Sabine Strobel: Fehlen von Aufstiegsmöglichkeiten

Interview mit Sabine Strobel
Sabine Strobel ist Inhaberin von STROBEL KOMMUNIKATION & COACHING in Hannover. Mit ihr sprechen wir über Unzufriedenheit im Job, häufige Gründe sowie Neuorientierung.

Es gibt zahlreiche Gründe, warum Beschäftigte unzufrieden mit ihrem Job sind. Für viele ist aber eine berufliche Neuorientierung keine Option. Was sind die häufigsten Gründe, die zu einer Jobunzufriedenheit führen?

Sabine Strobel: „Man kommt wegen des Jobs und geht wegen des Chefs“, höre ich häufig im Coaching. Oft ist es ein Wechsel der Führungskraft Grund für Unzufriedenheit. Man bleibt aber wegen der netten Kolleginnen und Kollegen und dem vertrauten Arbeitsumfeld. Darüber hinaus sind viele Führungskräfte darin geübt, auf Fehler, Abweichungen vom Soll und mögliche Verbesserungen zu achten. Wie wirksam ein positives Feedback oder ein differenziertes Lob ist, wird häufig vergessen, weil Führungskräfte oft selbst nur wenig Lob bekommen. Auch Stellenabbau macht unzufrieden, auch wenn man noch nicht selbst davon betroffen ist und nur (zu)sieht, wie die eigene Abteilung immer weiter schrumpft und liebe Kollegen gehen müssen – das ist sehr demotivierend für die Rumpfmannschaft. Auch die zunehmende Digitalisierung belastet Beschäftigte, die sich nicht so schnell in neue Techniken einarbeiten können und sich vielleicht abgehängt fühlen – das erzeugt Frust. Ein anderer Grund ist das Fehlen von Aufstiegschancen oder Fortbildungsmöglichkeiten im Unternehmen. So richten sich viele erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Komfortzone ein. Nach der aktuellen GALLUP-Studie* haben 68 % der Beschäftigten eine geringe emotionale Bindung zum Arbeitgeber, viele von ihnen machen Dienst nach Vorschrift – das macht auf Dauer unzufrieden. Und auch der Gedanke: „Nur noch ein paar Jahre bis zur Rente, das halte ich schon noch aus“, steigert nicht die Selbstwirksamkeit. Die Herausforderungen, die Anstrengung und kleine Erfolgserlebnisse fehlen dann im beruflichen Alltag. Viele trauen sich auch nicht, ihren Vorgesetzten Feedback zu geben, um ihre Aufgaben oder ihr Arbeitsumfeld aktiv zu verändern. Sie reden dann lieber mit ihren Kolleginnen und Kollegen wie schlecht es ihnen geht; diese Passivität zieht sie dann noch mehr nach unten in die Unzufriedenheitsspirale. Und irgendwann herrscht schlechte Stimmung, das überträgt sich auf andere.

Woher weiß man, dass es Zeit ist den Job zu wechseln, um sich neuen Herausforderungen zu stellen?

Sabine Strobel: Irgendwann ist der Leidensdruck so hoch, dass man wechseln muss. Viele nehmen ihren Sorgen mit nach Hause, die Gedanken drehen sich permanent um den Job, der keinen Spaß mehr macht, manche schlafen schlecht. Meist kommen sie erst zu spät zum Bewerbungscoaching, zweifeln schon an sich selbst und ihren Fähigkeiten. Kein guter Ausgangspunkt, um sich etwas Neues zu suchen. Mein Tipp: Frühzeitig das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen, dann weiß man, ob sich langfristig was ändert und dann nicht zu lange mit den Bewerbungen warten, sondern es einfach mal probieren und schauen, was passiert. Ein Indiz ist auch, wenn die Stunden reduziert werden. Erst auf 30 Stunden pro Woche, dann auf 20 Stunden – und trotzdem ist da noch eine Unzufriedenheit zu spüren. Dann sollte man sich auf jeden Fall etwas Neues suchen. Es gibt aber auch einfach neugierige Veränderungstypen, die alle fünf bis sieben Jahre eine neue Herausforderung suchen – das kann man schön an ihrem Lebenslauf erkennen. Wenn sie dann die Veränderung nicht im eigenen Unternehmen finden, wechseln sie den Arbeitgeber. 

Viele Beschäftigte über 35 haben Hemmungen sich neu zu orientieren. Kann man im fortgeschrittenen Alter noch adäquat Karriere machen?

