Emma Wenzel und Markus von Bank: Tiny House ist ein kleines, mobiles Haus

Interview mit Emanuela Wenzel
Emanuela Wenzel und Markus von Bank sind Gründer von TinyModulHouse3x3. Mit ihnen sprechen wir über den Begriff des Tiny House, Größe dieser Unterkunft sowie Zielgruppe.

Was versteht man unter einem Tiny House? Und ab wann/welcher Größe ist eine Unterkunft ein Tiny House?

Emanuela Wenzel: Ein Tiny House ist ein kleines, mobiles Haus. Als Definition ist das der wahrscheinlich größte gemeinsame Nenner – zumindest in Deutschland. In den USA sind Tiny Houses fahrbare Wohnstätten mit einer Grundfläche von bis zu 37 Quadratmetern und einer maximalen Höhe von 4,11 Meter. Damit entsprechen sie der dortigen Straßenverkehrsordnung. Wer in Deutschland sein Tiny House mit bis zu 80 km/h per PKW ziehen will, bei dem darf es glatte 4 Meter hoch werden, 2,55 m breit, bis zu 12 Metern lang und 3,5 Tonnen schwer. Aber zurück zum Anfang: Ein Tiny House ist ein kleines, mobiles Haus. Seine Bewohner*innen leben darin ein minimalistisches Leben in der Natur. Das ist der Traum. Und er findet auf der Wiese statt, nicht auf der Straße. Ein trailerbares Tiny House unterwirft sich eigentlich ohne Not der StVZO – und gilt baurechtlich als Neubau, wo immer es ankommt. Die Kombination bringt große Einschränkungen mit sich; nachhaltige Holzbauweise etwa wird schnell zu schwer. Wer darauf Wert legt und die Wiese wechseln will, kann das mit Profis, Kran und Tieflader tun. So ist er ausreichend mobil, bei deutlich mehr Freiheit im Entwurf. Inspiriert vom klassisch-amerikanischen Tiny House, kommt vielen das Freiheitsgefühl früh unters Rad. Ein Tiny House muss für die jeweilige Baubehörde genehmigungsfähig sein. Definieren ließe es sich daher in Deutschland sehr viel sinnvoller zum Beispiel mit Bezug auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) – als ein Haus mit einer Wohnfläche von unter 50 m². Bis zu dieser Größe gestattet das GEG wertvolle Erleichterungen, etwa für Infrarotheizungen, die Fenstergröße und Verglasung.

Für wen könnten Tiny Häuser besonders attraktiv sein? Gibt es eine bestimmte Zielgruppe?

Markus von Bank: Wir haben bei unseren Kundenberatungen in den letzten zwei Jahren festgestellt, dass Tiny Houses sowohl für junge als auch für ältere Menschen interessant sind. Die Jüngeren spricht tendenziell der bezahlbare Wohnraum an und der ökologische Gedanke: weg vom klassischen Hausbau und endlosen Konsum. Besonders gut kommt bei ihnen ein modulares Konzept an, wo das Haus sich mit den Bedürfnissen seiner Bewohner verändern kann. Als Single reicht ein kleines Modul, das beim Zusammenziehen mit dem Partner erweitert wird. Auch für Beruf, Hobby oder Kinder lässt sich anbauen. Und ziehen die Kinder aus, können sie einfach einen eigenen Teil mitnehmen. Menschen in der zweiten Lebenshälfte wollen oft aus ihren riesigen Häusern raus. Sie suchen für das Alter etwas, das überschaubar und einfach zu pflegen ist. Beide Zielgruppen eint der Wunsch vom einfachen Leben in der Natur. Tiny (Module) Houses – gerade solche auf Schraubfundamenten – eignen sich auch für innovative Wohnformen: Diese Bauweise bietet Menschen, die kleine Dörfer mit viel gemeinschaftlichem Leben draußen oder Wohnsiedlungen auf Zeit bauen wollen, eine passende Art der Gestaltung. Wer Baugrundstücke hat und diese nur verpachten will, kann so für Mieter bauen oder von Pächtern bauen lassen – die Häuser sind mit wenig Aufwand rückbaubar. Und ein städtebaulich immer relevanteres Potenzial der Tiny-(Modul-)Häuser ist es, dass man sie zur Wohnraumnachverdichtung in Bebauungslücken oder auf Dächern platzieren kann und so mit geringem Aufwand neuen Wohnraum schafft.

Welche Kosten entstehen beim Bau eines Tiny Houses?

Emanuela Wenzel: Die Höhe der Kosten ist auch bei einem Tiny House sehr variabel – je nach Fertigungstiefe sowie den persönlichen Wünschen in Punkto Größe, Konstruktion, Materialien und Ausstattung. Tiny Houses sind gern besonders individuell gestaltet. Die Positionen gleichen im Großen und Ganzen aber denen beim Bau eines Einfamilienhauses: von Planung, Statik, Energieausweis und Bauantrag über die Erdbauarbeiten für die Hausanschlüsse, Fundament und Rohbau, Fenster, Sanitär- und Elektroinstallation bis hin zum Innenausbau. Bauherren können aber natürlich auch im Tiny House vieles selbst übernehmen, zum Beispiel den Innen- oder Badausbau. Besonderheiten wie umweltfreundliche Schraubfundamente ohne Bodenversiegelung sind leicht machbar; transportiert wird statt des Baumaterials im Einzelnen das Haus als Ganzes.

