Olav Skowronnek: Digitalisierung des Personenschadens bringt Transparenz

Interview mit Olav Skowronnek
Wir sprechen mit Olav Skowronnek, Geschäftsführer der ACTINEO GmbH, ein Versicherungsdienstleister und der deutsche Marktführer für die Digitalisierung und medizinische Einschätzung von Personenschäden, über InsurTechs und digitale Innovation.

Die Insur- und FinTech-Szene ist angetreten, um den etablierten Wettbewerbern in der Finanz- und Versicherungsbranche den Rang abzulaufen. In welchen Bereichen konnten Insur- und FinTechs signifikante Marktanteile gewinnen?

Olav Skowronnek: Wir müssen bei der Betrachtung dieses Themas zwischen der Finanz- und der Versicherungsbranche unterscheiden. Denn während die digitale Transformation in der Finanzbranche schon länger läuft, zum Beispiel im Payment-Bereich, kommt die Digitalisierung in der Assekuranz erst seit etwa drei Jahren so richtig in Schwung. ACTINEO ist als Dienstleister unter anderem in den Versicherungssparten Kfz- und Allgemeine Haftpflicht sowie in der privaten Unfallversicherung tätig. Auch hier wird das Potenzial moderner Technologien geschätzt. Versicherungsunternehmen beauftragen in diesem Kontext sogenannte InsurTechs für Projekte, die nicht oder nicht ausschließlich mit internen Ressourcen umgesetzt werden können, gehen dabei teilweise auch Kooperationen zur digitalen Optimierung von Geschäftsprozessen ein oder werden sogar Partner bei der Entwicklung digitaler Plattformen.

Wie lässt sich Ihr Unternehmen diesbezüglich einordnen? Was ist Ihr Kerngeschäft, welche Alleinstellungsmerkmale haben Sie?

Olav Skowronnek: ACTINEO agiert ausschließlich im B2B-Bereich. Wir haben das Unternehmen vor elf Jahren als Business Process Outsourcing-Dienstleister für Versicherer gegründet, um die Regulierungsvorbereitung im Personenschaden zu unterstützen. Seither sind wir stark gewachsen und haben uns heute als InsurTech deutlich diversifizierter aufgestellt. Unsere Kunden sind Versicherungsunternehmen jeder Größe. Aktuell bieten wir über 80 Versicherern in Deutschland, Österreich und Frankreich ein breites Spektrum an digitalen Produkten und Services im Personenschadenmanagement sowie in der medizinischen Leistungsfallregulierung. Wir sind im Personenschadenbereich das einzige Unternehmen, dass im Kontext der Digitalisierung medizinisches und prozessuales Know-how zusammenbringt. Ausgangspunkt unserer Arbeit ist häufig die DSGVO-konforme Beschaffung und Strukturierung medizinischer Unterlagen im Auftrag der Versicherer und die damit verbundene medizinische Codierung von Personenschäden. Dies schafft die Grundlage für unsere digitalen Produkte, beispielsweise die Entwicklung von (teil-) automatisierten Regulierungsprozessen im Mengenschaden mit unserer Schnellregulierungsanwendung ACTINEO Fast Track. Wir bieten jedoch auch in Form des ACTINEO Personenschaden Cockpit eine ganzes Ökosystem für das Schadenmanagement auch komplexerer Fälle an. Mit dieser digitalen Plattform steuern Schadensachbearbeiter ihre Personenschadenfälle weitestgehend digital, die Führungsebene nutzt sie für das fallübergreifende Controlling.

Welchen Mehrwert bieten Sie Ihren Kunden?

Olav Skowronnek: Die Digitalisierung des Personenschadens bringt Transparenz in den jeweiligen Fall. Sie erlaubt eine regelgerechte Ersteinschätzung und das frühzeitige Erkennen risikobehafteter Heilverläufe. Nur so ist eine aktive Schadensteuerung möglich. Zugleich ist sie die Basis, um Regulierungsprozesse bei einfachen Schäden weitestgehend zu automatisieren. Das gilt sowohl für den Bearbeitungsprozess als auch für die zu treffende Regulierungsentscheidung. Bei schweren Fällen kann eine digitale Plattform mit validen medizinischen Daten bei der Falleinschätzung und der Steuerung unterstützen – nicht zuletzt zum Wohle des Geschädigten oder Verunfallten.

Es gibt zwei Ansätze in der Szene: Übernahme des Marktes oder Kooperation mit etablierten Unternehmen. Welchen Ansatz halten Sie für zielführender, wie agiert ihr Unternehmen?

Olav Skowronnek: Da wir uns als Dienstleister für Versicherungskunden verstehen, setzen wir auf Zusammenarbeit und stehen nicht in Konkurrenz zu den Unternehmen der Branche. ACTINEO ist Partner und Unterstützer im Prozess der digitalen Transformation. Kooperationen spielen dabei eine wichtige Rolle. Ein aktuelles Beispiel ist die Gründung unseres Joint Ventures ANTEVIS. Gemeinsam mit Sham, dem führenden Versicherer und Risikomanager für Akteure im Bereich Heilwesen in Europa, bieten wir nun von Lyon aus Dienstleistungen im Bereich Heilwesen-Haftpflicht im europäischen Markt an. Mit der Neugründung begegnen wir gemeinsam den Herausforderungen der Digitalisierung und Modernisierung im Bereich Personenschaden in Europa.

Wie schnell reagiert die Versicherungsbranche auf neue Trends, wie hoch ist der Innovationdruck?

Olav Skowronnek: Auch wenn die Branche in den meisten Studien recht gut abschneidet, ist das Potenzial für die Digitalisierung und Automatisierung nicht nur im Personenschaden noch enorm. Zugleich habe ich den Eindruck, dass die Versicherer zunehmend besonnener mit dem Thema InsurTech umgehen und selektiv schauen, welche Vorteile sich aus welcher Kooperation ergeben können. Ein Beschleuniger ist diesbezüglich die Corona-Pandemie. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Kunden der Versicherungen verstärkt digitale Produkte und Services wünschen. Den meisten Versicherern ist also bewusst, dass sie ihr Geschäft stärker digitalisieren müssen. Die Kooperation mit InsurTechs, die die Anforderungen der Branche gut kennen, fördert diesen Innovationsprozess, denn gerade InsurTechs setzen durchgängig auf agile und digitale Ansätze. Auf diese Art und Weise werden sie zu Treibern der Innovation.

Welche Innovationen dürfen wir von Ihnen in nächster Zeit erwarten?

Olav Skowronnek: Wir arbeiten daran, kleine und mittlere Personenschäden künftig noch stärker digital regulieren zu können. Bei komplexeren Schäden hingegen werden digitale Tools wie das ACTINEO Personenschaden Cockpit die Verschiebung von einer erfahrungs- zu einer evidenzbasierten Steuerung von Fällen beschleunigen. Perspektivisch wollen wir das Cockpit als zentrale, digitale Plattform für den Personenschaden etablieren. Dazu entwickeln wir zum Beispiel derzeit den integrierten Reservierungsrechner, mit dem wir die Reservesetzung und -führung erheblich verbessern können. Zudem wird das Thema eHealth an Fahrt aufnehmen und die Schnittstelle zwischen Arzt, Geschädigtem und Versicherung für alle Beteiligten vereinfachen. Hierbei setzen wir auf die Nutzung der Telematikinfrastruktur, an die wir als bundesweit erster Dienstleister angeschlossen wurden. Davon werden auch unsere Kunden profitieren.

Herr Skowronnek, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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