Die Risiken der Manager-Kohorte – Dr. Boris Jan Schiemzik

Interview mit Dr. Boris Jan Schiemzik
Dr. Boris Jan Schiemzik ist Rechtsanwalt und Gründungspartner der Wirtschaftsrechtskanzlei ROSE & PARTNER. Seine Kanzlei unterstützt Unternehmen bei Schadensersatzprozessen gegen Manager und berät Geschäftsführer bei Fragen von Asset Protection-Maßnahmen. Im Interview spricht er über White Collar Crime und neue Trends bei Haftungsprozessen.

 „Manager stehen mit einem Bein im Gefängnis“, heißt es oft. Wie viel Wahrheit beinhaltet diese Aussage?

Dr. Boris Jan Schiemzik: Wenn Sie betroffene Manager wie Thomas Middelhoff (Arcandor) oder Michael Rook (Media-Saturn) fragen, bekommen Sie bestimmt zu hören, dass der deutsche Manager nicht nur gefahrgeneigt arbeitet, sondern auch allzeit inkriminiert wird. Aus der Sicht eines Unternehmensanwalts würde ich eine solche Einschätzung jedoch relativieren: Die Gesetze bürden Geschäftsführern und Vorständen hohe Sorgfaltspflichten auf. Werden diese verletzt, muss der Manager mit einer Schadensersatzklage durch das Unternehmen rechnen. Ja, die Manager-Kohorte ist erhöhten Risiken ausgesetzt. Managementfehler führen aber regelmäßig nicht in den Strafvollzug. Rechtspolitisch ist das sicher auch nicht vom Gesetzgeber gewollt. Im Strafrecht herrscht bei uns noch immer das Prinzip der „ultima ratio“, das heißt, dass das Strafrecht das letzte Mittel bildet. Auch wenn aufsehenerregende Strafverfahren wie im Fall Martin Winterkorn (VW) ein hohes mediales Echo verursachen, sieht die Alltagspraxis etwas anders aus. Kommt es unterdessen in Einzelfällen zu Strafanzeigen bei Konflikten mit Managern, agieren Strafverfolgungsbehörden – wohl auch wegen ihrer knappen Ressourcen im Bereich der Wirtschaftskriminalität – nicht selten zurückhaltend.

Welche strafrechtlichen Folgen kann die Managementhaftung haben?

Dr. Boris Jan Schiemzik: Das Managerversagen kann aus strafrechtlicher Sicht die unterschiedlichsten Ausprägungen haben. Oftmals wird Geschäftsführern Untreue, Betrug, Insolvenzverschleppung, Steuerhinterziehung, Bankrott oder Bestechung vorgeworfen. Bei der Frage des Strafrahmens kommt es immer auf die individuelle Schuld des Managers an. Sehr ressourcenschonend für die Strafverfolgungsbehörden und den Manager ist eine Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage. Im Falle eines Geständnisses des Managers ist aber auch ein strafrechtlicher „Deal“ denkbar, durch den eine Strafe mit dem Staatsanwalt ausgehandelt wird. Bei den klassischen White Color Crime-Delikten mit weitreichenden Schadensfolgen für Unternehmen und Unternehmensgläubiger muss der Manager aber auch mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen. Im VW-Skandal hat das Landgericht Braunschweig gerade das Verfahren wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs zugelassen. Die ehemaligen VW-Manager müssen wegen der Diesel-Affäre eine Freiheitstrafe von einem bis zu zehn Jahren fürchten.

Unter welchen Umständen sind Führungskräfte und Manager schadenersatzpflichtig?

Dr. Boris Jan Schiemzik: Für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer sieht das Gesetz spezielle Verhaltensregeln vor. Diese Regeln stellen die Grundlage für die Managerhaftung und Schadensersatzansprüche dar. Verletzt ein Geschäftsführer seine Treuepflichten und verursacht dadurch einen Schaden bei seiner Gesellschaft, kann sie gegen den Manager Schadensersatz fordern. Erschwerend trifft den Manager eine prozessuale Beweislast. In einem Haftungsprozess muss die Gesellschaft nur den Eintritt des Schadens und die Verursachung durch den Manager darlegen und beweisen. Der Manager muss – vereinfacht ausgedrückt – sich entlasten und beweisen, dass sein Verhalten nicht pflichtwidrig war. Dies ist in der Gerichtspraxis oftmals sehr schwierig. Zwar wurden im Laufe der Zeit einzelne wichtige Spielräume, zum Beispiel die Business Judgment Rule, zugunsten des Managers entwickelt, die haftungsbegrenzend wirken können. Im Großen und Ganzen trägt aber der Manager die Verantwortung und muss für finanzielle Schäden gegenüber der Gesellschaft einstehen. Zu betonen ist, dass der Manager nicht nur für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen wird. Sowohl in der Aktiengesellschaft als auch in der GmbH gilt der Grundsatz der Gesamtverantwortung der Manager. Auch wenn es eine funktionale Ressortaufteilung im Managementkreis gibt (Einkauf, Produktion, IT, Recht, etc.), bleibt es bei einer Gesamtverantwortung der Mitglieder des gesamten Vorstands. Alle Manager müssen ihre Kontrollrechte in den fremden Ressorts wahrnehmen.

