Rüdiger Wacker: Gemeinsames Ziel motiviert zu gemeinsamen Veränderungen

Rüdiger Wacker ist selbständiger Diplom-Psychologe in seiner Praxis in Essen. Mit ihm sprechen wir über gemeinsame Ziele einer Beziehung, Gesprächsthemen in einer Paartherapie sowie Motivation für neue Ansätze.

Eine Paartherapie ist für viele Paare gar keine Option. Obwohl die Beziehung auf der Kippe steht, denken viele Partner, dass professionelle Hilfe nichts bringt. Was umfasst eine Paartherapie und welche Themen werden in den Sitzungen meistens behandelt?

Rüdiger Wacker

Rüdiger Wacker: Zu Beginn einer Paartherapie frage ich nach den Anliegen der Partner und nach deren Idee, wie ich sie unterstützen könnte. Manchmal gehen die Anliegen bereits in verschiedene Richtungen, so dass wir zunächst nach einer Schnittmenge suchen, an der beide gemeinsam arbeiten möchten. Allein dies kann schon hilfreich sein, denn ein gemeinsames Ziel motiviert zu gemeinsamen Veränderungen. Danach interessiere ich mich für bisher versuchte Lösungen, damit wir gemeinsam herausfinden, was da noch gefehlt hat, um zu wirken. Dadurch kommt man oft auf gute neue Ansätze. Grundsätzlich geht es im Gespräch um zwei Themen: Einerseits darum, Probleme besser zu verstehen im Sinne von bisherigen und neuen Sichtweisen auf die Probleme. Und andererseits geht es um Möglichkeiten der Veränderung, die den Beteiligten sinnvoll und hilfreich erscheinen. Paargespräche sind für mich Gespräche von drei Experten: jeder der Partner als Experte für sein Erleben, seine Erfahrungen und seine Sichtweisen, und damit für seine Bedeutungen, die er oder sie den Dingen gibt. Und ich ebenfalls als Experte mit meinen Erfahrungen mit Paaren, meinem Fachwissen und meinem Methoden- und Moderationsfähigkeiten. Dieser Rahmen einer Expertenrunde schafft meist ein Klima produktiver und kreativer Lösungsfindung.

Die meisten Menschen treten Paartherapeuten:innen eher skeptisch gegenüber. Vielen Paaren fällt es schwer, mit einer fremden Person über ihre Beziehungsprobleme zu reden. Besonders wenn sich Partner nach der Sitzung wieder im Alltag befinden, neigen sie dazu, in alte Muster zu verfallen. Denken Sie, dass eine Paarberatung die Beziehung nachhaltig und positiv beeinflussen kann?

Rüdiger Wacker: Besonders zwei Aspekte sorgen für gute, nachhaltige Wirkung: 1. Ein wertschätzender Gesprächsrahmen, der zu einer kooperativen Grundhaltung auch über die Sitzungen hinaus beiträgt, und 2. ein Vorgehen, dass die Suche nach Möglichkeiten und Ressourcen immer wieder in den Blick nimmt, auch wenn Probleme und Belastungen besprochen werden.

– 1. Die meisten Menschen, die mich aufsuchen, kommen mit Themen zu mir, die belastend sind. Ich soll sie dabei unterstützen, Veränderungen zu ermöglichen, und das tue ich auch. Ich versuche Ihnen dabei eine Haltung entgegenzubringen, dass zu jedem Zeitpunkt unserer Zusammenarbeit meine Wertschätzung für meine Klientinnen und Klienten hoch ist: für ihre persönlichen Sichtweisen, ihre Erfahrungen, ihre Wünsche und für die Art, wie sie in diesem Moment sind. Einzeln wie in der Paartherapie hilft dies oft, bereits vor einer Veränderung einen guten und vertrauensvollen Rahmen der Zusammenarbeit zu schaffen.

– 2. Und diese Menschen suchen meine Unterstützung als Paartherapeut und Psychologe, wenn die eigenen Möglichkeiten derzeit nicht zu den erhofften Wirkungen führen. Die eigenen Fähigkeiten scheinen nicht zu reichen. Mein Ansatz ist es, dass die Fähigkeiten (Ressourcen) zwar vorhanden sind, aber der Zugang aus guten Gründen derzeit nicht gelingt – oder in bestimmten Situationen nicht gelingt. (Ein anschauliches Beispiel der Sexualtherapie im Rahmen einer Paartherapie: Bei vielen sogenannten Erektionsstörungen klappt die Selbstbefriedigung – also ist die Erektion nur in einer ganz speziellen Situation als Fähigkeit nicht da.). Die gemeinsame Arbeit besteht unter anderem darin, dass wir gemeinsam den Zugang zu vorhandenen Ressourcen suchen und finden. Und daraus entstehen oft neue, nachhaltige Gewohnheiten.

