Wie hat sich der Markt für Führungskräfte-Coaching in den letzten Jahren entwickelt und welche Trends sind derzeit prägend?
Der starke Einfluss von Künstlicher Intelligenz, insbesondere der LLMs, hat zu einem zwischenzeitlichen Rückgang der Nachfrage nach Führungskräfte-Coachings geführt. Viele Führungskräfte waren stark damit beschäftigt, sich mit der KI-Transformation und ihren Konsequenzen auseinanderzusetzen. Das führte zu einer Delle in 2024 und Anfang 2025. Jetzt sehen wir wieder einen steigenden Bedarf nach persönlicher Beratung und Sparring. Trendthemen sind der Umgang mit der KI-Transformation, Leistungskultur, Aufbau leistungsstarker Teams und der Umgang mit Komplexität.
Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie im Coaching von Führungskräften und wie gehen Sie mit möglichen Widerständen um?
Die größte Herausforderung ist, dass in Deutschland – anders als in Kulturen wie den USA oder Großbritannien – Führung nicht als Priorität gesehen wird. Hier dominiert die fachliche und ingenieurgetriebene Perspektive, während Führung „nebenher” läuft. Vielen ist nicht bewusst, dass soziale Dynamiken nachweislich 80 % des Unternehmenserfolgs ausmachen und stark vom Führungsverhalten geprägt sind. Es fehlt an Bereitschaft, sich kontinuierlich infrage zu stellen und eigene blinde Flecken zu erkennen. Leadership wird in Deutschland oft mit Feel-Good-Management verwechselt. New Work wurde anders interpretiert als in seinem Ursprung: Während es in den USA stärker auf Kundenorientierung und Produktentwicklung zielt, geht es hier vor allem um Employer Branding, Flexibilität und mentale Gesundheit. Diese Themen sind wichtig, doch Leistungsorientierung bleibt eine zentrale Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg.
Können Sie ein Beispiel aus Ihrer Praxis nennen, bei dem eine Führungskraft durch Coaching signifikante Fortschritte erzielt hat?
Beispiel A: Eine Abteilungsleiterin einer großen Versicherungsgruppe galt als Kandidatin für ein Vorstandsamt, war sich aber unsicher, ob sie sich in einer männlich dominierten Spitze behaupten kann. Ein 360°-Feedback, die Reflexion ihres Selbst- und Fremdbilds und ein eintägiges Strategiecoaching halfen ihr, ihren Ikigai – ihren Positionierungskern – zu finden. Sie entwickelte eine klare Vision rund um das Thema „Human Centered Organisation“, spielte diese konsequent und empfahl sich damit für den Posten. Nach dem erfolgreichen Start, einem orchestrierten Team-Kick-off, einem 100-Tage-Plan und einem Führungssystem zur systematischen Umsetzung wurde sie zwei Jahre später internationale Group-Vorständin.
Beispiel B: Ein Eigentümer einer deutschen SaaS-Firma befürchtete um sein Lebenswerk, nachdem sich zeigte, dass der CEO das Produkt über Jahre nicht weiterentwickelt hatte. Nach dessen Kündigung unterstützten wir das Unternehmen 18 Monate lang beim Aufbau eines neuen Führungsteams, der Entwicklung einer Vision und Roadmap sowie der Klärung von Rollen auf der zweiten Führungsebene. Am Ende konnte ein Verkaufsprozess mit deutlich überdurchschnittlichem Erlös angestoßen werden.
Inwiefern wird sich Ihrer Meinung nach die Rolle des Coachs für Führungskräfte in den nächsten fünf Jahren verändern?
Erfahrung wird wichtiger. Führungskräfte benötigen umfassende Beratung, um ein System aufzubauen, das in ihrem Kontext wirkt. Da „Coaching“ kein geschützter Titel ist, trennt sich die Spreu zunehmend vom Weizen. Wir verstehen uns als Führungskräfteberater und Experten, zu deren Leistungsspektrum Coaching und Sparring zählen. Wir glauben an einen ganzheitlichen, wertgestaltenden Ansatz. Die extreme Spezialisierung auf einzelne Tools oder Themen halten wir für die falsche Entwicklung. Entscheidend ist langjährige eigene Führungserfahrung kombiniert mit Strategiekompetenz.
Angesichts der zunehmenden Digitalisierung: Wie integrieren Sie technologische Lösungen in Ihre Coaching-Methoden für Führungskräfte?
Führungskräfte wünschen sich einen Menschen, dem sie vertrauen können. Wir haben zwar KI-basierte Chatbots, aber diese werden kaum nachgefragt. In einer Zeit, in der sich Menschen zunehmend in digitalen Angeboten verlieren, glauben wir an die Renaissance einer vertrauensvollen, persönlichen Beratung auf Augenhöhe. KI hilft jedoch enorm, Backoffice-Prozesse zu verschlanken – etwa bei Konzeptentwicklung, Interviewauswertung oder Research.