Jens Ferner: Umgang mit gefälschten Impfpässen

Interview mit Jens Ferner
Jens Ferner ist Rechtsanwalt und Inhaber der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Mit ihm sprechen wir über gefälschte Impfpässe, Strafen durch die Justiz sowie Urkundenfälschungen.

Seit kurzem beschäftigt sich das Landgericht Osnabrück mit gefälschten Impfpässen. Wie behandelt die Justiz eine Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß §§277, 279 StGB?

Jens Ferner: Um die Problematik zu verstehen, muss man das Gesamtbild sehen: Es ist (derzeit) wohl zu unterscheiden, ob es um einen real wirkenden gefälschten Impfausweis geht, oder ob ein „Bankett“ betroffen ist, das also mit allen Impfdaten vorbereitet ist, aber noch auf keine Person bezogen ist. Während das LG Osnabrück viel mediale Aufmerksamkeit bekommen hatte, sollte man dabei besser die Entscheidung des OLG Bamberg (1 Ws 733/21) vom 17.01.22 kennen, die sich viel dezidierter mit der bisherigen Rechtslage auseinander setzt. Die Justiz selber wirkt dabei gespalten: Während die Generalstaatsanwaltschaften schon früh davon sprachen, dass es keine Regelungslücke gibt, gibt es gleich mehrere gerichtliche Entscheidungen, die keine Strafbarkeit sehen.

Beim Landgericht Osnabrück wurde geprüft, ob sich Beschuldigte der Urkundenfälschung gemäß §267StGB strafbar gemacht haben. Warum ist in dem Fall der Fälschung von Gesundheitszeugnissen kein Rückgriff auf die allgemeine Regelung der Urkundenfälschung möglich?

Jens Ferner: Die Norm zum Ausstellen von Gesundheitszeugnissen (§ 277 StGB) wurde jedenfalls in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung als abschließende gesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen angesehen, wodurch der Rückgriff auf § 267 StGB gesperrt war. Es handelte sich insbesondere nicht um eine schlichte Privilegierung der dort normierten speziellen Fallkonstellationen, welche außerhalb ihres Anwendungsbereichs einen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften (insbesondere des § 267 StGB) zugelassen sein könnte. Diese Rechtsprechung dürfte m.E. auch nach der Gesetzesänderung im letzten November weitergelten, da der Gesetzgeber hier nicht konkret etwas zu geändert hat. Insbesondere die abschließende Formulierung am Ende von §277 Abs.1 StGB spricht für diese Auslegung.

Bisher wurde nicht nach Personen mit gefälschten Impfausweisen gefahndet. Gibt es wirklich eine Strafbarkeitslücke?

Jens Ferner: Jedenfalls was Blankettausweise angeht, dürfte man diskutieren können: Denn Blankett-Impfausweise sind wohl keine Gesundheitszeugnisse im Sinne des StGB. Sie enthalten keine Aussage über den Gesundheitszustand eines konkreten individualisierbaren Menschen (so auch das OLG Bamberg). Da im Gesetz auch nur vom „Ausstellen“ oder „Gebrauchen“ die Rede ist, nicht dagegen vom „unternehmen“ (etwa sich Besitz zu verschaffen oder zu gebrauchen) dürften Taten mit Blankett-Impfausweisen im Vorfeld und nicht im strafbaren Bereich liegen.

Anders bei einem (personalisierten) Impfausweis, der grundsätzlich ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 277 StGB darstellt.

Das Vorlegen eines unrichtigen Impfpasses bei einer Apotheke ist nicht nach dem StGB sowie ebenfalls nicht nach dem IfSG strafbar. Wie können dennoch gefälschte Impfausweise sichergestellt werden?

Jens Ferner: Ich denke, seit der Neufassung des §279 StGB, der am 24.11.21 in Kraft getreten ist, stellt die Vorlage eines personalisierten Impfausweises („Zur Täuschung im Rechtsverkehr“) eine Straftat dar. Wenn eine Straftat im Raum steht, kann ein solcher Impfausweis beschlagnahmt und von der Justiz eingezogen werden, als so genanntes Tatwerkzeug.

Die Polizei kann aber auch im Rahmen der Gefahrenabwehr nach den Polizeigesetzen der Länder inkriminierte Gegenstände beschlagnahmen, wenn man die Sorge hat, dass hiermit Straftaten begangen werden. Dies ist dann ein polizeilicher Verwaltungsakt, hier müsste man – je nach Bundesland – eigene Rechtsmittel einlegen, regelmäßig liefe es auf eine Klage zum Verwaltungsgericht hinaus.

Die Strafbarkeitslücke darf allerdings nicht von Gerichten, sondern nur vom Gesetzgeber geschlossen werden. Wird es in Zukunft eine Gesetzesänderung bezüglich der Impfausweise geben, wann kann man damit rechnen und welche Strafen kommen auf Personen mit gefälschten Impfausweis zu?

Jens Ferner: Der moderne Gesetzgeber reagiert insbesondere im Strafrecht nach meiner Wahrnehmung leider mehr auf mediale Öffentlichkeit als auf sachliche Debatten. Ich denke, wenn (wieder) ein Presse-Hype um das Thema entsteht, wird man nochmals aufgeregt nachbessern, zu aktuellen erneuten Anläufen ist mir nichts bekannt. Vermuten würde ich, dass die nächste Änderung in dem Bereich, wie so oft, den Weg gehen wird, die Strafbarkeit weiter in das Vorbereitungsstadium zu verschieben.

Herr Ferner, vielen Dank für das Gespräch!

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