Welche Probleme führen Ihrer Erkenntnis nach Paare meistens in eine Therapie?

Rüdiger Wacker: Die Themen, bei denen Paare nicht mehr weiter kommen, sind sehr vielfältig und stammen aus allen Phasen der Beziehung. Ein paar Beispiele: Frisch Verliebte, die Lösungen für ihre Sexualität finden möchten, gerade Verheiratete, bei denen sich ein Partner auf der Hochzeit in jemand anderen verliebt hat, Paare, bei denen Unterschiede im Kinderwunsch bestehen, junge Eltern, die weniger streiten möchten, Paare mit akuten Krisen wie aktuellen Affären oder weiter zurückliegenden Affären, die gerade herausgekommen sind, Eltern, die wieder mehr Nähe finden möchten, nachdem die Kinder ausgezogen sind. Vielen Themen gemeinsam sind Verbesserungswünsche zur Kommunikation und/oder zum Umgang mit Belastungen.

Muss man in einer Partnerschaft sein, um eine Paartherapie aufzusuchen oder kann man dies auch als Einzelperson tun, um eine Krisensituation zu entspannen?

Rüdiger Wacker: Es gar nicht selten, dass zunächst nur eine Person zu mir kommt, weil der andere entweder kein Problem sieht, das Problem nur beim anderen sieht oder Paartherapie für nicht geeignet hält. Oft gelingt es aber, den anderen Partner einzuladen, wenn deutlich wird, dass ein respektvoller Gesprächsrahmen mit einer neutralen Person förderlich für die Qualität der Paarbeziehung sein kann – selbst wenn man selbst kein Problem hat.

Manchmal ist es auch die eigene Vorstellung von Paartherapie, die Partner von einer Beteiligung abhält. So ist es verständlicherweise nicht sinnvoll mitzukommen, wenn jemand tief verletzt wurde, sich vielleicht trennen will und gleichzeitig die Vorstellung besteht, dass in der Therapie auf jeden Fall an einer gemeinsamen Zukunft arbeitet. Da hilft es bereits zu verdeutlichen, dass (bei mir) Paartherapie immer ein offener Prozess ist und gerade das Thema „trennen oder bleiben“ Teil der gemeinsamen Arbeit sein kann. Weiterhin kann man den anderen Partner zum gemeinsamen Gespräch gewinnen, wenn man deutlich macht, dass der eine Partner tatsächlich selbst ein Problem hat, der andere bei dessen Lösung im Rahmen eines Paargesprächs aber bitte mithelfen möge. Dann haben einige nicht den Eindruck, nicht so sehr als „Angeklagter“ denn als „Helfer“ ins gemeinsame Gespräch zu gehen. Aber auch im Einzelgespräch kann man Wege finden, um konstruktiv auf die Partnerschaft einzuwirken. Wenn einer sich anders verhält und andere Einstellungen mit nach Hause bringt, können alte Muster positiv gestört werden und neue Umgangsweisen entstehen. Im Einzelgespräch im Rahmen einer Paarthematik ist der andere sozusagen virtuell anwesend, indem ich z.B. frage: „Was würde sich denn Ihr Partner wünschen, was hier heute besprochen wird oder wie Sie sich nach unserem Gespräch anders verhalten?“ Das führt oft auf konstruktive Spuren zur gemeinsamen Veränderung.

Eine Therapiestunde kann bei einem seriösen Anbieter schon einiges kosten. In welchen Fällen kann die Krankenkasse einem Paar unter die Arme greifen?

Rüdiger Wacker: Mit den Modalitäten von Krankenkassen kenne ich mich nicht aus, weil meine Klientinnen und Klienten Selbstzahler sind. So weit mir bekannt, kann in einer Einzeltherapie, die von der Kasse übernommen wurde, auch mal ein Partner eingeladen wird. Diese Sitzung wird dann im Rahmen der Einzeltherapie von der Krankenkasse übernommen.

Herr Wacker, vielen Dank für das Gespräch!