Lars Hilbig: Die Idee der Altersvorsorgepflicht für Selbständige

Interview mit Lars Hilbig
Lars Hilbig ist Geschäftsführender Gesellschafter iQuadrat Investment und Immobilien GmbH in Mannheim. Mit ihm sprechen wir über Gerechtigkeitsempfinden, Differenzierungen bei Berufsgruppen sowie Altersvorsorgepflicht für Selbständige.

Die Idee der Altersvorsorgepflicht für Selbständige ist nicht neu. Was halten Sie davon?

Lars Hilbig: Lediglich aus Gerechtigkeitsbefinden heiße ich diese Überlegung gut. Wir haben aufgrund der Differenzierung von Arbeitnehmern, Beamten, Kammerberufen und Selbstständigen / Unternehmern auch, was die Gesetzliche Altersvorsorge betrifft, eine Zweiklassengesellschaft. Diese Überlegung ist meist jedoch nicht in der Intention, Selbstständigen eine Grundversorgung im Alter zu ermöglichen, sondern um Lücken des maroden Systems zu stopfen. Es lohnt nicht, ein totes Pferd neu zu satteln. Rein persönlich bin ich heilfroh, nicht in die Gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen. Als Investmentberater sträuben sich bei dem Gedanken die Haare – schließlich gibt es kaum eine Anlage, die noch schlechter ist als die Gesetzliche Rentenversicherung.

Selbstständige bezahlen deutlich höhere Beiträge an die Kranken- und Pflegeversicherung als Arbeitnehmer mit vergleichbarem Einkommen. Woran liegt das?

Lars Hilbig: Wenn ein Selbstständiger sich gesetzlich kranken- und pflegeversichert, zahlt er exakt dasselbe. Der Beitrag ist ein Prozentsatz des Einkommens, ergo identisch. Er zahlt nur gefühlt mehr. Der Arbeitnehmer sieht auf seiner Gehaltsabrechnung lediglich seinen Anteil und nicht jenen des Arbeitgebers, der on top kommt. Der Arbeitgeber stellt ihn nur ein, wenn der Arbeitnehmer mehr bringt als Brutto + Arbeitgeberanteil Sozialversicherung + Nebenkosten der Beschäftigung (Mobiliar, Hardware, Software, Schulungen, Miete pro Arbeitsfläche, Einarbeitung, etc.). Der Selbständige sieht auf seiner Abrechnung den vollen Beitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung. Versichert sich der Selbstständige privat, zahlt er in Abhängigkeit seines individuellen Risikos. Verdient er wenig, zahlt er in der Privaten mehr. Verdient er viel, zahlt er dort weniger. Anscheinend verdienen viele Selbstständige nicht genug, als dass sich die Private Krankenversicherung lohnen würde oder haben unattraktive Tarife.

Wenn die Altersvorsorgepflicht auch auf Selbstständige ausgeweitet wird: Was bedeutet das für Solo-Selbstständige?

Lars Hilbig: Ein Ausweiten der Altersvorsorgepflicht hat eine weitere Erschwerung des Einstiegs in die Selbstständigkeit zur Folge. Gleichermaßen wie in der Krankenversicherung gilt auch hier, dass der Selbstständige Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil zahlen muss. Dies sind dieser Tage 18,6 %. Ein weiterer Stein im Weg für Gründer und Solo-Selbstständige. Der gewünschte Effekt der Aufbesserung der GRV steht in keiner Relation zu dem damit verbundenen Abtöten unternehmerischen Schaffens.

Wie soll die Altersvorsorgepflicht ausgestaltet, wie vorgesorgt werden?

Lars Hilbig: Mit Verweis auf Länder wie Schweiz, Österreich, Australien und Norwegen bieten sich genügend Verbesserungspotenziale gegenüber dem Status quo. Einen allzu deutlichen Bruch werden wir in absehbarer Zeit nicht erleben, da jedweder Politiker diesen scheut. Allein ein öffentliches Gedankenspiel kann die Karriere kosten. Wenige haben Lust sich dem Gegenwind von Medien, Opposition, Gewerkschaften und Parteifreunden auszusetzen. Ich halte für realistischer, dass es in drei, vier Jahrzehnten obsolet sein wird über eine Gesetzliche Altersversorgung nachzudenken, da für alle Erwachsenen ein Grundeinkommen eingeführt wird.

Was wären die Alternativen dazu? Ein gemeinsamer Rententopf für Angestellte und Selbständige?

Lars Hilbig: Fair wäre es nur, wenn wir Beamte und Kammerberufe der Frage hinzufügen. Wenn man bei der Input-Output-Relation der Gesetzlichen Rentenversicherung für aktuelle Arbeitnehmer = Einzahler überhaupt von Fairness reden kann. Wie gesagt: Es lohnt nicht, ein totes Pferd neu zu satteln. Wir werden so lange keinen Bruch erleben bis er unausweichlich wird. Jedwede Überlegungen der Couleur, ob man Selbstständige integrieren solle, sind oberflächliche Korrektur. Man kann nur ein Software-Problem nicht mit einer Aufpolierung der Hardware lösen.

Herr Hilbig, vielen Dank für das Gespräch!

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