Welche politischen oder regulatorischen Veränderungen betrachten Sie als besonders relevant für die Digitalisierung im Handwerk?
Zunächst müssen sämtliche Behörden in Deutschland – vom Gewerbeamt bis zur Berufsgenossenschaft – befähigt werden, digital zu kommunizieren, und zwar rechtssicher. Die vollständige und zeitnahe Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ist Grundvoraussetzung für eine spürbare Entlastung der Betriebe und muss Priorität haben. Durch die Verpflichtung zur digitalen Rechnungsstellung seit dem 1. Januar 2025 hat sich ein Großteil unserer Mitgliedsbetriebe bereits gut digital aufgestellt und möchte auch in weiteren Bereichen digital kommunizieren. Natürlich sind Sicherheitsvorgaben wie die DSGVO wichtig; dennoch sollten sie so gestaltet sein, dass auch kleine und mittlere Betriebe sie umsetzen können. Weiterhin ist es wichtig, die Ausschreibungsplattformen zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Grundlegende Angaben sollten nach dem Once-Only-Prinzip nur einmal eingegeben werden müssen.
In welchem Umfang beeinflussen diese Veränderungen die Abläufe und Strukturen in Handwerksbetrieben?
Wenn die digitalen Prozesse in den Behörden, einschließlich der Ausschreibungsplattformen, kundenfreundlich gestaltet sind, erleichtern sie unseren Mitgliedsbetrieben die Arbeit. Die meisten Betriebe haben bereits digitale Prozesse eingeführt und bauen diese kontinuierlich aus. Das bedeutet jedoch auch finanziellen und zeitlichen Aufwand. Mitarbeitende im Außendienst verfügen über Smartphones oder Tablets und können Zeiterfassungen, Bestellungen und Dokumentationen direkt vor Ort vornehmen, die sofort weitergeleitet und verarbeitet werden. Insgesamt lässt sich sagen, dass sich die Anforderungsprofile im Handwerk deutlich verändern. Die Notwendigkeit, Mitarbeitende weiterzubilden und für sich verändernde Aufgaben zu qualifizieren, ist von zentraler Bedeutung. Hier sind auch die handwerklichen Bildungszentren gefragt.
Was sind die größten Herausforderungen, denen Handwerksbetriebe bei der Umsetzung digitaler Prozesse und Compliance gegenüberstehen?
Viele Betriebe verfügen schlichtweg nicht über genügend personelle Ressourcen, um digitale Projekte umzusetzen. Darüber hinaus sind die Anschaffungskosten für Soft- und Hardware hoch. Mitarbeitende müssen regelmäßig geschult und weitergebildet werden. Einige Förderprogramme sind sehr kompliziert, sodass auf die Antragstellung verzichtet wird. Hilfreich und wünschenswert wären einfache und niedrigschwellige Programme, die auf kleine und mittelständische Handwerksbetriebe zugeschnitten sind. Auch die Umsetzung der DSGVO, etwa zum Schutz von Kundendaten, stellt die Unternehmen vor Herausforderungen. Immer wichtiger wird zudem der Schutz vor Cyberangriffen. Die Handwerkskammern beschäftigen Beraterinnen und Berater, die die Betriebe bei der Umsetzung unterstützen können. Die jüngere Generation der Handwerkerinnen und Handwerker ist allerdings mit dem Smartphone aufgewachsen und daher versiert im Umgang mit digitalen Medien.
Wie wird die Digitalisierung im Handwerk von Ihren Kollegen wahrgenommen und welche Erfahrungswerte haben Sie bisher gesammelt?
Die Digitalisierung verändert die Arbeitsweisen und Verwaltungsstrukturen der Handwerkskammern in Deutschland grundlegend. Als zentrale Einrichtungen der Selbstverwaltung stehen wir vor der Aufgabe, unsere Dienstleistungen im Sinne der Mitglieder zukunftsfähig, effizient und nutzerorientiert zu gestalten. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an rechtssichere, medienbruchfreie und datengetriebene Prozesse – getrieben durch gesetzliche Vorgaben. Durch den übergreifenden Datenaustausch stehen alle relevanten Informationen in den Handwerkskammern in einheitlicher Qualität zur Verfügung. Diese werden beispielsweise durch die Beraterinnen und Berater an die Mitgliedsbetriebe weitergegeben.
Wohin, glauben Sie, wird sich der gesellschaftliche und regulatorische Trend in Bezug auf Digitalisierung im Handwerk in den nächsten Jahren entwickeln?
Das Thema Datenschutz und Cybersicherheit wird massiv an Bedeutung gewinnen. Geschäftsprozesse werden weiter digitalisiert. Ein Beispiel aus dem Dachdeckerhandwerk: Die KI-gestützte Drohnenvermessung von Dachflächen ermöglicht Dachaufmaße in wenigen Minuten. Die gewonnenen Daten münden in ein 3-D-Modell, das eine zeitsparende und präzise Weiterverarbeitung in digitalisierten Prozessen ermöglicht. Die Kommunikation mit den hoffentlich digitalisierten Behörden wird einfacher und schneller, und ein Teil des bürokratischen Aufwands wird wegfallen.