Wie bewerten Sie die derzeitigen Entwicklungen im Bereich der Logistik und Spedition im Hinblick auf die sich verändernden internationalen Handelsströme?
Die Logistik verändert sich im Moment schneller, als man es früher für möglich gehalten hätte. Entwicklungen, die früher Jahre gebraucht haben, passieren heute in wenigen Monaten. Politische Entscheidungen, neue Handelsregeln oder Spannungen zwischen Ländern wirken sich sofort auf die Transportwege aus.
Sehr deutlich spürt man zurzeit den Anstieg im Importgeschäft, vor allem im Handel mit China. Die Nachfrage wächst, die Warenströme werden größer und der Wettbewerb wird härter. Viele mittelständische Transportunternehmer können preislich kaum mithalten, da chinesische Anbieter staatlich unterstützt werden und viel niedrigere Betriebskosten haben. Dadurch entstehen Preisstrukturen, die man als deutsches Unternehmen wirtschaftlich kaum darstellen kann.
Beim Export sieht die Entwicklung ganz anders aus. Früher war dieses Geschäft für deutsche Speditionen viel zugänglicher. Der Standort innerhalb der EU war ein Vorteil, und zugleich half der gute Ruf deutscher Dienstleister als besonders zuverlässig. Diese Faktoren haben sich stark verändert. Zwischen 2023 und Ende 2024 ist das Exportvolumen um mehr als vierzig Prozent zurückgegangen. Besonders betroffen sind der Maschinen- und Anlagenbau, die Elektronikindustrie und die chemische Industrie. Man merkt deutlich, dass es für deutsche Exporteure schwerer geworden ist, in manchen Märkten präsent zu bleiben.
Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie für Speditionsunternehmen im Kontext der steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit?
Nachhaltigkeit spielt in der Logistik eine immer größere Rolle. Die Herausforderung liegt jedoch darin, dass viele Anforderungen nicht zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten mittelständischer Speditionen passen. Viele Unternehmen – auch wir – setzen sich klare Ziele, doch die Umsetzung ist in der Praxis oft deutlich komplizierter, als es zunächst wirkt.
Ein zentrales Problem ist die Lücke zwischen den Erwartungen der Kunden und den realen Kosten im internationalen Transport. Gefordert werden moderne, nachhaltige Flotten und europäische Standards, während sich die Preisvorstellungen oft an deutlich günstigeren Märkten orientieren. Dadurch prallen Anspruch und wirtschaftliche Realität regelmäßig aufeinander.
Ein praktisches Beispiel macht das gut sichtbar: Nehmen wir einen Transport aus Deutschland nach Usbekistan. Auf dieser langen Strecke arbeiten viele Auftraggeber mit lokalen Transportunternehmern, deren Fahrzeuge und technische Ausstattung nicht dem Niveau entsprechen, das in der EU üblich ist. Deutsche Unternehmen können auf diesen Relationen kaum eingesetzt werden, weil ihre Betriebskosten wesentlich höher sind – angefangen bei Löhnen und Sozialabgaben über Versicherungen bis hin zu Leasing und Wartung. Dadurch entsteht ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den Nachhaltigkeitsanforderungen der Kunden und den tatsächlichen Marktbedingungen.
Nachhaltigkeit im Transport braucht einen pragmatischen Ansatz und echte Fortschritte im Alltag. Solange Vorgaben, Erwartungen und Preisrealität jedoch auseinanderliegen, bleibt vieles Theorie. Erst passende Rahmenbedingungen ermöglichen Lösungen, die Verantwortung und Wirtschaftlichkeit verbinden.
Welche Strategien und Methoden halten Sie für besonders geeignet, um in der Spedition angesichts der zunehmenden Digitalisierung wettbewerbsfähig zu bleiben?
