Das Handwerk kämpft um Köpfe und findet neue Wege

Interview mit Matthias Forßbohm
Fachkräftemangel, Digitalisierung und demografischer Wandel setzen das Handwerk unter Druck. Die Handwerkskammer zu Leipzig beschreibt, wie Betriebe reagieren und wo strukturelle Grenzen liegen.

Inwiefern beeinflusst der aktuelle Fachkräftemangel die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von Handwerksbetrieben auf dem Markt?
Handwerk begegnet Fachkräftemangel innovativ und weltoffen. Durch digitale Lösungen fürs Büro und den Einsatz von KI werden Routineaufgaben, die nicht ins Kerngeschäft des jeweiligen Handwerks gehören, weitestgehend automatisiert. Kooperationen mit ausländischen Kammern oder Organisationen fördern direkten Zugang zu ausländischen Fachkräften, auf die einzelne Gewerke verstärkt zugreifen. Auch alternative Bildungswege rücken immer mehr in den Fokus. Zum Beispiel werden lernschwache Schüler individuell gefördert und können während der Lehre noch ihren Schulabschluss nachholen.

Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie für Ihren Betrieb, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden?
Da die Handwerkskammer zu Leipzig „nur“ eine Interessenvertretung für viele verschiedene Gewerke ist, können wir keine spezifischen Anforderungen benennen. Allgemein lässt sich aber sagen, dass Handwerk eine personalintensive Branche ist. Steigende Kosten in Form des Mindestlohns, der Sozialabgaben, aber auch gestiegene Energie- und Rohstoffkosten machen es zunehmend vor allem kleineren Betrieben schwer, sich Mitarbeiter überhaupt noch leisten zu können.

Was die Bindung der Mitarbeiter angeht, hat Handwerk einen echten Vorteil. Oft sind die Betriebe familiengeführt und dementsprechend ist die Mitarbeiterbindung hoch und die persönlichen Beziehungen tiefgehend.

Können Sie aus Ihrer Erfahrung berichten, welche Maßnahmen in der Praxis besonders wirkungsvoll waren, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?
Betriebe, die gut vernetzt in ihrer jeweiligen Region sind, haben in der Regel keine Schwierigkeiten, um Fachkräfte zu gewinnen. Durch Vernetzung mit anderen Unternehmen, der Lokalpolitik oder im Ehrenamt haben die Handwerkerinnen und Handwerker genügend Berührungspunkte zu potenziellen Fachkräften. Außerdem steht unsere Job- und Fachkräftebörse zur Verfügung, die Betriebe und Arbeitssuchende zusammenbringt. Hinzu kommen zahlreiche Aktionen, um schon frühzeitig an den Nachwuchs zu kommunizieren. In Sachsen gibt es einen gemeinsamen Tag der offenen Tür der Unternehmen („Schau‘ rein!“). Wir als Handwerkskammer engagieren uns bei der Nacht der Ausbildung sowie auf zahlreichen Berufsorientierungsmessen. Viele Unternehmen bieten auch Schülerpraktika an oder haben eine Partnerschaft mit einer lokalen Kita. Außerdem nutzen viele soziale Medien, um den Berufsalltag im Handwerk realistisch zu zeigen und so Lust auf einen der über 130 Handwerksberufe zu machen.

Angesichts der demografischen Entwicklung und der zunehmenden Digitalisierung: Welche Rolle spielt die Ausbildung und Weiterbildung im Handwerk, um den Fachkräftemangel zu adressieren?
Ausbildung war und bleibt eine der zentralen Säulen, um Fachkräfte fürs Handwerk zu gewinnen. Hier muss noch mehr Flexibilität ins System, um aktuelle Entwicklungen wie KI schneller in die Lehrinhalte einbeziehen zu können.

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Matthias Forßbohm

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