Was Resilienz heute in Unternehmen wirklich bedeutet

Interview mit Saskia Kuhmann
Resilienz entscheidet über Handlungsfähigkeit in unsicheren Zeiten. Coach und Beraterin Saskia Kuhmann erläutert, warum Resilienz heute Führungsqualität, Teamkultur und Organisation gleichermaßen betrifft.

Wie beobachten Sie die aktuelle Bedeutung von Resilienz im beruflichen Umfeld und welche Trends zeichnen sich dabei ab?
Resilienz hat im beruflichen Umfeld deutlich an Bedeutung gewonnen, weil Organisationen sich inzwischen in einem Zustand dauerhafter Veränderung befinden. In meiner Arbeit beobachte ich dabei einen klaren Wandel im Verständnis. Resilienz wird zunehmend nicht mehr nur als individuelle Fähigkeit betrachtet, sondern als Ergebnis von Führungsqualität, Teamkultur und organisationalen Rahmenbedingungen.
Ein deutlicher Trend ist die Abkehr vom alten „Augen zu und durch“-Narrativ. Stattdessen rückt die Fähigkeit in den Vordergrund, Grenzen wahrzunehmen, mit Unsicherheit umzugehen und aus Erfahrungen zu lernen.
Gleichzeitig wächst das Bewusstsein, dass Resilienz eng mit Entscheidungsfähigkeit, Klarheit und psychologischer Sicherheit verbunden ist. Damit entwickelt sich Resilienz von einem persönlichen Thema zu einer strategischen Organisationskompetenz.

Welche Hindernisse oder Probleme sehen Sie bei der Förderung von Resilienz in Unternehmen?
Ein großes Hindernis ist, dass Resilienz oft isoliert betrachtet wird. Viele Unternehmen bieten Trainings an, ohne gleichzeitig die strukturellen Ursachen von Überlastung anzuschauen. Wenn Arbeitsdichte, Prioritäten und Erwartungen nicht zusammenpassen, kann niemand dauerhaft resilient handeln.
Ein weiteres Missverständnis ist die Idee, Resilienz bedeute, sich einfach besser an schwierige Bedingungen anzupassen. Das führt eher zu Erschöpfung und Burnout als zu innerer Stabilität und Veränderungskompetenz. Wirkliche Resilienzförderung braucht die Bereitschaft, sowohl individuelles Verhalten als auch Führungs- und Arbeitsstrukturen ehrlich zu reflektieren.

Können Sie ein Beispiel aus der Praxis nennen, wo Resilienz entscheidend zur Bewältigung einer beruflichen Herausforderung beigetragen hat?
In Transformations- und Krisensituationen wird Resilienz zur zentralen Voraussetzung wirksamer Führung. In wirtschaftlich angespannten Veränderungsphasen stehen Führungskräfte häufig unter hohem Entscheidungs- und Verantwortungsdruck. Sie müssen in kurzer Zeit weitreichende Entscheidungen treffen, etwa zur Neuausrichtung von Zusammenarbeit oder zu Trennungen von Mitarbeitenden, während Strukturen noch im Umbau sind und Klarheit oft erst in der tatsächlichen Umsetzung entsteht. Selbst erfahrene Führungskräfte geraten dabei an ihre Grenzen, weil sie Entscheidungen treffen und deren Konsequenzen tragen müssen, ohne ausreichend Zeit zu haben, sich innerlich auf die Veränderungen einzustellen.
Im Coaching geht es in solchen Situationen darum, die Selbstklärung zu beschleunigen und Handlungsfähigkeit zu stabilisieren. Führungskräfte lernen, die Realität der Lage anzunehmen, auch wenn sie diese nicht gutheißen, innere Widerstände zu klären und unter Stress orientiert zu entscheiden. Dadurch verkürzt sich die Phase innerer Blockade deutlich. Beschlüsse werden klarer, konsistenter und nachhaltiger getroffen.
Rückmeldungen zeigen, dass Entscheidungen ohne diese Begleitung häufig weniger konsequent umgesetzt worden wären, die mentale Gesundheit stärker belastet gewesen wäre und eher Aktionismus als wirksame Gestaltung entstanden wäre.

Auf welche Weise hat sich die Zusammenarbeit innerhalb von Teams verändert, wenn Resilienz gefördert wird?
Wenn Resilienz in Teams gefördert wird, verändert sich vor allem die Qualität der Zusammenarbeit, die Geschwindigkeit der Lösungsfindung und der Umgang mit Veränderungen. Kommunikation und Verantwortlichkeiten werden transparenter, Spannungen werden früher angesprochen und sinnvolle Lösungen werden schneller gemeinsam erarbeitet.
Das stärkt Vertrauen und reduziert verdeckte Belastungen. Gleichzeitig entsteht mehr Raum für kreatives Denken, weil Aufmerksamkeit nicht mehr primär in Absicherung, Rechtfertigung oder Kompensation gebunden ist. Sinn und gemeinsame Werte wirken dabei als Orientierung, insbesondere in Phasen von Unsicherheit oder widersprüchlichen Anforderungen. Teams können Entscheidungen besser einordnen, Prioritäten klarer setzen und neue Lösungswege entwickeln.
Resiliente Teams sind nicht konfliktfrei, aber sie sind deutlich besser in der Lage, mit Konflikten, Druck und Unsicherheit umzugehen und dabei handlungsfähig, kreativ und wertebasiert zu bleiben.

Welche Entwicklungen erwarten Sie in der Zukunft in Bezug auf die Relevanz von Resilienz in der Arbeitswelt?
Ich gehe davon aus, dass Resilienz künftig noch stärker als Führungs- und Gestaltungsaufgabe verstanden wird. Angesichts anhaltender Unsicherheit reicht es nicht mehr aus, individuelle Bewältigungsstrategien zu vermitteln.
Entscheidend wird sein, Organisationen so zu gestalten, dass Orientierung und Steuerungsfähigkeit auch unter Unsicherheit möglich bleiben, kontinuierliches Lernen und Veränderung im Arbeitsalltag verankert sind und Gesundheitskompetenz ebenso wie Regeneration in dauerhafter Transformation ihren Platz haben.
Resilienz wird damit zu einem zentralen Qualitätsmerkmal von Führung und Organisationskultur sowie zu einem entscheidenden Faktor für langfristige Leistungsfähigkeit und unternehmerische Zukunftsfähigkeit.

Interview teilen: 

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp
No related posts found for the provided ACF field.

Zum Expertenprofil von Saskia Kuhmann

Saskia Kuhmann

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter diesem Link:

Weitere Interviews

die neusten BTK Videos