Digitalisierung hat für uns nur dann Wert, wenn sie echte Probleme löst. Im internationalen Alltag zählen funktionierende Abläufe mehr als große Konzepte. Besonders wichtig ist die Dokumentenvorbereitung, denn fehlerhafte Unterlagen kosten Zeit und blockieren Ware. Digitale Werkzeuge helfen hier zuverlässig weiter und bringen im täglichen Geschäft den größten Unterschied.
Ein weiterer Schritt ist unsere Zusammenarbeit mit Experteam in Pforzheim. Das dort entwickelte Konzept AUMOKI wird nun in unsere Abläufe integriert und soll mithilfe künstlicher Intelligenz Prozesse vereinfachen. Ziel ist mehr Effizienz und eine spürbare Entlastung im Alltag, besonders bei wichtigen, aber zeitintensiven Routinetätigkeiten. Genau dort soll das System unterstützen, wo monotone Aufgaben den Betrieb ausbremsen.
Digitalisierung hat für uns nur dann Wert, wenn sie den internationalen Alltag wirklich erleichtert. Komplexe Plattformen bringen einem mittelständischen Betrieb wenig, wenn sie niemand nutzt. Entscheidend sind einfache Werkzeuge, die Tempo, Qualität und die Erfahrung der Mitarbeiter sinnvoll zusammenbringen.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel aus Ihrer Praxis nennen, das zeigt, wie Ihr Unternehmen erfolgreich auf neue Marktbedingungen reagiert hat?
Die politischen Entwicklungen der letzten Jahre haben internationale Verkehrsströme spürbar verändert. Einige Relationen, die lange stabil waren, wurden eingeschränkt, was für viele Unternehmen zu einer neuen Situation geführt hat. Für uns bedeutete das, stärker auf Regionen zu setzen, in denen wir bereits zuvor Nachfrage und laufende Projekte hatten – etwa in Zentralasien, im Kaukasus und in Osteuropa. Diese Märkte funktionieren anders und erfordern eigene Lösungen, doch wir haben unsere Prozesse entsprechend weiterentwickelt. Die Entwicklung zeigt vor allem, wie wichtig es ist, auf Veränderungen im Umfeld rechtzeitig zu reagieren und das Geschäftsmodell stabil auszurichten.
Ein weiterer Schritt war, eigene Standorte in diesen Märkten aufzubauen. Im August dieses Jahres haben wir Filialen in Georgien und Usbekistan eröffnet, um näher an unseren Kunden und an den lokalen Abläufen zu sein. Weitere Standorte – unter anderem in der Türkei und in der Ukraine – planen wir für II/2026. Ob und wann das tatsächlich umgesetzt wird, hängt natürlich von der wirtschaftlichen und politischen Lage ab. Aber die Richtung ist klar: Wir entwickeln uns dorthin, wo Transportbedarf entsteht, und nicht dorthin, wo er früher einmal war.
Für uns war das keine theoretische Entscheidung, sondern eine Anpassung an die Realität. Die Märkte verändern sich, und wir verändern uns mit.
Welche Trends und Veränderungen erwarten Sie in der Speditionsbranche in den kommenden Jahren, und wie sollten sich Unternehmen darauf vorbereiten?
Für die nächsten Jahre sehe ich zwei entscheidende Entwicklungen. Zum einen verändern sich die Transportkorridore spürbar: Einige Märkte verlieren an Bedeutung, andere rücken stärker in den Fokus. Diese Dynamik wird bleiben, und Unternehmen müssen ihr Modell darauf ausrichten, statt auf frühere Strukturen zu hoffen. Zum anderen wird internationale Logistik ohne lokale Partner oder eigene Präsenz zunehmend schwierig, weil Geschwindigkeit, Dokumentation und Problemlösung näher am Markt stattfinden müssen.
Auch der Wunsch nach Transparenz wächst, da viele Kunden genauer wissen wollen, was unterwegs passiert. Veränderungen kommen heute schneller, und wer zu lange beobachtet, verliert Zeit. Am Ende läuft vieles auf drei Punkte hinaus: neue Märkte erschließen, lokal stärker verankert sein und schneller reagieren können.