„Wir stehen 24 Stunden, 365 Tage auf einer Bühne“

Interview mit Wolfgang Berkenkamp
Wolfgang Berkenkamp ist Geschäftsführer des Hotel Mondial Berlin. Im Interview spricht der Hotelier über Trends im Gastgewerbe und die Innovationsstärke inhabergeführter Privathotels.

Corona hat den Tourismus in Deutschland zum Erliegen gebracht. Wie geht es Ihrem Haus seit der Lockerung der Gesundheitsmaßnahmen im Zuge der Pandemie?

Wolfgang Berkenkamp: Seit den Lockerungen ist unser Terrassengeschäft merklich angezogen. Dank der teilweise günstigen Witterung wird wieder verzehrt und ebenso gelacht und originelle Fröhlichkeit gezeigt. Allgemein sind wir erleichtert, dass man uns als Gastronomen wieder wahrnimmt und wir versuchen durch öfter wechselnde Speisekarten und Angebote das Interesse der Gäste zu stimulieren. Das angenehme Sommerwetter hat sehr geholfen bislang und wir überlegen wie wir nunmehr den Herbst/Winter derart gestalten können, dass uns die Gäste erhalten bleiben. Die gute bodenständige Küche sowie die Beherztheit der Damen und Herren Mitarbeiter tragen zweifelsohne dazu bei, dass wir wieder ein kleines Licht am Horizont sehen. Ein stetes Achten auf alle Desinfektions-Maßnahmen gehört ebenso dazu in Verantwortung für Personal und Gäste.

Wie ist die Auslastung? Dürfen Sie wieder wie vor der Krise arbeiten?

Wolfgang Berkenkamp: Dieses Jahr, sprich 2020, werden wir vermutlich eine Auslastung haben von ca. 35 % bei einem erhöhten Durchschnittspreis in Höhe von ca. 114 Euro. Das ist zu wenig, um zu sterben und zu wenig, um zu leben. An ein „wie zuvor arbeiten“ ist nicht zu denken. Die derzeitigen erschwerten Arbeitsbedingungen sind belastend für Mitarbeiter wie auch für Gäste. Hinzu kommt, dass diese Arbeitsbedingungen auch sehr kostspielig sowie zusätzlich arbeitsintensiv sind. Eine sogenannte „Corona-Gebühr“ in notwendiger Höhe lässt sich kaum durchsetzen, zumindest nicht kostendeckendend.

Hat sich die Zwangspause auf die Preise im Gastgewerbe ausgewirkt?

Wolfgang Berkenkamp: Die Preise in unserer Gastronomie sind geblieben. Wie sollte der Gastronom diese auch reduzieren können bei dem enormen Desinfektions-Aufwand, weniger Gästen, kurzweiliger Essenszeiten, usw.?  Wir hoffen, dass die zunächst vorläufige Reduzierung der Merhwertsteuer sich in einen Dauerzustand wandeln wird. Dies würde enorm unterstützend sein für die Gastronomie und hier ist sowohl die vorhandene Gastroszene zu nennen, wie denn auch die neu entstehende innovative Gastronomie. DEHOGA, IHA, VisitBerlin und zahlreiche Vereinigungen wie SKAL, HDV, FBMA, die Reise-, Flug- und Busbranche sowie deren Verbände haben famos gekämpft – allen gebührt großen Respekt und Dank!

Wer bucht bei Ihnen häufiger: der Tourist oder Geschäftsreisende? Wie sehen Sie die Entwicklung für die Zukunft?

Wolfgang Berkenkamp: Geschäftsreisende sind weniger unterwegs. Wir profitieren sicherlich durch unsere günstige Lage direkt am Ku’damm, durch die vor dem Hotel gelegene Ku‘damm Terrasse, die hauseigene Tiefgarage und die hervorragenden ÖPNV-Anbindungen. Auf die Geschäftsreisenden im großen Stil werden wir noch warten müssen und hier verändert sich sicherlich auch der Markt – wenn auch meines Erachtens nicht derart erheblich und grundsätzlich wie dies immer wieder jetzt behauptet wird. Menschen brauchen Menschen, Menschen wollen kommunizieren und dabei auch Mimik, Gestik und echte Laute vernehmen. Die wenigsten haben Zuhause ein eigenes Büro, um sich dauerhaft arbeitender Weise zurückzuziehen von Familie, Getöse und anderweitigen Ablenkungen – oder wollen und können das auch gar nicht. Das werden auch andersgelagerte Arbeitsverträge, Anweisungen, etc. nicht verhindern können. Ich sehe Homeoffice als derzeitigen Trend, aber „Trends“ sind keineswegs immerwährend.