Wie häufig kommt es in der Realität zu Klagen auf Managementhaftung?

Dr. Boris Jan Schiemzik: Im Rahmen der Entflechtung der „Deutschland AG“ schlägt den Managern ein immer rauerer Wind entgegen. Wir können beobachten, dass Unternehmen immer häufiger gegen ihre ehemaligen Topmanager klagen. Aber auch die Rechtsprechung befördert den Trend hin zur Managerhaftung. Nach der sogenannten ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1997 müssen Aufsichtsräte Schadensersatzklagen gegen pflichtwidrig handelnde Manager anstrengen, wenn sie Haftungsansprüche gegen sich selbst vermeiden wollen. Überdies macht sich der verstärkte Einsatz der D&O-Versicherung in den letzten Dekaden in Deutschland bemerkbar. Gesellschaften verzichten heute nicht auf Schadenswiedergutmachungen, wenn die finanziellen Schäden von einer D&O-Versicherung gedeckt werden. Der Trend zur Ahndung von Managementversagen wird aber auch durch professionelle Compliance-Systeme befeuert. Compliance-Abteilungen mit unabhängigen Compliance-Officern, die systematisch Regelverstöße im Unternehmen identifizieren und dokumentieren, finden sich heute nicht nur in Großkonzernen, sondern auch schon im Mittelstand. Ihnen wird in den nächsten Jahren eine noch größere Rolle zukommen, wenn das vom Gesetzgeber diskutierte Unternehmensstrafrecht in Gesetzesform gegossen wird.

Wie können sich Manager am besten absichern?

Dr. Boris Jan Schiemzik: Das Thema Haftungsvermeidung wird in der Praxis großgeschrieben. Wichtig ist, dass der Manager sich vor Augen führt und ein Gespür entwickelt, welche Entscheidungen kritische Folgen auslösen können. Grundsätzlich hat der Manager ein weites unternehmerisches Ermessen. Wenn der Manager auf der Grundlage angemessener Informationen handelt, verringert er sein Haftungsrisiko. Das heißt, dass der Dokumentation des Informationserwerbs und der Informationsanalyse höchst relevant wird. Ganz wichtig ist die ständige Anpassung des Risikomanagementsystems (Compliance-System). Für die Manager ist die Einhaltung der Zustimmungsvorbehalte überragend wichtig. Die Manager müssen peinlich genau darauf achten, in welchen Fällen bestimmte Entscheidungen durch die Gesellschafter oder den Aufsichtsrat zu treffen sind, bevor Maßnahmen durch das Management umgesetzt werden dürfen. Bei Unsicherheiten müssen die oft kniffligen Fragen durch Rechtsgutachten geprüft werden. Andererseits drohen Haftungsrisiken. Wegen der hohen Komplexität sollte sich der Manager einen eigenen individuellen Leitfaden zur Haftungsvermeidung erstellen.

Jeder Manager sollte sich auch fragen, ob persönliche Asset Protection-Maßnahmen, etwa im Familienkreis zum Beispiel durch rechtzeitige vorweggenommene Vermögensnachfolge, Familienpool- oder Stiftungslösungen, opportun erscheinen.

Wie gut schützen Versicherungslösungen?

Dr. Boris Jan Schiemzik: Die eindeutige Antwort lautet: gute Versicherungslösungen können das Privatvermögen gut schützen. Ein guter D&O-Schutz kostet jedoch entsprechend. Nicht jeder mittelständische Betrieb kann sich einen High End-Schutz leisten. Es stellt sich auch oft die Frage, ob die bereits bestehende Gruppenversicherung beim Unternehme um wichtige Schutzaspekte bei einem Eintritt eines neuen Managers erweitert werden kann („unsere Manager haben alle diese D&O…“). Hier steckt der Teufel im Detail. Wichtige Aspekte sind, dass umfangreiche Zivilrechtsansprüche und -kosten erfasst werden, einschließlich der Ersatzansprüche nach § 64 GmbHG. Der Manager wird daran interessiert sein, dass auch Verteidigungskosten im Zusammenhang eines Strafprozesses gedeckt sind.

Herr Dr. Schiemzik, vielen Dank für das Gespräch.

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