Sabine Strobel: Ich würde sagen, dass heutzutage 35 noch kein fortgeschrittenes Alter ist. Viele sind erst mit 30 mit dem Studium fertig und ziehen dann von Zuhause aus. Andere starten mit 35 richtig durch, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Wir haben ja einen „War of talent“, also zu wenig Fachkräfte in Deutschland. Ich habe eher den Eindruck, dass 50 eine magische Grenze ist. Lohnt es sich noch, mich zu bewerben? Habe ich noch genug Energie, um neu durchzustarten? Was ist, wenn das nicht der richtige Job ist – muss ich dann noch einmal wechseln? Solche Themen bearbeite ich häufig im Bewerbungscoaching. Ich rate dann dazu, offen mit den vermeintlichen KO-Kriterien umzugehen und die Gerade-weil-Technik anzuwenden. Also zum Beispiel: „Gerade weil ich über 50 bin, möchte ich jetzt nochmal richtig Gas geben und Ihnen zeigen, was ich draufhabe.“ Meine Meinung: Ja klar, kann man im fortgeschrittenem Alter noch Karriere machen. Das Haus ist gebaut, die Kinder gehen ihre eigenen Wege – ab 50 haben manche wieder mehr Zeit für die Arbeit. Viele starten dann ins zweite Berufsleben und machen nochmal ganz was anderes. Etwas, das ihnen mehr Spaß macht, als vielleicht im ersten Berufsleben.

Ein Neuanfang ist immer schwer. Wie kann man mentale Hürden der Neuorientierung überwinden?

Sabine Strobel: Im Coaching frage ich die Klienten häufig, was sie als Kind gerne gemacht haben. Manchmal rutscht man in ein Berufsleben einfach gedankenlos rein. Wir schauen dann, was die Klienten für Fähigkeiten und Talente haben, was sie damit machen können oder was sie schon immer mal machen wollten. Ziel ist es, neue Möglichkeiten zu eröffnen. Ich arbeite nach dem Motto: „Mache das, was dir Spaß macht und verdiene Geld damit.“ Sobald die Menschen ein Ziel haben, an das sie positiv denken können, bekommen sie wieder Zuversicht. Sich ausprobieren dürfen ist dabei wichtig. Eine der größten mentalen Hürden ist im Bewerbungsprozess: „Muss ich mich jetzt verkaufen?“. Ich finde es wichtig, dass man bei der Jobsuche weiß, was man will und was man nicht will und dann schaut, ob es zusammenpasst. Bewerben kann auch spannend sein, wenn man eine andere Rolle einnimmt. Viele setzen sich selbst unter hohen Druck, weil sie denken, dass sie bei einem Wechsel den perfekten Arbeitgeber und den perfekten Job finden müssen und Angst haben, dass zu viele Wechsel hinterher im Lebenslauf nicht gut aussehen. Aus dieser Angst bewerben sie sich erst gar nicht. Wir vergessen, dass eine Probezeit dafür da ist, um zu schauen, ob man zusammenpasst oder nicht. Und wenn es nicht passt, muss sich wieder bewerben – das ist wohl die größte Hürde.

Was muss man also tun, damit eine berufliche Neuorientierung gelingt?

Sabine Strobel: Auf sich selbst vertrauen. Seine Stärken und Schwächen kennen und offenlegen. Mutig sein, Neues ausprobieren. Sich einfach mal auf Jobs bewerben, die man vielleicht nicht unbedingt haben will, um Bewerbungsgespräche zu üben, das eigene Selbstvertrauen zu stärken. Absagen kann man notfalls immer noch. Den Bewerbungsprozess spielerisch nehmen, auch wenn es dabei um viel geht. Natürlich ist ein Jobcoach dabei hilfreich, es kann aber auch eine gute Freundin sein, die die Bewerbungsunterlagen liest und Feedback gibt.

Was raten Sie Beschäftigten, die mit dem Gedanken spielen, den Beruf zu wechseln?

Sabine Strobel: Erst mal die Bewerbungsunterlagen auf Vordermann bringen, ein neues Foto machen lassen. Im Job schauen, wo die eigenen Fähigkeiten liegen. Sich bei der aktuellen Arbeit die eigenen Stärken notieren und schauen, welche Aufgaben einem Spaß machen und was man gut kann. Kollegen fragen, wie man auf andere wirkt – all das fügt sich dann zu einem Gesamtbild zusammen. Auch sollte man sich über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten informieren. Manchmal macht es Sinn, etwas völlig Neues lernen, um besser für den Arbeitsmarkt qualifiziert zu sein. Hauptsache man wird aktiv und nimmt sein Leben wieder selbst in die Hand. Das allein ist schon ein gutes Gefühl.

Frau Strobel, vielen Dank für das Gespräch!

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