Nach einer dauerhaften gefahrlosen Zeitspanne werden auch die Touristen wiederkommen, anfangs noch zögerlich, aber sicher sehr schnell wieder die ursprünglichen Ausmaße erreichend. Hygiene wird ein weiterhin beachtenswertes Thema bleiben, weit über Corona hinaus, was ich für gutheiße und langanhaltende positive Aspekte in mannigfaltigen Bereichen der Hotellerie und Gastronomie bringt für unsere Gäste.

Messen, Kongresse, etc. müssen noch auf sich warten lassen, doch auch hier wird sich alles wieder normalisieren in drei bis vier Jahren. Großkongresse werden genauso wieder stattfinden wie kleinere Veranstaltungen; sicherlich, etwas dezidierter, ausgesuchter und überlegter, aber dennoch: so schnell verändert Corona den Menschen nicht und krempelt die Gesellschaft gänzlich um.

Was war Ihre Lehre aus dem Lockdown?

Wolfgang Berkenkamp: Immer schön auf dem Boden bleiben, ruhig agieren. Wenn es lange einfach nur rund lief und plötzlich nicht mehr, intelligente Ruhe bewahren. Nie zurücklehnen und sich selbst beweihräuchern. Stete und sinnvolle wie aber auch überlegte und vor allen Dingen wertige Investitionen tätigen. Nicht auf dummes Geschwätz oder gar vermeintlich Wissende immer hören, weil es gerade opportun scheint, sondern mehr genauer Beobachter sein und handeln nach dem was abzusehen ist und wahrscheinlicher erscheint. Vorbereitet sein auf Unabwägbarkeiten und nicht immer schlauer sein wollen als andere!

Respekt vor den Mitarbeitern haben, deren Arbeit immer schätzend, wissend, dass man hier große Verantwortung trägt den Mitarbeitern wie denn ebenso auch deren Familien, Kindern und Verwandten gegenüber. Gäste wertschätzen und nicht als Dukatenesel ansehen. Innovative Ideen gemeinsam umsetzen, pragmatisch denken, offen sein für Neues und ebenso lernen, dass alles sein Ende hat und ein famoser gut durchdachter Neubeginn ungeheure Chancen bietet.

Wie schätzen Sie Zukunftsaussichten der Branche ein?

Unsere Zukunft wird spannend sein, vielleicht spannender als in der vorherigen eingefahrenen Glückseligkeit. Neue gastronomische Konzepte werden erarbeitet, junge kreative Kräfte kommen auf den Markt und bescheren diesem ungeahnte Vorteile, denn die entstandene und entstehende Leere macht Platz für viel Neues. Die derzeitige Entwicklung zeigt dies schon jetzt auf – das macht ungemein Freude dies zu beobachten.

Auch die Hotellerie wandelt sich mit Sicherheit. Insbesondere für Privathotels wie das unsrige Haus sehe ich gute Chancen sich noch besser auf dem Markt zu behaupten in einigen Jahren. Hotels werden nach Corona nicht mehr da sein, sicherlich, schade, und die damit verbundenen Schicksale sind mir keineswegs gleichgültig, auch hier stehen Menschen dahinter mit oftmals großartigem Leumund und einer beachtlichen Historie. Doch hier und jetzt ist die Chance für Privathotels schnell zu reagieren, den neuen anspruchsvollen Markt zu erobern mit seiner Vielfalt von interessanten Mikro-Zielgruppen und die langen umständlichen Entscheidungswege der Konzerne mit einem lachenden Auge hinter sich zu lassen. Dazu gehört Enthusiasmus, Kreativität, Begeisterung für jedes Einzelne dieser herrlichen vielfältigen Branche, Menschenkenntnis und Menschenliebe, große Flexibilität gegenüber neuen Situationen, oftmals verquere Gedankengänge ebenso wie der Mut auch mal schnell auszuprobieren!

Hotels wird es immer geben, denn sie sind ein Mikrokosmos für sich, mit eigenen Regeln. Bars, Restaurants, unterschiedliche Sprachen und Kulturen treffen sich in Hotels und deren Outlets, Anonymität liegt neben Geborgenheit, Luxus neben Armut, Hotels sind in ihrer Eigenart immer ein Spiegel der lokalen oder auch internationalen Gesellschaft. Grandiose Politik wie auch kleine und größere „Schweinereien“ wurden und werden u.a. in den Lobbys dieser Hotelwelten kreiert, ausgetüftelt, beauftragt, so, wie ebenso große Schauspieler, Diven und Starletts die Hotelwelt brauchen, um ihre Schauspiel-Künste bis zur absoluten Vollendung präsentieren zu können. Und, ja, unsere Branche hat eine beeindruckende Zukunft mal wieder vor sich!

Herr Berkenkamp, vielen Dank für das Gespräch.

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Wolfgang Berkenkamp

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