Resilienz als Organisationsaufgabe

Interview mit Elke Nürnberger
Resilienz ist längst mehr als Stressmanagement – sie wird zur strukturellen Aufgabe. Coachin Elke Nürnberger erklärt, wie Unternehmen echte Stabilität entwickeln können.

Wie hat sich der Markt für Resilienz-Coaching in den letzten Jahren entwickelt und welche Trends beobachten Sie aktuell in der Nachfrage?
Resilienz hat in den letzten Jahren eine deutliche Verschiebung erlebt: weg vom individuellen „Stärker-werden“ hin zu einer organisationalen Aufgabe. Viele Unternehmen merken inzwischen, dass reine Entspannungsprogramme nicht ausreichen. Der Trend geht klar zu struktureller Resilienz: zu klaren Rollen, transparenten Entscheidungswegen und Führungskräften, die Orientierung bieten.

Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Angeboten, die dafür wirksam sind: wissenschaftlich fundiert, psychologisch tief und eng an den Arbeitsalltag angebunden. Besonders sichtbar ist dies bei Führungskräften, die in Zeiten von Unsicherheit ein anderes Instrumentarium brauchen als klassische Motivationstechniken.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung von Resilienzstrategien in Unternehmen und wie können diese erfolgreich gemeistert werden?
Die größte Herausforderung ist die Erwartung, dass Resilienz „schnell“ oder „durch ein Training“ herstellbar sei. Resilienz entsteht nicht durch ein einzelnes Seminar, sondern durch konsequente kulturelle Arbeit im Sinne der Organisationsentwicklung. Diese muss idealerweise von allen Ebenen verstanden, gelebt und mitgetragen werden.

Oft fehlen die notwendigen Rahmenbedingungen: unklare Zuständigkeiten, fehlende Entscheidungswege und mangelnde Transparenz. Erfolgreich wird es dann, wenn Unternehmen bereit sind, Verantwortung neu zu strukturieren, Entscheidungen nachvollziehbar zu machen und eine Fehler- bzw. Lernkultur zu etablieren. Resilienz ist kein Add-on – sie ist das automatische Ergebnis gut gestalteter, sinnhafter Strukturen.

Können Sie aus Ihrer Praxis ein Beispiel nennen, in dem Resilienz-Coaching einen signifikanten Unterschied in der beruflichen Entwicklung eines Klienten bewirkt hat?
Ein Beispiel stammt aus einer Organisation, die unter hoher Arbeitsverdichtung und Stress litt. Eine Führungskraft reagierte zunehmend mit Rückzug und Entscheidungsvermeidung – typische Zeichen eines überlasteten Systems. Dadurch entstanden mehrere negative Folgen.

Im Coaching wurde sowohl individuell als auch strukturell gearbeitet: Entscheidungswege wurden neu sortiert, Verantwortlichkeiten klar definiert und kritische Gespräche geführt, die lange aufgeschoben worden waren. Der Effekt war deutlich: Die Führungskraft gewann Handlungssicherheit zurück, das Team wurde stabiler, Konflikte nahmen ab. Resilienz zeigte sich nicht nur in mehr persönlicher Stärke, sondern in besserer Arbeitsarchitektur und Team-Stimmung.

Inwiefern glauben Sie, dass sich der Bedarf an Resilienz-Coaching in den nächsten fünf Jahren verändern wird – gerade im Kontext Digitalisierung und Arbeitsverdichtung?
Die Nachfrage wird steigen – aber die Fragestellungen werden sich verschieben. Digitalisierung erzeugt nicht automatisch Entlastung, sondern oft neue Belastungsprofile: permanente Erreichbarkeit, höhere Taktung, komplexere Informationsflüsse. Viele Unternehmen erleben eher Verdichtung als Vereinfachung.

Damit rückt Resilienz-Coaching weg von klassischem Stressmanagement und hin zu systemischen Fragen: klare Entscheidungsprozesse, reibungsarme Strukturen, Orientierung durch Führung, Kommunikation, die Unsicherheit handhabbar macht. Die kommenden Jahre verlangen keine „höhere Belastbarkeit“, sondern klug gestaltete Organisationen, die Stabilität ermöglichen.

Angesichts der unterschiedlichen Branchenanforderungen: Wie wichtig ist es, Resilienz-Coaching individuell an die spezifischen Bedürfnisse eines Unternehmens anzupassen?
Unverzichtbar. Resilienz ist kein standardisiertes Trainingspaket, sondern immer ein Spiegel der jeweiligen Arbeitsrealität: Kultur, Kommunikationsmuster, informelle Strukturen, branchentypische Belastungen. Ein Produktionsunternehmen benötigt andere Hebel als ein digitaler Dienstleister oder ein Krankenhaus.

Wirksame Resilienzentwicklung beginnt mit dem Verstehen des Systems: ungenutzte Ressourcen, blinde Flecken, Routinen, die Anpassungsfähigkeit stützen oder behindern. Erst wenn diese Dynamiken sichtbar werden, entsteht Resilienzarbeit, die trägt – weil Mitarbeitende Orientierung, Handlungsspielraum, psychologische Sicherheit und ein starkes Miteinander erleben.

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Elke Nürnberger

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