Julianna Heiland: Bereitschaft zur Selbstreflexion

Julianna Heiland ist Inhaberin ihrer eigenen Praxis für Einzel- und Paartherapie in Düsseldorf. Mit ihr sprechen wir über Probleme in einer Partnerschaft, Verletzungen aus der Kindheit sowie Persönlichkeitsentwicklung.

Julianna Heiland

Eine Paartherapie ist für viele Paare gar keine Option. Obwohl die Beziehung auf der Kippe steht, denken viele Partner, dass professionelle Hilfe nichts bringt. Was umfasst eine Paartherapie und welche Themen werden in den Sitzungen meistens behandelt?

Julianna Heiland: In einer Paartherapie wird sichtbar gemacht, was sich dem Bewusstsein der Partner:innen entzieht und den Grund für die Probleme in der Partnerschaft darstellt.

Wir aktualisieren in der Paarsituation unsere Verletzungen aus der Kindheit mit dem Ziel, endlich von der Partnerin/vom Partner das zu bekommen, was wir damals vermissten oder als Verwöhnung erlebten. Eine Paarbeziehung fordert zur Persönlichkeitsentwicklung heraus. Den eigenen Anteil an der Paarproblematik zu erkennen und damit auch die eigenen Bedürfnisse klarer zu sehen, ist ein erster Schritt hin zu einer konstruktiven, beziehungsfördernden Verhaltensweise und einer besseren Beziehung auch zu sich selbst.

Ein vorrangiges Thema in einer Paartherapie ist es demnach, die Ursachen für die destruktive Paardynamik bewusst zu machen, die sich in der Regel aus der Prägung der Partner:innen durch unbewusste, als defizitär erlebte Kindheitserfahrungen ergibt.

Die Problematik entzündet sich z.B. an dem „nicht herausgebrachten Müll“, „sich nicht gesehen fühlen“, „sich dominiert fühlen“ oder „nicht miteinander reden können“.

Außerdem liegt ein wichtiger Aspekt der paartherapeutischen Praxis nicht selten in der Befreiung von unrealistischen Erwartungen. Das Schweben auf „Wolke sieben“ zu Beginn einer neuen Liebesbeziehung muss sich irgendwann später mit dem „Boden der Tatsachen“ arrangieren. Die Akzeptanz und das Aushalten der persönlichen Unterschiede, die die Partnerin/den Partner zu Beginn der Beziehung so anziehend gemacht haben, fällt vielen sehr schwer. Paartherapie kann aber auch zu der Erkenntnis führen, dass es besser ist, die Beziehung zu beenden. Das ist z.B. der Fall, wenn einer der Partner:innen nicht ausreichend wertgeschätzt wird und sich im Rahmen der Beziehung persönlich nicht entfalten kann.

Die meisten Menschen treten Paartherapeuten:innen eher skeptisch gegenüber. Vielen Paaren fällt es schwer, mit einer fremden Person über ihre Beziehungsprobleme zu reden. Besonders wenn sich Partner nach der Sitzung wieder im Alltag befinden, neigen sie dazu, in alte Muster zu verfallen. Denken Sie, dass eine Paarberatung die Beziehung nachhaltig und positiv beeinflussen kann?

Julianna Heiland: Die Paare, die eine Paartherapie in Anspruch nehmen, schätzen das Feedback einer neutralen Person und wünschen sich professionelle Hilfe. Wenn beide Partner:innen ernsthaft an der Erhaltung und Verbesserung Ihrer Beziehung interessiert sind und über die Bereitschaft zur Selbstreflexion verfügen, wird es Ihnen gelingen, einen guten Umgang mit ihren Problemen zu finden. Sie lernen ihre jeweils eigenen Anteile an den Konflikten kennen und werden angeregt, förderliche Gedanken und Verhaltensweisen zu entwickeln. Das neu gewonnene „Mindset“ verbessert das Selbstbewusstsein und wirkt sich auch auf andere Lebensbereiche positiv aus. Die Paare erhalten in der Therapie konkrete Hausaufgaben, die Ihnen helfen, dass Erkannte umzusetzen und sich nicht wieder im Alltag zu verlieren. Es ist nicht einfach, alte dysfunktionale Gefühle und Gedanken durch konstruktive zu ersetzen und man fällt auch immer mal in alte Verhaltensweisen zurück. Es braucht Geduld mit sich selbst, das Verständnis des Partners und den Wunsch, sowohl sich selbst zu entwickeln und als auch eine erfüllte Beziehung zu leben. Eine Partnerschaft ist ein lebendiges System, das ständig neue Herausforderungen produziert, denen wir am besten mit einer offenen selbstkritischen Haltung und dem Willen zu einer konstruktiven Lösung begegnen. Manchmal fühlen sich allerdings einer der Partner:innen oder auch beide mit den persönlich notwendigen Veränderungen überfordert. Eine begleitende individuelle Psychotherapie kann dann eine hilfreiche Unterstützung sein.

Welche Probleme führen Ihrer Erkenntnis nach Paare meistens in eine Therapie?

Julianna Heiland: Die Paare kommen meistens in eine Therapie, wenn sie sich dauernd streiten, die Beziehung sich nicht mehr lebendig anfühlt, eine Partnerin/ein Partner sich nicht verstanden und nicht wertgeschätzt fühlt, sie keine Sexualität mehr miteinander teilen oder einer fremd gegangen ist.

Muss man in einer Partnerschaft sein, um eine Paartherapie aufzusuchen oder kann man dies auch als Einzelperson tun, um eine Krisensituation zu entspannen?

Julianna Heiland: In der Regel bieten Paartherapeut:innen auch Einzeltherapie an. Da sie sich auf die Bearbeitung von Paarproblemen spezialisiert haben, sind sie bei Schwierigkeiten im Umgang mit Beziehungen ein besonders guter Ansprechpartner. Anlass für eine Beratung sind dann z.B. immer wiederkehrende Beziehungsabbrüche, Angst vor einer Beziehung oder die Frage nach Möglichkeiten eine Partnerin/einen Partner zu finden. Aber auch andere Krisensituationen können mit Hilfe einer Paartherapeutin/eines Paartherapeuten, die/der auch Einzeltherapie anbietet, bearbeitet werden.

Eine Therapiestunde kann bei einem seriösen Anbieter schon einiges kosten. In welchen Fällen kann die Krankenkasse einem Paar unter die Arme greifen?

Julianna Heiland: Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Paartherapie nicht.

Wenn die Beziehungsprobleme für eine Partnerin/einen Partner sehr belastend sind oder psychische Probleme einer Partnerin/eines Partners die schwierige Paarsituation verursachen, kann dies aber in einer von der Krankenkasse finanzierten Einzeltherapie bearbeitet werden. Es ist dann zum Beispiel möglich, dass die/der jeweils andere Partnerin/Partner in einer Sitzung dazu kommt.

Frau Heiland, vielen Dank für das Gespräch!