Wie hat sich der Markt für nachhaltige Geldanlagen in den letzten Jahren entwickelt und welche Trends beobachten Sie aktuell in diesem Bereich?
Der Markt für nachhaltige Geldanlagen war seit 2019 – mit dem Höhepunkt der Fridays-for-Future-Proteste – sehr dynamisch. Das Thema Nachhaltigkeit hat es weit nach oben auf der Prioritätenliste geschafft. So erkannte auch die Finanzindustrie das große Potenzial, da sich die Nachfrage sprunghaft nach oben entwickelte. Allerdings kam nach dem großen Anstieg der jähe Absturz. Zuerst kam Corona. Der zwischenzeitliche Sargnagel für das Thema war der russische Angriff auf die Ukraine und die explodierenden Preise als eine der Auswirkungen. Die Menschen sahen sich mit einer lang nicht mehr gesehenen Inflation konfrontiert und setzten andere Prioritäten. Das Thema war nicht mehr attraktiv und fand medial kaum mehr statt.
Hinzu kam der eine oder andere mal berechtigte, mal unberechtigte Greenwashing-Vorwurf. Fondsanbieter deklarierten Fonds als nachhaltig, die es aber nach gerichtlicher Prüfung nicht waren. Solche Skandale erschütterten das Vertrauen in die Werbeaussagen. Außerdem stuften nicht wenige Fondsanbieter ihre dunkelgrünen Artikel-9-Fonds herab. Sie konnten die Versprechen, die mit dem Label verbunden sind, nicht halten.
Welche Herausforderungen und Risiken sehen Sie für Finanzberater, die ihren Kunden nachhaltige Geldanlagen empfehlen?
Das große Problem derzeit ist die Taxonomie, also was ist nachhaltig? Zur sozialen Nachhaltigkeit gibt es noch überhaupt keine regulatorische Grundlage. Und auch bei der ökologischen Nachhaltigkeit sind noch viele Fragezeichen. Nach der EU-Taxonomie sind Atomkraft und Gaskraft nachhaltig. Da würden viele sagen: Das finde ich aber nicht nachhaltig! Es ist also wichtig, gemeinsam mit dem Kunden zu erarbeiten, was genau er oder sie unter Nachhaltigkeit versteht und was ihm oder ihr dabei wichtig ist.
Je detaillierter der Prozess ist, desto größer das Risiko, dass der Kunde zwischenzeitlich abspringt. Der Finanzberater muss also abwägen, wie tief er einsteigen muss und wie oberflächlich es bleiben muss, damit der Kunde in der Beratung bleibt.
Weiterhin ist es nicht immer leicht, alle nötigen Informationen der Anlageziele zu erhalten. Es gibt zwar Ratings und Rankings, aber da stellt sich dann die Frage, was genau sie geprüft haben.
Können Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung berichten, wie Kunden auf das Thema nachhaltige Geldanlagen reagieren und welche Kriterien ihnen dabei besonders wichtig sind?
Grundsätzlich sind viele interessiert. Die wenigsten schließen das kategorisch aus. Vielen ist klar, dass an Nachhaltigkeit langfristig kein Weg vorbei führt. Es wird irgendwann keine nicht nachhaltigen Unternehmen mehr geben können. Damit wird es auch irgendwann nur noch nachhaltige Anlageziele geben.
Die meisten kommen jedoch mit kaum oder gar keinem Wissen und Verständnis in die Beratung. Hier gilt es, im ersten Schritt aufzuklären.
Viele können danach klar beschreiben, was sie nicht wollen: Kinderarbeit, Waffenproduktion, Glücksspiel, Pornografie etc. Solche Ausschlusskriterien helfen schon einmal, das Anlageuniversum einzugrenzen. Das dürfte Stand jetzt auch eines der nachvollziehbarsten Mittel sein, um die eigenen Anlagen nachhaltiger zu gestalten. Am anderen Ende der Skala sind es die Impact Investments, also solche Anlagen, die einen klaren Fokus auf ein nachhaltiges Thema haben. Als einleuchtendes Beispiel dient hier der Solarpark, an dem man sich beteiligen kann. Allerdings gibt es bei diesen Direktinvestments natürlich ganz andere Risiken.
In welche Richtung glauben Sie, dass sich der Markt für nachhaltige Geldanlagen in den nächsten fünf Jahren entwickeln wird?
Ich denke, wir sehen derzeit eine Professionalisierung. Nach dem ersten Hype 2019/2020 folgte das Tal der Enttäuschungen. Da befinden wir uns derzeit. Jetzt schlägt aber die Stunde derer, die das Thema ernsthaft und professionell angehen. Jetzt wird klarer, was geht und was (noch) nicht geht. Nun gestalten wir Wege, wie wir die Wirtschaft nachhaltiger umstellen können und wie wir Finanzen als den wohl stärksten Hebel einsetzen können.
Nachhaltigkeit dürfte zukünftig mehr den Charakter eines Hygienefaktors erhalten als ein nettes Feature. Dafür braucht es aber mehr Standards und mehr Informationen. Drumherum wird sich ein Ökosystem aus Ratingagenturen, Datenanalysten, Nachhaltigkeitsberatern, Anlagegesellschaften und Vermittlern entwickeln.
Nachhaltigkeit ist also nicht tot, sondern steht am Anfang einer notwendigen und richtigen Entwicklung. Wer sich hier als Berater/Vermittler frühzeitig informiert, weiterbildet, Prozesse umstellt, das eigene Produktuniversum prüft, wird langfristig erfolgreich die Transformation gestalten und von ihr profitieren.
Vor dem Hintergrund des steigenden Interesses an nachhaltigen Investments: Welche Rolle spielt die regulatorische Umwelt, insbesondere in Bezug auf die EU-Taxonomie, für Finanzberater?
Die Taxonomie ist die Grundlage. Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis davon, was Nachhaltigkeit ist und was nicht. Ohne diese kann kein Berater und kein Kunde ein passendes Produkt auswählen. Im Übrigen können die Hersteller ohne eine klare Taxonomie auch keine nachhaltigen Produkte gestalten. Finanzberater brauchen die Regulatorik, damit sie einen klaren Rahmen haben, innerhalb dessen sie sich bewegen und die passenden Produkte auswählen können.