfahren, das ziemlich absurd ist: Je niedriger der Börsenstrompreis ist, desto mehr müssen wir Verbraucher im Ergebnis für den Strom zahlen. Dabei ist Windstrom in der Herstellung ja billig, rund 7 Cent pro Kilowattstunde. Die Stromversorger berechnen uns für den Strom aber rund 30 Cent.

Der Bundestag hat den umstrittenen Mindestabstand von 1.000 Metern von Wohngebäuden gesetzlich festgelegt. Was bedeutet diese Entscheidung für die Windkraftbranche?

Jörg Weber: Das muss man abwarten. Letztlich ist aber wohl jede Entscheidung insofern gut, als sie dann überhaupt einmal getroffen ist. Lieber eine nicht optimale Entscheidung als noch mehr Zeit in der Warteschleife hängen.

Die Bundesländer dürfen von der 1.000 Meter-Regelung abweichen. Erwarten Sie, dass sich eine „Koalition der Willigen“ bilden wird, die windkraftfreundlichere Regeln durchsetzt?

Jörg Weber: Natürlich wäre das sinnvoll. Bei der Energiepolitik sind Sinn und das, was für das Klima und künftige Generationen wichtig ist, aber nicht die bedeutendsten Faktoren. In der Windindustrie sind in den letzten Jahren mehr Arbeitsplätze verloren gegangen als es überhaupt noch in der deutschen Kohlebranche gibt. Deutschland war einmal Weltmarktführer in der Windindustrie. Aber immer noch bestimmt eine Clique von Freunden der fossilen Energie die öffentliche Diskussion und die politische Marschroute. Da finde ich es sehr interessant, wenn nun deutsche Bergleute darauf hinweisen, dass wir mittlerweile Kohle aus Südamerika über den Atlantik heranschaffen, um hier unsere Kohlekraftwerke zu befeuern. Und wichtig, dass unsere Bergleute zeigen: Diese Kohle wird teilweise unter unwürdigen Bedingungen abgebaut. Da tun sich interessante neue Koalitionen auf, und es wäre schön, wenn klar würde: Ja, windkraftfreundlichere Regeln führen zu neuen Arbeitsplätzen in Deutschland. Und sie verringern unsere Abhängigkeit von Rohstoffimporten aus teilweise politisch instabilen, nicht demokratischen Weltregionen.

Durch das Konjunkturpaket wird die EEG-Umlage in Zukunft gedeckelt. Reicht diese Neuregelung um eine starke, deutsche Windkraftbranche zu erhalten?

Jörg Weber: Nein. Natürlich wäre es schön, die Windkraft hätte viele Politiker und Politikerinnen, die Rückgrat beweisen und dauerhaft fest zu grüner Technologie stehen. Aber vor allem braucht die Windenergie endlich einmal faire Wettbewerbsbedingungen. Und die sind hierzulande nicht gegeben. Jedes Kohlekraftwerk führt durch seine Abgase zu milliardenhohen Schäden in der näheren und weiten Umgebung, bis hin zum Klimawandel, der extreme Folgekosten haben wird. Aber für die Schäden kommen wir als Allgemeinheit auf, nicht die, die vom Betrieb der Kohlekraftwerke profitieren. Wäre es anders, wäre jedes Kohlekraftwerk schon heute unprofitabel.

Welche Änderungen an der aktuellen Gesetzlage wären notwendig, um die geplante Energiewende bis 2030 zu realisieren?

Jörg Weber: Die CO2-Steuer sehr deutlich erhöhen und auf die Luftfahrt ausdehnen, Abgasgrenzwerte für Fahrzeuge, auch LKW, spürbar verschärfen – sauberere Luft, langfristig weniger Atemwegserkrankungen wären die Folge. Steuererleichterungen für die Anschaffung neuer, umweltfreundlicher Heizungen in Häusern. Entfernungspauschalen für die Fahrt zur Arbeit mit Rad sollten höher werden als die für die Fahrt mit dem Auto. Subventionen für die Umstellung auf Erneuerbare Energie und Wasserstofftechnik nur da, wo es absolut notwendig ist, beispielsweise in energieintensiven Branchen wie der Aluminiumindustrie.

Sinnvoll wäre es natürlich, die deutsche Wirtschafts- und Forschungspolitik würde den Bereich Energiespeicherung mit Forschungsgeldern unterstützen. Zukunftstechnologie, sauber, neue Arbeitsplätze – braucht es noch mehr Argumente? Auch die Elektromobilität würde davon profitieren. In der speichertechnologie ziehen andere Nationen vorbei, weil unsere Spitzenpolitiker immens viel Zeit mit Lobbyisten von rückwärtsgewandten Technolgoien verbringen.

Gibt es Möglichkeiten für private Kapitalanleger sich an Windkraftprojekten zu beteiligen?

Jörg Weber: Leider nur noch selten. Es gibt noch Bürgerwindprojekte, aber nur vereinzelt. 

Welche Chancen und Risiken sind mit solchen Investments verbunden?

Jörg Weber: Die Chance auf stetige Erträge, wenn die Projekte solide gerechnet sind. Risiken ergebensich vor allem dann, wenn die Projekte in der Startphase sind, die Genehmigungen noch nicht vorliegen, die Bauphase noch nicht begonnnen hat: Hier kann es zu eklatanten Verzögerngen kommen, und dann wird es schwierig.

Herr Weber, vielen Dank für das Gespräch.

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