Nachhaltigkeitsleistung quantifizierbar machen – Thomas Reich (apetito)

Interview mit Thomas Reich
Thomas Reich ist Nachhaltigkeitsmanager bei der apetito AG. Im Interview spricht er über nachhaltiges Wirtschaften und den Umbruch in der Lebensmittelindustrie

Die Forderung, nachhaltig zu wirtschaften, wird in der Bevölkerung immer lauter. Warum ist das so?

Thomas Reich: Die Bevölkerung erlebt das Thema ständig in ihrem Alltag, es wird greifbarer: Seien es die Dürre- und Hitzewellen der letzten Jahre oder aktuell in Corona-Zeiten. Und gerade in Krisenzeiten geben echte Werte – und das sind die Nachhaltigkeitsthemen, egal ob ökonomisch, ökologisch oder sozial – der Gesellschaft Sicherheit, um den Blick weiter nach vorne zu richten.

apetito ist ein Familienunternehmen und das bestimmt unsere Werte. Als Ernährungsspezialist, der „Gute Ernährung für jeden“ bietet, ist Nachhaltigkeit seit jeher fest in unserer Unternehmensstrategie verankert. Wir sind der Überzeugung, dass wirtschaftlicher Erfolg dauerhaft nur durch die gleichzeitige Übernahme von Verantwortung für Mensch und Natur möglich ist.

Welche Folgen würde ein solches nachhaltiges Wirtschaften haben?

Thomas Reich: Für apetito bedeutet nachhaltiges Wirtschaften, Verantwortung zu übernehmen – sowohl auf Unternehmens- als auch auf Produktebene. Nachhaltiges Wirtschaften ist für uns ein mittel- bis langfristiger Lernprozess, der einen offenen Dialog mit unseren Anspruchsgruppen voraussetzt.

Für Unternehmen gilt es, mithilfe nationaler und internationaler Standards einen Rahmen zu bilden. Die eigene Wertschöpfungskette muss noch intensiver durchleuchtet werden – zum einen, um festzustellen, wo das Unternehmen als wirtschaftlicher Akteur noch nachhaltiger werden kann, zum anderen, um die eigene Nachhaltigkeitsleistung im Sinne des Transparenzgedankens quantifizierbar zu machen.

apetito orientiert sich beispielsweise an den Prinzipien des UN Global Compact sowie dem GRI Standard. Unsere Nachhaltigkeitsstrategie unterstützt die in 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Sustainable Development Goals (UN SDGs), unser Nachhaltigkeitsmanagement ist nach dem ZNU-Standard zertifiziert. Mit unserem Ansatz des nachhaltigen Wirtschaftens leisten wir insofern aktiv einen messbaren Beitrag in den für uns als wesentlich definierten Handlungsfeldern.

Doch auch der Verbraucher muss sich anpassen und sein Konsumverhalten ändern. Schließlich lenkt er mit seinen Kaufentscheidungen das Angebot; er nimmt mit jedem Kauf Einfluss darauf, in welchem Maße Ressourcen und Energie verwendet und unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt werden. Nachhaltiges Wirtschaften wird also auch davon bestimmt, ob die Konsumenten nachhaltige Produkte nachfragen und bereit sind, dafür im Zweifelsfall mehr auszugeben.

Stehen Nachhaltigkeit und Standortwettbewerb im Widerspruch?

Thomas Reich: Im Gegenteil: Nachhaltig profitables Wachstum, Investitionen in die Standorte und der kontinuierliche Werteerhalt sichern unsere Zukunft.

Deutschland soll klimaneutral werden. Was heißt es für die Wirtschaft?

Thomas Reich: Klimaschutz bewegt die Gesellschaft, die Dringlichkeit des Handelns ist nicht mehr wegzudiskutieren. Unternehmen müssen – wollen sie langfristig erfolgreich sein – Lösungen beisteuern, wie sie einen Beitrag leisten, unsere Welt auch für kommende Generationen lebenswert zu erhalten.

Wir bei apetito leben seit Jahren eine aktiv orientierte Umweltpolitik, die alle Unternehmensbereiche und Mitarbeiter mit einbezieht. Unser Umweltmanagement ist damit ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz. Wir setzen auf ein Mehr-Stufen-Programm, um Emissionen zu reduzieren und zu kompensieren. Bereits seit 22 Jahren wird das Umweltmanagement am Standort Rheine gemäß EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) geprüft und zertifiziert. Auch die anderen deutschen Standorte des apetito Konzerns arbeiten systematisch an den ökologischen Verbesserungen. Das belegen die Zertifizierungen nach DIN EN ISO 14001 und DIN EN ISO 50001 (Energiemanagement). Zudem setzt apetito an allen deutschen Standorten 100 % Grünstrom ein.

Was ist Ihr Kernbereich und was sind aktuelle Vorhaben?

Thomas Reich: Im Rahmen der apetito Konzernstrategie haben wir bis 2030 übergreifende Nachhaltigkeitsziele definiert. Für das deutsche Systemgeschäft vereinen wir in sechs Handlungsfeldern rund 30 relevante Nachhaltigkeitsthemen. Unsere Nachhaltigkeitsverantwortlichen aus den verschiedenen Ressorts sind dafür zuständig, die Strategie ins Unternehmen zu tragen sowie klare Ziele und Maßnahmen zu den einzelnen Themen festzulegen und voranzutreiben. Damit wollen wir die Weiterentwicklung fördern und eine transparente Darstellung unseres Handelns sicherstellen.

Unser aktuell wichtigstes Anliegen ist es, unsere Produkte gesünder und nachhaltiger zu gestalten. Bis 2023 haben wir uns als Ziel gesetzt, dass 70 % unserer Produkte für das deutsche Systemgeschäft eine A/B-Bewertung gemäß Nutri-Score erhalten. Gleichzeitig arbeiten wir an der Optimierung unserer Verpackungen – 77 % unserer Verkaufs-Verpackungen sind bereits heute recyclingfähig. Diesen Wert wollen wir noch steigern und haben verschiedene Projekte dazu initiiert. Im Bereich der Mitarbeiter stehen die Reduzierung der Arbeitsunfallquote sowie die weitere Förderung von Chancengleichheit im Fokus unserer Bemühungen. Zudem streben wir am Standort Rheine Klimaneutralität an; dafür reduzieren wir kontinuierlich unsere CO2-Emissionen.

Wie sieht es in der Branche aus?

Thomas Reich: Wir stehen vor einem spürbaren Umbruch. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und das Interesse an nachhaltigen Produkten sind gestiegen. Themen wie natürliche Zutaten, Reduzierung der Lebensmittelverschwendung sowie gesunde und nachhaltige Ernährung als solche beschäftigen den gesellschaftlichen Diskurs. Dabei steht die Ernährungsindustrie als drittgrößte Industriebranche in Deutschland besonders im Zentrum des Interesses.

Es ist insofern ein Umdenken gefragt: War die Branche bislang insbesondere preislich getrieben, so bestimmen nun auch nachhaltige Aspekte unser Handeln. Die Entwicklung ist nicht mehr zu negieren; Unternehmen, die diesen Prozess nicht mitgehen, werden über kurz oder lang nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Ich denke, die Branche hat dies verstanden.

Herr Reich, vielen Dank für das Gespräch.

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