Wie bewerten Sie die derzeitigen Veränderungen im Arbeitsrecht in Bezug auf Homeoffice-Regelungen und flexible Arbeitszeitmodelle?
Das Homeoffice hat sich in den vergangenen Jahren zu einem festen Bestandteil der Arbeitswelt entwickelt. Bis Mitte der 2010er-Jahre spielte es kaum eine Rolle, doch spätestens seit der Corona-Pandemie ist es aus der Praxis nicht mehr wegzudenken. Die frühere Ausnahme ist heute gängige Realität.
Bis heute fehlt allerdings eine gesetzliche Definition des Homeoffice. Gemeinhin versteht man darunter die Arbeit in der eigenen Wohnung. Daneben gewinnt das sogenannte Mobile Working an Bedeutung, bei dem der Arbeitsort frei gewählt werden kann. Ebenfalls diskutiert wird das Modell der Workation, bei dem Arbeitnehmer ihre Tätigkeit zeitweise aus dem Ausland ausüben. Dieses Modell spielt arbeitsrechtlich bislang jedoch nur eine untergeordnete Rolle.
Wichtig ist: Einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice oder Mobile Working gibt es nicht. Trotz politischer Ankündigungen wurden entsprechende Gesetzesentwürfe aus den Jahren 2021 und 2023 wieder zurückgezogen. Das geschriebene Recht hinkt der praktischen Entwicklung somit weiterhin hinterher.
In der Praxis finden sich daher unterschiedliche Modelle: von vollständigem Homeoffice über Mobile Working bis hin zu quotierten Lösungen, etwa an drei von fünf Arbeitstagen oder im wochenweisen Wechsel. Mangels gesetzlicher Regelungen sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf angewiesen, Homeoffice oder Mobile Working individuell im Arbeitsvertrag, in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen zu regeln.
Flexible Arbeitszeitmodelle bieten eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten. Teilzeitmodelle und Vertrauensarbeitszeit kommen eher den Interessen der Arbeitnehmer entgegen, während Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft oder Kurzarbeit stärker den Flexibilitätsbedürfnissen der Arbeitgeber dienen.
Zusätzlich ist die Arbeitszeiterfassung in den Fokus gerückt. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 2022 entschieden, dass jede Arbeitszeit zu erfassen ist – unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Homeoffice oder im Rahmen flexibler Modelle erbracht wird. Eine Reform des Arbeitszeitgesetzes steht bislang jedoch noch aus.
Insgesamt sind hybride Arbeitsformen und flexible Arbeitszeiten positiv zu bewerten. Sie steigern die Attraktivität von Arbeitsplätzen und ermöglichen Unternehmen eine bessere Anpassung an betriebliche Erfordernisse. Gleichzeitig profitieren Arbeitnehmer von mehr Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Dem stehen jedoch fehlende gesetzliche Klarheit und umfangreiche Dokumentationspflichten gegenüber.
Welche Herausforderungen ergeben sich aktuell für Unternehmen und Arbeitnehmer durch die sich verändernden rechtlichen Rahmenbedingungen?
Eine der größten Herausforderungen sind die Pflichten zur Arbeitszeiterfassung und Dokumentation. Viele Unternehmen tun sich schwer, rechtssichere und zugleich praxistaugliche Systeme einzuführen.
Da gesetzliche Vorgaben fehlen, müssen Arbeitgeber Homeoffice- und Mobile-Working-Regelungen klar und verständlich selbst ausgestalten. Für beide Seiten problematisch ist zudem die zunehmende Vermischung von Arbeits- und Freizeit. Das Schreiben von E-Mails am Abend oder am Wochenende kann zu Verstößen gegen Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten führen und langfristig die Gesundheit der Beschäftigten belasten.
Flexible Arbeitszeitmodelle erfordern stets die Beachtung des Arbeitszeitgesetzes und gegebenenfalls die Führung von Arbeitszeitkonten. Hinzu kommen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Auch Datenschutz und IT-Sicherheit spielen im Homeoffice eine zentrale Rolle, da der Zugriff Dritter auf Unternehmensdaten verhindert werden muss.
Welche juristischen Aspekte sollten Unternehmen besonders beachten, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden?
Unternehmen sollten klare arbeitsvertragliche Regelungen treffen, aus denen Umfang und Organisation von Homeoffice oder Mobile Working eindeutig hervorgehen. Unklare Formulierungen wie „Homeoffice wird ermöglicht“ oder „nach Absprache“ schaffen keine Rechtssicherheit.
Sinnvoll sind zudem Regelungen zum zulässigen Arbeitsort beim Mobile Working sowie klare Vorgaben zum Datenschutz. Möchte ein Arbeitgeber Homeoffice beenden, ist dies in der Regel nicht einseitig möglich. Rechtssicherheit bietet meist nur eine einvernehmliche Änderungsvereinbarung.
Widerrufsklauseln können hilfreich sein, müssen jedoch klar formuliert und sachlich begründet sein. Darüber hinaus ist ein rechtssicheres System zur Arbeitszeiterfassung erforderlich, auch bei Vertrauensarbeitszeit. Datenschutz, IT-Sicherheit und Arbeitsschutz – einschließlich ergonomischer Anforderungen – sollten ausdrücklich geregelt werden.
Können Sie ein Beispiel aus Ihrer Praxis nennen, bei dem neue Arbeitsmodelle erfolgreich umgesetzt wurden?
Ein Start-up konnte sich zu Beginn keine hohen Gehälter leisten, war jedoch auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen. Durch klar geregelte Homeoffice- und Mobile-Working-Angebote konnte das Unternehmen standortunabhängig rekrutieren. Ergänzend wurden flexible Arbeitszeiten ermöglicht, wodurch auch Teilzeitkräfte und junge Eltern gewonnen werden konnten.
Der Erfolg dieses Modells beruhte auf klaren und verbindlichen Vereinbarungen. Die Mitarbeiter konnten sich auf zugesagte Vorteile verlassen, während das Unternehmen rechtliche Auseinandersetzungen vermied.
Welche Entwicklungen erwarten Sie im Arbeitsrecht in den kommenden Jahren?
Homeoffice und Mobile Working werden weiterhin Bestand haben und in manchen Unternehmen sogar zum Regelfall werden. Gleichzeitig rücken Fragen zum Arbeitsort, etwa im Zusammenhang mit Workation, stärker in den Fokus.
Flexible Arbeitszeitmodelle bleiben relevant, müssen jedoch regelmäßig überprüft und angepasst werden. Zudem wird der Schutz der psychischen Gesundheit an Bedeutung gewinnen, da Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zunehmend sanktioniert werden.
Auch der Einsatz von KI im Personalbereich wird zunehmen – von Bewerbungsverfahren bis hin zu Beförderungsentscheidungen. Unternehmen sollten sich frühzeitig mit den rechtlichen Grenzen befassen. Vorsicht ist zudem bei der Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern geboten, da das Risiko der Scheinselbstständigkeit weiterhin hoch ist.