Kann man das abschätzen: Wie viel Wohnen bekommt man für wie viel Geld?

Markus von Bank: Viel Wohnen im Sinn von großer Wohn- und Lebensqualität kann ein Tiny House für vergleichsweise wenig Geld bieten. Kostenintensiv ist bei jedem Haus die Installationstechnik; sie und einige Bau-Fixkosten werden hier umgelegt auf die kleinere Fläche, was den durchschnittlichen Quadratmeterpreis steigert. Doch genau da liegt der größte Kostenvorteil: Es sind wenige Quadratmeter und damit unterm Strich geringere Investitionen nötig. Die Fläche in einem Tiny House wird meist doppelt genutzt. Schlafemporen bleiben bei der Quadratmeter-Berechnung nach DIN oft unberücksichtigt, aber mit ihnen und schlauen Möbellösungen wie der Schrank-Treppe oder Stauraum-Couch lässt sich auf wenig Raum alles realisieren, was wichtig ist für gemütlich-großes Wohnen. Nach außen öffnende Fenster und Türen vergrößern den Wohnbereich und erweitern ihn ins Freie. Für ein angenehmes Raumklima auch auf kleinstem Raum und bei jedem Wetter können die Holzständer-Bauweise mit beispielsweise Holzweichfaser-Dämmung und Infrarotheizungen sorgen. All das steigert die Wohnqualität. Und erlebt nicht schon mehr Wohnen, wer weniger zu putzen hat?

Welche Hürden im Deutschen Baurecht verkomplizieren den Tiny-Hausbau?

Emanuela Wenzel: Der amerikanische Gedanke, dass jeder sein Tiny House überall hinstellen kann, ist in Deutschland unzulässig. Hier muss ein Gebäude auf einem Baugrundstück errichtet werden und das Gebäude laut Baurecht mit dem Boden verbunden sein. Ein klassisches Tiny House on Wheels ist auf normalen Grundstücken damit kaum umsetzbar. Das Baugrundstück muss zudem erschlossen – also an die Wasser-, Abwasser- und Strom-Versorgung angeschlossen – sein. Auch ohne Baugenehmigung wäre mit Ärger zu rechnen. Zum Baurecht hinzu kommt in einigen Stadträten und Gemeinden eine gewisse Unkenntnis und Skepsis dieser neuen Wohnform gegenüber. Das kann für Interessierte manchmal zu Schwierigkeiten führen – auch dann, wenn sie das Baurecht zu 100 % einhalten.

Worauf muss geachtet werden, wenn es manövrierfähig und mobil sein soll?

Markus von Bank: Das klassische Tiny House on Wheels mit seinen StVo-gemäßen Maßen muss Brems-Tests bestehen, den TÜV und gewisse Außenmaße einhalten. Hält es – im Zweifel leergeräumt – das Maximalgewicht von 3,5 Tonnen ein, darf ich es auf Straßen ziehen. Für die tatsächliche Mobilität braucht es noch Fahrer*in und Fahrzeug mit gut Zugkraft. Unter den PKWs schaffen das die größeren SUVs und Pickups; nicht ganz die Alltagsfahrzeuge des Minimalismus und inklusive Tiny House anspruchsvoll zu fahren. Aber vielleicht kennt wer wen. Insgesamt finden wir, dass es leichter geht – mit dem Mehr an Wohnqualität und einem kürzeren Weg zur Baugenehmigung. Mal ehrlich: Es gibt Wohnmobil und Wohnwagen. Wie oft möchte man ein Tiny House umsetzen? Das freier gestaltete Tiny House von der Wiese fährt in diesem seltenen Fall auch auf der Straße – mobil durch Kran und LKW. Zeitaufwand und Kosten sind dabei so überschaubar wie punktuell. Mobilität kann aber auch mehr sein als das Reisen von A nach B: Die Flexibilität, sich an verschiedene Lebenssituationen anzupassen. Die gewinnt das Tiny House im modularen Bauen.

Ist die Tiny-House-Bewegung eine Revolution des Wohnens und kann man mit einer Vermehrung von Tiny Houses in Deutschland rechnen?

Emanuela Wenzel: Sicherlich erleben alle, die sich für ein Tiny House entscheiden, dadurch eine ganz grundlegende, positive Veränderung. Trotzdem wird es erstmal etwas Besonderes bleiben – eine weitere Wohnform, die auch nicht zu jedem Menschen gleichermaßen passt. Aber viele aktuelle Entwicklungen und Gedanken sprechen dafür, dass es bei uns in Deutschland bald deutlich mehr Tiny Houses geben wird als heute: der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die Rückbesinnung vieler – gerade jüngerer Menschen – auf das Wesentliche, der ökologische Gedanke bzw. die Notwendigkeit, möglichst wenig Boden zu versiegeln und vieles mehr. Revolutionär an der Tiny-House-Bewegung ist die Verbindung von Minimalismus und Mobilität, Ästhetik und Naturverbundenheit. Große Wohnqualität auf wenig Raum zu schaffen – dahinter steht eine bewusste Entscheidung, die tatsächlich recht neu ist. Bisher hat, wer es sich leisten konnte, möglichst groß gebaut. Entsprechend sind viele Behörden noch wenig vertraut mit der Idee. Doch es gibt Möglichkeiten, auch sie glücklich zu machen.

Frau Wenzel und Herr von Bank, vielen Dank für das Gespräch!

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Emanuela Wenzel

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